Vor der Abstimmung: Großbritanien im Brexit-Fieber

Vor der Abstimmung:

Großbritanien im Brexit-Fieber


Wenn heute in einer Woche die Wahlberechtigen in Großbritannien an die Urnen gelassen werden um in einer Volksabstimmung über ihre zukünftige Mitgliedschaft in der EU zu entscheiden, dürfte der Fahrplan Richtung „Mehreuropa“ empfindlich durcheinandergeraten.

Großbritanien im Brexit-Fieber

von Ramiro Fulano

 
Nach den derzeitigen Ergebnissen der Meinungsforschungsinstitute liegt „Brexit“ inzwischen gegenüber dem Status Quo mit vier bis zehn Prozent in Führung; nur bei einem Institut liegt die Prognose im Bereich der statistischen Unschärfe.
Auch in den Wettbüros haben sich die Quoten im Laufe der letzten Tage fast angeglichen. Wenn dieser Trend anhält, dürfte „Brexit“ auch hier spätestens am Wochenende vorne liegen.
 
Argumentativ scheint die „Remain“ Kampagne seit der letzten Woche auf der Stelle zu treten, während man sich bei „Leave“ darüber freuen kann, dass der Penny immer öfter fällt – gerade auch in den weniger politikaffinen Milieus. 
Und wenn der Penny fällt, dann mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Gunsten von „Brexit“: Wer sich über längere Zeit mit der EU-Mitgliedschaft des UK auseinandersetzt, kommt mit doppelt so großer Wahrscheinlichkeit zum Schluss, dass ein Ausscheiden aus der EU sinnvoll ist, wie jemand, der sich nicht oder nur oberflächlich damit beschäftigt.
Doch seit Mr Murdochs unterhaltsame Tageszeitung „Sun“ ihren Leserinnen und Lesern am Dienstag in einer vorbildlichen Argumentation und in stilistisch lupenreiner Rhetorik ein „Leave“ empfahl (Auflage: 2,9 Millionen), kann wenig Zweifel daran bestehen, dass ein Brexit wahrscheinlich ist: Die „Sun“ liebt Gewinner. 
 
Und was geschieht derweil in Brüssel und Berlin? Business as usual: Die deutsche Bundeskanzlerin ist dem türkischen Ministerpräsidenten zu Diensten. Und Sigmar Grabriel, der Totengräber der deutschen Sozialdemokratie, macht das, was er am besten kann: Er beschimpft „seine“ ehemaligen Wählerinnen und Wähler als Nazis. (Böse Zungen behaupten, das wäre auch das Einzige, was Herr Gabriel kann.)
 
Und Jean-Claude Juncker hat für den Anfang der nächsten Woche eine vollmundige Intervention in die Brexit-Debatte ankündigt – hicks! Als ob das nicht nach hinten losgehen wird.
Die Bilanz der Brüsseler Beamtendiktatur sieht auch von der größten der britischen Inseln betrachtet nicht gut aus. Nach einem Ausscheiden des zweitgrößten Nettobeitragszahlers wird es bestimmt nicht einfacher, das europäische Kartenhaus vor dem Einsturz zu bewahren.
 
Bereits seit Jahren ist der hermetisch gegen den Weltmarkt abgeschottete EU-Binnenmarkt der wachstumsschwächste Kontinent der Erde – abgesehen von der Antarktis, um es mit Boris Johnson zu sagen. Insbesondere am Südrand der EU sind Millionen arbeitslos. 
 
Die Arbeitslosenquote in Griechenland, Portugal und Spanien liegt bei jungen Menschen zwischen 40 und 50 Prozent: Eine verlorene Generation wird den Mehreuropa-Götzen geopfert.
 
Die EU sollte einmal die europäischen Probleme des 19. Jahrhunderts lösen. Sie hat sich als inkompatibel mit der globalen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts erwiesen. Polen und Ungarn sowie weitere osteuropäische Staaten begeben sich bereits auf Abstand von diesem gescheiterten deutsch-französischen Freilandversuch. 
 
Ein Auseinanderbrechen der EU in Ost und West hätte zur Folge, dass Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten auch weiterhin von der Brüsseler Beamtendiktatur regiert werden. Das befreite Europa hingegen würde sich in einer nichtpolitischen Freihandelszone zusammenschließen. 
 
Die Oder würde wieder Grenzfluss. Nur diesmal nicht, um die Polen draußen, sondern um die Deutschen drin zu halten. 
Nicht nur in Großbritannien hält man den Nationalstaat für den besten Garanten demokratischer Selbstbestimmung und bürgerlicher Freiheitsrechte: In den Niederlanden sieht man es genauso. Dort ist bereits vom „Nexit“ die Rede. 
Wer nicht in den zweifelhaften Segen des EU-Füllhorns geraten und sein Geburtsrecht für einen Teller Linsen aus Germany verkaufen möchte, ist von den Vorteilen der europäischen Integration immer schwerer zu überzeugen. 
 
Und ich persönlich glaube nicht, das Mazedonien, Albanien und die Türkei des Herrn Erdogan diesem maroden Halbkontinent jetzt jene Impulse geben werden, die er am dringendsten benötigt.
 
