Die Türkei in die EU?!

Die Türkei in die EU?!


Der Prozess zur vollen Mitgliedschaft in der Europäischen Union sei das wichtigste strategische Ziel der Türkei, sagte der stellvertretende türkische Ministerpräsident Mehmet Simsek am 25. April auf einer hochrangig besetzten EU-Türkei-Wirtschaftstagung in Istanbul.

Die Türkei in die EU?!

von Uzay Bulut, Gatestone Institute
 

  • "Was ist die Eroberung?", fragte Erdogan sein Publikum. "Die Eroberung istHijrah [Expansion des Islam durch Auswanderung, nach dem Beispiel des Islamgründers Mohammed, der mit seinen Anhängern von Mekka nach Medina wanderte]. Die Eroberung ist al-Andalus [Muslime in Spanien]. ... Die Eroberung ist Salah al-Din al-Ayubbi [Saladin]. ... Sie besteht darin, dass die Flagge des Islam wieder in Jerusalem gehisst wird. ... Die Eroberung besteht darin, Mut, Beharrlichkeit und Klugheit zu haben, um selbst in den schwersten Zeiten der ganzen Welt zu trotzen."
  • "Die EU braucht die Türkei mehr, als die Türkei die EU braucht. Lasst das alle wissen", so der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Der Prozess zur vollen Mitgliedschaft in der Europäischen Union sei das wichtigste strategische Ziel der Türkei, sagte der stellvertretende türkische Ministerpräsident Mehmet Simsek am 25. April auf einer hochrangig besetzten EU-Türkei-Wirtschaftstagung in Istanbul.

 

Simsek versprach, die Türkei werde die Qualität ihrer Institutionen verbessern, den Rechtsstaat stärken und die Annäherung an Europa durch einen Reformprozess vervollständigen.

 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hingegen ist für seine begeisterten Äußerungen bekannt, in denen er nicht von der Europäischen Union voller Bewunderung sprach, sondern vom letzten islamischen Kalifat – dem Osmanischen Reich, einem auf Expansion ausgerichteten Reich, das die Bevölkerung in den von ihm unterjochten Gebieten mit Massakern, Vergewaltigungen und sexueller Versklavung heimsuchte.

 

Als Erdogan am 30. Mai 2015 auf einer öffentlichen Veranstaltung den 562. Jahrestag des Falls von Konstantinopel feierte, klang er mehr wie ein osmanischer Sultan als wie der Führer eines NATO-Staates.

 

Er schwärmte davon, dass "in Jerusalem wieder die Fahne des Islam wehen" und "das Siegel des Islam auf die Al-Aksa-Moschee gestempelt" werden möge. Laut einigen Medienberichten nahmen zwei Millionen Menschen an der Veranstaltung teil und jubelten ihm zu.

 

"Was ist die Eroberung?", fragte Erdogan das Publikum.

 

"Die Eroberung ist Hijrah [Expansion des Islam durch Auswanderung, nach dem Beispiel des Islamgründers Mohammed, der mit seinen Anhängern von Mekka nach Medina wanderte]. Die Eroberung ist Mekka. Die Kaaba, das Haus Allahs auf Erden, wurde von all den Götzen gereinigt. Die Eroberung ist Jerusalem. Der Prophet Omar prägte der Al-Aksa-Moschee das Siegel des Islam ein, unsere erste Qibla [die Richtung, in die Muslime bei den fünf täglichen Gebeten blicken], während er alle anderen Glaubensrichtungen respektierte, darunter [die der] Christen und Juden."

 

"Die Eroberung ist Al-Andalus [Muslime in Spanien]. Dort wurden die schönsten Werke der Architektur, der Literatur und der Kultur der Welt geschaffen, wie etwa in Córdoba und Granada."

"Die Eroberung ist Samarkand [eine Stadt im heutigen Usbekistan und einst die Hauptstadt der antiken sogdischen Zivilisation, deren Hauptreligion der Zoroastrismus war]."

 

"Die Eroberung ist Buchara [ebenfalls im heutigen Usbekistan; einst eine gemischte Stadt mit zoroastrischen, buddhistischen, jüdischen und nestorisch-christlichen Gemeinden]. In den Steppen Zentralasiens wurde eine der größten Zivilisationen der Geschichte errichtet."

 

"Die Eroberung ist Salah al-Din al-Ayubbi [Saladin, der 1187 Jerusalem eroberte]. Die Flagge des Islam muss wieder in Jerusalem gehisst werden."

 

"Die Eroberung ist Alp Arslan [der zweite Sultan des mittelalterlichen muslimischen Seldschukenreichs, der Anatolien eroberte]."

 

"Eroberung war es, dieser gesegneten Nation die Tore Anatoliens bis nach Wien zu öffnen. Die Eroberung ist Osman Gazi [der erste osmanische Sultan]. Der Ahornbaum [das Osmanische Reich] traf auf den Boden, der drei Kontinente und sieben Klimazonen umfasste, durch die von Scheich Edebali gebrachte Erleuchtung, welcher sagte: 'Gestaltet das menschliche Leben so, dass der Staat leben kann.'"

