Berlin entzündet die erste Chanukka-Kerze – und steht an der Seite SydneysBerlin entzündet die erste Chanukka-Kerze – und steht an der Seite Sydneys
Das Entzünden der ersten Chanukka-Kerze am Brandenburger Tor hätte ein Moment reiner Freude sein sollen. Doch als Berlin am frühen Abend zusammenkam, lag über allem die Schwere des Terrors, der nur wenige Stunden zuvor in Sydney jüdisches Leben ausgelöscht hatte. Trotzdem füllte sich der Platz – nicht leise, nicht ängstlich, sondern mit sichtbarer Entschlossenheit, Licht dahin zu bringen, wo andere Finsternis erzwingen wollten.
Schon lange vor Beginn bildeten sich Menschengruppen an den Zugängen, während Polizeikräfte den Pariser Platz sicherten. Die Behörden hatten nach den erschütternden Nachrichten aus Australien zusätzliche Kräfte entsandt, um den Schutz der Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten. Doch wer gekommen war, kam nicht aus Gewohnheit, sondern aus Haltung. Viele trugen Tränen in den Augen, andere hielten sich aneinander fest, fast alle wussten, dass dieser Abend kein gewöhnliches Chanukka-Fest werden konnte.
Der Leuchter, der seit zwei Jahrzehnten am Brandenburger Tor steht und zu den größten seiner Art in Europa gehört, wurde zum sichtbaren Symbol einer Gemeinschaft, die sich nicht verjagen lässt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau mischten sich unter die Anwesenden. Ihre Anwesenheit war nicht protokollarisches Pflichtprogramm, sondern ein Signal an Jüdinnen und Juden in Deutschland: Ihr seid nicht allein.
Inmitten der gedrängten Menge standen auch viele, die den heutigen Tag sonst zu Hause begangen hätten. Ein Berliner, der zusammen mit seiner israelischen Frau gekommen war, formulierte es so: „Heute braucht es Öffentlichkeit. Schweigen ist keine Option.“ Seine Frau, sichtlich erschüttert, sprach davon, dass sie ihren Glauben im Alltag immer häufiger verbergen müsse. An diesem Abend tat sie das Gegenteil: Sie trat vor die Kerzen, hob das Gesicht und ließ die Welt sehen, dass sie da ist.
Auffällig waren auch jene Stimmen, die aus anderen Gemeinschaften kamen. Ein Vertreter einer muslimischen Organisation sprach offen darüber, wie sehr ihn der Anschlag in Sydney getroffen habe. Judenhass, sagte er, sei längst kein Problem einer Minderheit, sondern ein Angriff auf das Fundament demokratischer Gesellschaften – egal, wen er zuerst trifft. Seine Worte hallten nach: Solidarität ist kein Luxus, sie ist Pflicht.
Kurz bevor das Licht entzündet wurde, sprach ein Vertreter der Berliner Chabad-Gemeinde zu den Versammelten. Er erinnerte an die Ermordeten in Australien und an die Verletzten, deren Familien noch immer in Angst um ihr Leben bangen. „Wir trauern, aber wir weichen nicht“, sagte er. „Unsere Herzen sind schwer – und trotzdem entzünden wir heute das Licht. Gerade heute.“ Wenige Minuten später brannte die erste Flamme über dem Platz, still und doch unübersehbar.
Dass Berlin an diesem Abend nicht in Angst zerfloss, sondern in Zusammenhalt wuchs, war ein Zeichen – nicht nur an die eigene Stadt, sondern an jüdische Gemeinschaften weltweit. Keine Drohung, keine Gewalt und kein Terroranschlag wird verhindern, dass Jüdinnen und Juden sichtbar, lebendig und verbunden bleiben. Chanukka erzählt vom Wunder des Lichts, das nicht erlosch, obwohl es kaum reichen konnte. In Berlin wirkte dieses Motiv heute bedrückend real.
Die kommenden Tage werden geprägt sein von Gesprächen über Sicherheit, Verantwortung und politischen Konsequenzen. Doch an diesem Abend stand etwas anderes im Mittelpunkt: die Entscheidung, sich nicht einschüchtern zu lassen. Es ist Chanukka – und Berlin hielt das Licht hoch, für Sydney, für die jüdische Gemeinschaft und für eine Zukunft, die sich nicht dem Hass beugt.
Autor: Redaktion
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Sonntag, 14 Dezember 2025