Jamaika, Schande der Antillen

Jamaika, Schande der Antillen


Diesen Spruch lässt Heiner Müller in seinem Stück „Der Auftrag“ einen seiner Protagonisten sagen.

Jamaika, Schande der Antillen

von Vera Lengsfeld

 

ln seinem Drama geht es um drei Emissäre der französischen Regierung, die nach Jamaika das Zukunftsprojekt Revolution exportieren sollen. Um ihre wahren Absichten zu verschleiern, verstecken sie sich hinter Masken. Aber bevor sie ihren Auftrag ausführen können, holt die Realität sie ein: Die Revolutionsregierung gibt es nicht mehr. Sie ist abgelöst worden von der napoleonischen Diktatur. „Die Welt wird was sie war, eine Heimat für Herren und Sklaven“, resümiert einer der Emissäre ihr Scheitern.


Jamaika, Symbol einer schandbaren Politik. Was für eine Schmierenkomödie: An jedem Verhandlungstag präsentieren sich die Jamaika-Unterhändler auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft und spielen: „Wir hier oben, ihr da unten“. Aber unten stehen nur die regierungsaffinen Journalisten, die mit ihren Bildchen und kremlastrologischen Kommentaren dem Tun der Politikerdarsteller eine Bedeutung anzudichten versuchen.


Das Ganze ist längst zur Farce geworden. Es kann nur noch bestehen, weil sich die Medien beharrlich weigern, ihrem Auftrag nachzukommen, Politik zu kontrollieren. Statt Informationen und Analysen liefern sie Banalitäten und seichte Spekulationen: Cem Özdemir, erfahren wir, trinkt während der Verhandlungen Apfel-Karottensaft, Christian Lindner Orange-Karotte. Lindner umarmt demonstrativ einen CSU-Mann und nickt der Katrin von den Grünen nur distanziert zu. Den Leser schauderts vor so viel Insider-Geraune ohne jeglichen Wert. Das Verhältnis sei kollegial, aber in den Inhalten sei man noch weit auseinander. Welche Inhalte? Worum geht es außer um Posten, Dienstwagen und Privilegien?


Jamaika soll angeblich ein Zukunftsprojekt werden. Das Hindernis für die umgehende Realisierung einer vergoldeten Zukunft für die Unterhändler sind die Wähler, denen man ein X für ein U vormachen muss. Am einfachsten haben es die Grünen, deren Mutation zu einer Sekte (Ramin Peymani) bereits vollendet ist. Mit der zu allen Zugeständnissen bereiten Kanzlerin im Rücken, brauchen sie nur ihre absurden Forderungen und Scheinprobleme, wie Insektensterben, immer wieder bekräftigen. Am Ende soll ihr ungebremster Forderungskatalog im Koalitionsvertrag stehen. Jedenfalls, wenn es nach der Kanzlerin geht, die dann nicht mehr ihr grünes Herz verleugnen muss.


Die „Brandrede“, die Merkel kürzlich hielt, als es zum ersten Sondierungskrach kam, weil Jürgen Trittin alle Verhandlungsergebnisse, einschließlich der schwarzen Null im Haushalt, die bereits schriftlich fixiert worden waren, öffentlich wieder in Frage stellte, sprang die Kanzlerin für die Grünen in die Bresche, indem sie verkündete, nichts wäre bisher verbindlich beschlossen worden. Spätestens dann hätte eine kritische Presse die Frage stellen müssen, wozu diese „Sondierungen“ eigentlich gut sind, wenn nichts dabei herauskommt. Aber statt eines Rauschens im Blätterwald gab es nur Schweigen.


Auch als die Möchtegern-Koalitionäre sich bei dem Thema Zuwanderung nicht einmal ansatzweise einigen konnten, weil eine Einigung zwischen den Partnern gar nicht möglich sein kann, da ihre im Wahlkampf geäußerten Positionen viel zu konträr zueinander stehen, wurde das von den Journalisten kaum thematisiert. Haben sie bereits vergessen, was CSU und FDP versprochen hatten?


Die Grünen wiederholen gebetsmühlenartig ihre Forderung nach ungebremster Aufnahme aller „Schutzsuchenden“ und die angebliche Notwendigkeit, den jungen Männern, die ihre Familien schutzlos zurückgelassen haben, aus „humanitären Gründen“ und zur „Beförderung der Integration“ das Nachholen ihrer Familien zu ermöglichen. Zwar wissen wir immer noch nicht genau, wer bei uns ist und woher sie kommen. Das soll aber offensichtlich kein Hinderungsgrund für den Familiennachzug sein.


Auf diese Forderung können sich CSU und FDP nicht einlassen, ohne Selbstmord zu begehen. Unser Land ist schon mit denen überfordert, die bereits hier sind. Wie bis zu 7 Millionen (Ilse Aigner) Zuwanderer in die Sozialsysteme verkraftet werden sollen, diese Frage wird nicht gestellt. Statt dessen werden weiter Nebelkerzen geworfen. Heute meldet die Welt „Zahl der Schutzsuchenden hat sich verdoppelt“. Es wird immer noch versucht, der Öffentlichkeit einzureden, bei den Einwanderern handele es sich überwiegend um Flüchtlinge. Das ist längst widerlegt, aber an dieser Legende wird trotzdem eisern festgehalten.


Von 30 000 „Schutzsuchenden“, deren Asylantrag abgelehnt wurde, weiß niemand, wo sie sind.  Das heißt, die Zustände sind bereits jetzt chaotisch. Aber Kanzlerin und Grüne sind fest entschlossen, dieses Chaos nicht zu ordnen, sondern noch zu verstärken. Angeblich soll sich die Mehrheit der Bevölkerung nach Jamaika sehnen. Das behaupten jedenfalls verschiedene Medien, die sich dabei auf Umfragen berufen. Wahrscheinlich sind für diese Umfragen Journalisten gefragt worden, dann stimmt das Ergebnis sicherlich. Für diejenigen, die mit den Folgen der Masseneinwanderung zu kämpfen haben: Feuerwehrleute, Polizisten, Krankenschwestern, Lehrer, Staatsanwälte,

Richter, Angestellte bei den Sozialämtern, Weihnachtsmarkt- und Kirmes-Besucher trifft das sicher nicht zu. Aber auch in der Presse wird teilweise anderes berichtet: Nach einer in der WELT veröffentlichten OPINARY-Online-Umfrage zur Frage „Glauben Sie, dass eine Jamaika-Koalition funktionieren kann?“ haben von insgesamt 51.021 Lesern wie folgt geantwortet: 13% Ja, 9% indifferent, 78% Nein (Stand 25.10.2017).
© DIE WELT


Die Jamaika-Verhandlungen sind der Endkampf der alternativlosen Kanzlerin um eine weitere Amtszeit. Es gibt keinen Grund, ihre in jeder Hinsicht gescheiterte Politik um vier Jahre zu verlängern. Die Kanzlerin hat immer schon eine schwarz-grüne Regierung präferiert. Dann soll sie eine Minderheitsregierung mit ihrem Lieblingskoalitionspartner bilden und schauen, wie weit sie damit kommt. Damit würde sie sich wenigstens ehrlich machen.


Es gibt Schlimmeres als Neuwahlen: Jamaika.

 

 

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Vera Lengsfeld, Publizistin, war eine der prominentesten Vertreterinnen der demokratischen Bürgerrechtsbewegung gegen die "DDR"-Diktatur, sie gehörte 15 Jahre dem Deutschen Bundestag als Abgeordnete der CDU an. Sie publiziert u.a. in der Achse des Guten und in der Jüdischen Rundschau.


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Montag, 06 November 2017