Es reicht, liebe Europathen. Wir haben verstanden, wie Ihr die Frage nach dem „guten Leben“ beantwortet: exorbitante Steuern, damit Ihr Euch auf Kosten der Steuerzahler ein gutes Gewissen kaufen könnt. Vielen Dank, Ihr könnt gehen!
Eine Belohnung für Faulheit, Dummheit und Ideenlosigkeit und ein Terrorrisiko, das in Lüneburg so groß ist wie in Libyen und im Taunus nicht wesentlich geringer als in Tunis – gut gemacht, Frau Dr. Merkel.
 
So viel zur sozialverträglichen Umverteilung der Chancen und Risiken des Kapitalismus. Um es mit Lenin, diesem anderen deutschen Exportschlager, zu sagen: Statt die Bourgeoisie zwischen Inflation und Steuer zu zerreiben, kann man auch Sozialismus und Islamismus dafür nehmen.
 
Natürlich war das jahrzehntelange Zerstörungswerk des Euro-Kommunismus „nobel“ intendiert: Die Linke meinte es gut – vor allem mit sich selbst. Doch die Behauptung, die EU hätte nach dem Zweiten Weltkrieg den Frieden in Europa garantiert, dröhnte schon immer etwas hohl. 
 
Der militärischen Bedrohung ist die NATO begegnet und der Rest war einfach dem Umstand verdankt, dass Demokratien miteinander Handel treiben wollen. Und wer miteinander handelt, haut sich nicht gegenseitig den Schädel ein – Krieg ist schlecht fürs Geschäft. Da kann die EU so viele Direktiven erlassen, wie sie will.
 
Insofern ist es an bitterblöder Infamie kaum zu überbieten, auf die alliierten Gräber des Zweiten Weltkriegs zu verweisen und zu sagen: „Das kommt davon“ denn das kommt eben nicht davon. Diese Menschen sind nicht gestorben, damit aus Europa der feuchte Traum einer unkontrollierbaren Beamtenclique wird. Sondern damit nie wieder Faschismus herrscht.  
Und sie würden sich im Grabe rumdrehen, wenn sie wüssten, was heute in ihrem Namen geschehen soll.
 
Die tatsächlichen Opfer der EU lassen sich vor allem bei Terroranschlägen betrachten: in Tunesien, in Brüssel, in Paris. Und in der Ukraine hat die EU unter deutscher Führung die schwersten Spannungen mit Russland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs provoziert.
 
Der Annektierung der Krim durch Vladimir Putin ging bekanntlich der EU-gesponserte Putsch der Euromaidan-Faschisten voraus, liebe Kinderinnen und Kinder auf den Papageienschulen der GEW. 
 
Die Bilanz der EU sieht nicht gut aus. Wirtschaftlich ist der Halbkontinent auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit – Prognose: negativ. Seine Bevölkerung wird von den schwersten demografischen Verwerfungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erschüttert. 500 Millionen Menschen sind „unter deutscher Führung“ auf dem Weg ins Nirgendwo. 
 
Außenpolitisch ist die EU in einer riskanten Lage zwischen dem Islamismus des Südens, dem Nationalismus des Ostens und dem zunehmenden Desinteresse des Westens. Die Ironie daran ist, dass die Außenpolitik, die das bewirkt hat, weltweit als Spitzenprodukt made in Germany gilt.
 
In Frankreich lässt sich die Kulisse einer heilen europäischen Fußballwelt nicht mal mehr für die Dauer von 90 Minuten stabilisieren. Deutschland, der geisteskranke Mann Europas (oder vielleicht die geisteskranke Frau?), und Frankreich sind als „Motor der EU“ ungefähr so überzeugend wie zwei Einbeinige, die sich in die selbe Hose zwängen um beim Sprint anzutreten.
 
Und es wird nicht besser. Als Lösung jedes neuen EU-Problems wird das präsentiert, was die Misere überhaupt erst verursacht hat: Die Euro-Clique hängt an „Mehr Europa“ wie ein Junkie an der Nadel. Wenn Reformen des EU-Leviathans möglich wären, wären sie längst geschehen. 
 
Doch wer wie Sigmar Gabriel, der Totengräber der deutschen Sozialdemokratie, immer wieder auf die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts verweist, zeigt, dass er von Geschichte nur das versteht, was er verstehen möchte.
 
Dass der Vergleich hinkt, den er immer wieder anstellt, ahnt vielleicht sogar Herr Gabriel. Allein, er „vergisst“ zweckdienlich, dass die Weimarer Demokratie nicht annähernd so fest im Sattel saß, wie die Brüsseler Beamtendiktatur.
 
Letztere gründet sich auf die absolutistische Machtvollkommenheit einer selbsternannten und gegen den Willen des demokratischen Souveräns perfekt abgeschirmten Diktatur, an deren Fleischtöpfen ohne Frage auch Herr Gabriel früher oder später durchgefüttert werden möchte. Im bemerkenswerten Gegensatz dazu war die Weimarer Demokratie das, was bereits ihr Name besagt: eine Demokratie.
 
Bundeskanzler wird der Vizekanzler ja erst dann, wenn Frau Dr. Merkel tatsächlich in einer Gummizelle am Stadtrand von Berlin landet – „Kohls Mädchen“, dass das „Mehreuropa“ ihre politischen Paten komplett zu Schrott gefahren hat.
Bring it on.

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Donnerstag, 16 Juni 2016