"Die Eroberung besteht in Vorbereitung. Eroberung war es, als Sultan Murad II. seinen Thron zugunsten seines 12-jährigen Sohns, Mehmed II., aufgab. Und natürlich war Sultan Mehmed der Eroberer die Eroberung. Im Alter von 21 Jahren machte er sich Istanbul zueigen, die am meisten begünstigte Stadt der Welt, nachdem er das tausend Jahre alte Byzanz zerstört hatte."

 

"Mehmed der Eroberer eroberte Istanbul im Jahr 1453. Doch die Eroberungen gab es schon immer, vorher und nachher. Sie gingen weiter unter Sultan Selim I. dem Grausamen, Sultan Süleyman dem Gesetzgebenden, Sultan Murad IV. und Sultan Abdul Hamid II."

"Die Eroberung besteht darin, Mut, Beharrlichkeit und Klugheit zu haben, um selbst in den schwersten Zeiten der ganzen Welt zu trotzen."

"Eroberung war 1994 [als Erdogan zum Bürgermeister von Istanbul gewählt wurde]. Sie bestand darin, Istanbul und dem Erbe des Sultans Mehmed dem Eroberer zu dienen. Die Eroberung bedeutet, dafür zu sorgen, dass die Türkei wieder auf ihren Füßen steht."

Darauf rief die Menge: "Hier ist die Armee, hier ist der Kommandant."

Unterdessen schickte das Europäische Parlament der Türkei am 14. April eine ernste Warnung: Es beschuldigte die regierende Partei Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), "rückfällig" zu werden, was ihr Verhalten gegenüber der Demokratie und dem Rechtsstaat betrifft.

Kati Piri, im Europäischen Parlament die Berichterstatterin über die Türkei, sagte, die Rückschritte auf Gebieten wie der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz seien "besonders beunruhigend".

Ankara weise den Bericht – in dem auch Belege dafür zitiert wurden, dass der massenhafte Mord an den Armeniern im Osmanischen Reich ein Völkermord war –zurück, sagte der türkische Minister für EU-Angelegenheiten, Volkan Bozkir.

 

"Wir betrachten diesen Bericht als null und nichtig", wurde Bozkir von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zitiert. "Es gibt in unserer Geschichte keinen Augenblick, dessen wir uns schämen. Alle unsere Archive stehen offen. Wir glauben, dass dies eine Sache ist, die von Historikern entschieden werden sollte. Politiker sollten keine Geschichte schreiben."

 

Erdogans Reaktion auf den EU-Bericht, die am 19. April erfolgte, war laut und deutlich, wie die Pro-Regierungszeitung Yeni Akit berichtet:

 

"Die EU braucht die Türkei."

 

"Dass sie uns solch einen Bericht präsentieren, zu einer Zeit, wo unsere Beziehungen mit der Europäischen Union sich auf vielen Feldern positiv entwickeln – etwa bei der Einwanderung und der Visaliberalisierung – ist einfach eine provokative Herangehensweise, ein provokativer Akt. Ich denke, die Europäer werden das erkennen."

 

"Seit 1963 waren sie nicht in der Lage, das zu sehen. Doch ich weiß nicht, was von nun an passieren wird. Die EU braucht die Türkei mehr, als die Türkei die EU braucht. Lasst das alle wissen. Man muss nicht sehr weit gehen, um das zu begreifen. Es reicht, sich die jüngsten Entwicklungen anzuschauen."

 

"Der Bericht hat einen verkümmerten Blickwinkel auf Zypern und die Ägäis, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Diese Leute [die EU-Offiziellen] tun, was ihr Wesen von ihnen verlangt. [In dem Bericht] gibt es auch einen Teil über die Ereignisse von 1915, welcher total lächerlich ist."

 

Erdogan verherrlicht die osmanischen Armeen, die die Tore von Wien erreichten, spricht von den "guten alten Zeiten", als die islamische Flagge über Jerusalem gehisst wurde, und glorifiziert osmanische Sultane, die auch Kalifen waren.

 

Leider sind die Ansichten, die die türkische Öffentlichkeit über die EU hat, nicht sehr verschieden von denen der türkischen Regierung. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts PEW von 2014 haben zwei Drittel der Türken (66 Prozent) eine schlechte Meinung von der Europäischen Union. Und die türkische Abneigung gegen den Westen beschränkt sich nicht auf die EU. Fast drei Viertel (73 Prozent) der Türken mögen auch den NATO-

Verbündeten USA nicht. 70 Prozent haben einen Widerwillen gegen die NATO.

 

Die Frage ist, wann die EU endlich aufhören wird, den Vogel Strauß zu spielen und anfangen, wie eine respektable Institution zu handeln. Wann werden die EU-Behörden die Türkei nicht mehr mit ihrem Wunschdenken betrachten, sondern nach dem messen, was die Türkei wirklich sagt und tut?

 

 

 

Uzay Bulut, in der Türkei als Muslimin geboren und aufgewachsen, lebt derzeit in Washington D.C. - Übersetzt von Stefan Frank.


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Freitag, 20 Mai 2016