Großbritanien: Machtkampf um den Brexit?

Großbritanien: Machtkampf um den Brexit?


Bei einer Abstimmung in der zweiten Kammer des britischen Parlaments wurde das Gesetz „Zum Austritt aus der EU“ am Dienstag um ein „Ammendement“ ergänzt. Es zeichnet sich ein Machtspiel zwischen dem House of Lords und HM Government ab.

Großbritanien: Machtkampf um den Brexit?

von Ramiro Fulano

 

Das House of Lords ist, wie allgemein bekannt sein dürfte, das Oberhaus von Westminster. Es war ursprünglich intendiert als Gremium für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die es nicht nötig hatten, ihren Lebensunterhalt mit Politik (oder was immer man als solche den Wählerinnen und Wähler verkaufen konnte) zu bestreiten.

 

Inzwischen ist das House of Lord ein illustrer Haufen, der vom Erzbischof von Canterbury bis zur Mutter eines Drogendealers alle Facetten einer modernen, multikulturellen Gesellschaft repräsentiert. Lords – und Ladys – werden „auf Lebenszeit“ ernannt und von niemandem gewählt. Sie sind deshalb auch niemandem Rechenschaft schuldig. Kein Wunder, dass die zweite Kammer als dringend reformbedürftig gilt.

 

Moderate Lords verstehen ihre Funktion in der Korrektur handwerklicher Fehler in der laufenden Gesetzgebung, die üblicherweise durch das demokratisch gewählte Unterhaus erfolgt. Sie verzichten zudem freiwillig auf die Behinderung jener Ziele der Regierungspartei, die Teile ihres Wahlprogramms waren. Aber manchmal versuchen sie auch, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Dann ist in der Regel ein Machtwort der Regierung gefragt.

 

Die Ergänzung des Gesetzes „Zum Austritt aus der EU“, die von den Lords gefordert wird, sieht vor, ansässigen EU-Bürgern bereits jetzt und unabhängig vom Ausgang der Brexit-Verhandlungen mit Brüssel ein uneingeschränktes Bleiberecht im Vereinigten Königreich zu garantieren.

 

Dazu ist zu sagen, dass die Pro-Brexit-Kampagne zu keinem Zeitpunkt gefordert hat, jemanden „nachhause zu schicken“, der sich rechtmäßig im Vereinigten Königreich befindet. Zudem hat Theresa May, die Premierministerin, bereits im Sommer letzten Jahres vorgeschlagen, die Aufenthalts-, Arbeits-, und Bleiberechte von 3 Millionen EU-Bürgern in Großbritannien und 1 Million Briten auf dem Kontinent nicht zum Gegenstand politischer Machtspiele zu machen.

 

Dieser Vorschlag scheiterte damals am erbitterten Widerstand der deutschen Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel (CDU), die es sich nicht nehmen lassen wollte, mit dem persönlichen Schicksal von 4 Millionen Menschen zu pokern. Selbstverständlich nicht nur, um HM Government zu weitereichenden Zugeständnissen auf anderen Gebieten zu zwingen. Sondern vor allem, um möglichst hohe Lösegeldsummen zu erpressen – Krisen-Angie wie sie leibt und lebt.

 

Das heißt: Wenn es nach HM Government gegangen wäre, wären die persönlichen Angelegenheiten von vier Millionen Menschen nicht zum politischen Spielball der Brüsseler Beamtendiktatur und einer machtgeilen Bundeskanzlerinnendarstellerin geworden (nicht, dass Genosse Schulz es anders gemacht hätte, liebe Sozis).

Dass die Lords nun ausgerechnet dieses Thema zum Gegenstand ihrer Intervention in die laufende Regierungsarbeit gemacht haben, ist aus zwei Gründen bedauerlich. Erstens untergraben sie damit die britische Verhandlungsposition in Brüssel, und zweitens machen sie das ohne vernünftigen Grund. Denn wenn sie die laufende Debatte verfolgt hätten, wüssten sie, dass zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestand, dass legal in Großbritannien ansässige Personen „abgeschoben“ worden wären. Die Lords haben mit ihrer Intervention mehr geschadet, als genützt – auch sich selbst.

 

Es ist nun am Unterhaus, das Ammendement der Lords zu überstimmen, was als nicht völlig sicher, aber als ausreichend wahrscheinlich gilt, bevor die Lords dann in der übernächsten Woche wahrscheinlich ein zweites Ammendement am Gesetz „Zum Austritt aus der EU“ vorschlagen werden, wenn sie eine „zweckdienliche Abstimmung“ über das Ergebnis der Brexit-Verhandlungen in zwei Jahren fordern.

 

Hierzu ist zu sagen, dass der laufenden Debatte im Unterhaus zu entnehmen war, dass es in der Kammer eine deutliche Stimmung für eine solche Abstimmung gibt. Es ist allein offen, ob sie ausschließlich parlamentarisch oder zusätzlich in Form eines Referendums durchgeführt werden soll.

 

Um spätere Enttäuschungen und „Missverständnisse“ diesmal auszuschließen, wäre zu klären, ob ein etwaiges Referendum wieder bloß „beratenden“ Charakter haben soll (also bloß eine Volksbefragung ist) oder ob es eine Entscheidungsinstanz darstellen soll (Volksentscheid). Die Unklarheiten in diesem Punkt gereichten dem Brexit-Referendum vom 23. Juni 2016 zum Nachteil.

 

Ob es zu diesem „zweiten“ Referendum kommt, und ob das britische Parlament noch einmal derartig viel Macht aus der Hand geben möchte, ist momentan unklar. Es zeichnet sich mit der für Ende des Monats angekündigten Auslösung der Paragraf-50-Mechnismus des Vertrages von Lissabon (a.k.a. „EU-Verfassung“) eine mindestens zweijährige Periode der Ungewissheit ab. Also ein Zustand, mit dem die Wirtschaft auf den Britischen Inseln wesentlich besser umgehen kann, als ihre Konkurrenz auf dem Kontinent.

 

 

 

Foto: Westminster, Parlamentsgebäude in London mit Big Ben (Foto: von Frank.Dielitz (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons)


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Freitag, 03 März 2017