Die Linke baut Bildungsinitiative zum Nahostkonflikt auf – und verschiebt die Realität zugunsten alter IdeologienDie Linke baut Bildungsinitiative zum Nahostkonflikt auf – und verschiebt die Realität zugunsten alter Ideologien
Die Partei präsentiert ein bundesweites Fortbildungsprogramm zum Nahostkonflikt und Antisemitismus. Doch der Schwerpunkt des Projekts verrät weniger über die Lage im Nahen Osten als über die ideologischen Muster der Linken selbst.
Die Linke hat beschlossen, im Frühjahr 2026 eine umfassende Bildungsinitiative zu starten. Offiziell soll sie Parteimitglieder über Antisemitismus, Nahostgeschichte und politische Lösungsansätze informieren. Doch schon der Beschluss des Parteivorstands vom 13. Dezember offenbart: Die inhaltliche Ausrichtung folgt Leitlinien, die zentrale Realitäten des Konflikts ausblenden und bekannte Narrative reproduzieren, die Israel delegitimieren oder historisch verzerren.
Im Zentrum des Programms stehen Themen wie Antisemitismus, die palästinensische Befreiungsbewegung, die Nakba und politische Theorien möglicher Friedensprozesse. Die Bandbreite klingt umfassend. Doch entscheidend ist nicht, was aufgeführt wird – sondern was fehlt und wie selektiv die Schwerpunkte gesetzt sind.
Ein Projekt, das zentrale Begriffe verschiebt
Der Beschluss legt fest, dass sich die Bildungsreihe mit folgenden Aspekten befassen soll: Geschichte des Antisemitismus, die sogenannte Jerusalem Declaration of Antisemitism, historische Ereignisse im Nahen Osten, die „fortwährende Vertreibung“ der Palästinenser und Perspektiven für einen gerechten Frieden. Diese Auswahl stellt keinen ausgewogenen Überblick dar. Vielmehr folgt sie einem ideologisch geprägten Raster, das seit Jahren die Debatten innerhalb der Linken bestimmt.
Besonders problematisch ist die Hervorhebung der palästinensischen Befreiungsbewegung – ein Sammelbegriff, der historisch sowohl die PLO und Fatah als auch radikalisierte Strömungen umfasst, deren ideologische Wurzeln bis in die antisemitische Agitation des Muftis von Jerusalem reichen. Gleichzeitig verschweigt die Linke vollständig, dass ein wesentlicher Teil dieser Bewegung bis heute in Organisationen mündet, deren erklärtes Ziel nicht Koexistenz ist, sondern die Beseitigung des jüdischen Staates.
Was völlig fehlt: die historische Realität hinter der sogenannten Befreiungsbewegung
Wenn die Linke von der „palästinensischen Befreiungsbewegung“ spricht, meint sie in Wahrheit Organisationen wie Fatah und PLO – ohne auch nur ein Wort über deren ideologischen Ursprung zu verlieren. Die historische Linie führt direkt zu Amin al Husseini, dem Großmufti von Jerusalem, einem glühenden Antisemiten und engen Verbündeten des NS Regimes. Yassir Arafat bezeichnete den Mufti wiederholt als Vorbild, die frühe Fatah wurde von dessen Gefolgsleuten geprägt, und das ideologische Fundament blieb über Jahrzehnte unangetastet: die Delegitimierung Israels als jüdischer Staat.
Dass die Linke diese Kontinuität ausklammert, ist kein Zufall. Jede ernsthafte Bildungsinitiative müsste die Frage stellen, weshalb zentrale Akteure der palästinensischen Nationalbewegung von Beginn an von antisemitischen und eliminatorischen Motiven getragen waren – und weshalb diese Motive bis heute fortbestehen. Stattdessen romantisiert der Beschluss die „Befreiungsbewegung“, entkernt sie politisch und passt sie an ein Weltbild an, das die historisch belasteten Wurzeln ignoriert. Das Ergebnis ist eine Darstellung, die zentrale Tatsachen verwischt und die ideologischen Ursprünge eines jahrzehntelangen Konflikts ausblendet.
Die Jerusalem Declaration of Antisemitism als politisches Werkzeug
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Aufnahme der Jerusalem Declaration of Antisemitism. International gilt sie nicht als neutrales Analyseinstrument, sondern als politisch motivierter Gegenentwurf zur breit anerkannten IHRA Definition, die israelbezogenen Antisemitismus dort benennt, wo er auftritt. Die JDA verlagert diese Grenzziehung, trennt Israelhass und Judenhass künstlich voneinander und lässt selbst aggressive Formen antiisraelischer Rhetorik als „legitime Kritik“ erscheinen.
Dass die Linke dieses Dokument zum Kern ihrer Bildungsinitiative erhebt, macht deutlich, wie sehr die Partei Begriffe verschiebt, um die eigene Lesart des Nahostkonflikts abzusichern.
Was fehlt: die Realität der jüdischen Bedrohung
Noch gravierender ist das Schweigen zu allem, was Israel und jüdisches Leben heute tatsächlich bedroht. Weder der 7. Oktober als schwerste antisemitische Gewalttat seit der Schoah noch die fortlaufende Aufrüstung durch Iran und seine Stellvertreter tauchen im Papier auf. Auch die massive Zunahme antisemitischer Vorfälle in Europa bleibt unerwähnt. Ebenso fehlt jeder Hinweis auf die Bedeutung Israels als Schutzraum für Millionen Juden.
Ein Bildungsprogramm, das Antisemitismus thematisiert, aber die wichtigste Form des heutigen Antisemitismus ausklammert – den israelbezogenen –, verfehlt seinen Auftrag fundamental.
Innerparteilicher Kompromiss mit eingebauter Schlagseite
Die angekündigte Arbeitsgruppe soll verschiedene innerparteiliche Positionen einbeziehen. Doch der innerparteiliche Diskurs der Linken ist seit Jahren von antiisraelischen Sichtweisen geprägt. Die „niederschwellige“ Ausrichtung bedeutet daher vor allem eine flächendeckende Verbreitung bereits bestehender ideologischer Schieflagen – nicht deren kritische Überprüfung.
Ein Angebot mit Risiken – gerade jetzt
Deutschland erlebt seit dem 7. Oktober eine antisemitische Welle, deren Ausmaß die Republik seit Jahrzehnten nicht kannte. Israel ist an mehreren Fronten bedroht. In dieser Lage trägt politische Bildung besondere Verantwortung. Der Beschluss der Linken jedoch verschiebt Begriffe, relativiert Gefahren und bekräftigt ein Weltbild, das die historische und gegenwärtige Bedrohung jüdischen Lebens nicht ernst nimmt.
Wer politische Bildung anbieten will, trägt Verantwortung. Und wer Verantwortung trägt, darf die Realität nicht durch Ideologie ersetzen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Ferran Cornellà - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=159659375
Sonntag, 21 Dezember 2025