Gefahr am Horizont: Ein britischer Premierminister Corbyn, die Juden und Israel

Gefahr am Horizont:

Ein britischer Premierminister Corbyn, die Juden und Israel


Vor drei Jahren grenzte die Vorhersage, dass der Labour-Unterhausabgeordnete Jeremy Corbyn eines Tages Premierminister des Vereinten Königreichs werden könnte, an Irrsinn.[1] Nach Angaben der heutigen Quoten der Buchmacher steht er nach dem rechts-konservativen Brexit-Befürworter Jacob Rees-Mogg auf Platz 2 der Favoriten.[2] Sollte Corbyn gewählt werden, dürfte das durchaus Folgen sowohl für die britischen Juden als auch Israel haben.

Ein britischer Premierminister Corbyn, die Juden und Israel

von Dr. Manfred Gerstenfeld

 

Angesichts dieser Möglichkeit ist es wichtig Corbyns Vergangenheit sowie auch Ereignisse den Antisemitismus und Antiisraelismus der Labour Party betreffend seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden im September 2015 zu analysieren. 2017 wurde eine Kurzdokumentation mit dem Titel „Whitewashed, Antisemitism in the Labour Party“[3] veröffentlicht, in der David Hirsh, ein britischer Soziologe und langjähriger Aktivist gegen Antisemitismus, die Bekundungen des Hasses gegen Juden und Israel in der Labour Party entlarvte.[4] Der Film beginnt mit Ausschnitten davon, wie Jeremy Corbyn von 2009 die arabischen Terrororganisationen Hisbollah und Hamas rühmt. Er nennt sie seine Freunde und heißt sie im Unterhaus willkommen. Sein verspätetes Bedauern dazu kann als fast irrelevant betrachtet werden.[5] Corbyns Vergangenheit schließt zudem finanzielle und aktive Unterstützung für die vom Holocaustleugner Paul Eisen geführte Gruppe Deir Yassin Remembered ein.[6]

 

Kurz nach seiner Wahl zum Labour-Vorsitzenden berief Corbyn zwei extrem antiisraelische Personen auf wichtige Parteiposten. Ken Livingstone, ehemaliger Bürgermeister von London, der eine anhaltende Geschichte des Schürens von Hass gegen Israel und die Juden hat, wurde zum Vizevorsitzenden des Verteidigungsausschusses der Partei ernannt.[7] Er wurde später von der Partei suspendiert, aber es wurde nie gegen ihn ermittelt. Inzwischen will er der Partei wieder beitreten.[8] Seamus Milne wurde zum Director of Strategy and Communications ernannt – mit anderen Worten, Corbyns Spin-Doktor. Dieser Hamas-Fan hat die Gründung Israels als „Verbrechen“ bezeichnet.[9] [10]

 

Im Februar 2016 trat Alex Chalmers, einer der beiden Vizevorsitzende des Oxford University Labour Club (OULC) von seinem Posten zurück. Er klagte, dass viele Mitglieder der Organisation „Probleme mit Juden hatten“.[11] Das führte zu einer Untersuchung durch das Parteimitglied Baroness Jan Royal. Das National Executive Committee (NEC) [der Parteivorstand] erlaubte die Veröffentlichung nur eines Teils ihres Berichts. Ein paar Monate später wurde er trotzdem allgemein zugänglich.[12]

 

Ed Miliband, Sohn eines Holocaust-Überlebenden, war von 2010 bis 2015 Corbyns Vorgänger als Parteichef. Auch unter Miliband gab es extreme Bekundungen von Antiisraelismus, oft durch gewählte muslimische Repräsentanten, die gewöhnlich Wahlkreise mit vielen muslimischen Wählern vertraten. Äußerungen dieser Hassschürer erregten damals wenig Aufmerksamkeit.[13]

 

Corbyns Amtsantritt als Parteichef gab antisemitischen Hetzern das Gefühl, dass jetzt mehr erlaubt ist. Eine der extremsten Äußerungen kam von MP Naz Shah, die den Wahlkreis Bradford vertritt, eine Muslim-Hochburg. Sie schlug vor, Israel solle in die USA verlegt werden.[14] Shah entschuldigte sich und tat Buße. Dennoch nahm sie mit anderen Abgeordneten vor kurzem an einer Veranstaltung teil, die von Aktivisten organisiert wurde, denen Antisemitismus vorgeworfen wird.[15] Fühlt sie sich jetzt unverwundbar? Heutzutage werden in den Mainstream-Medien gelegentlich Nachrichten zu Antisemitismus in Labour-Ablegern veröffentlicht. Eine ganze Menge mehr davon dürfte die Medien vermutlich nie erreichen.

 

2016 versuchte Corbyn die Antisemitismus-Vorwürfe gegen seine Partei zu stoppen, indem er die Menschenrechtsaktivistin Shami Chakrabarti damit beauftragte einen Bericht zum Thema zu erstellen. Dieses im Juni desselben Jahres vorgelegte Dokument war höchst unprofessionell und zeigte, dass Chakrabarti wenig begriff, was Antisemitismus angeht. Ihre Glaubwürdigkeit wurde weiter untergraben, als sie kurz darauf auf Empfehlung von Corbyn Mitglied des Oberhauses wurde.[16]

 

Die jüdische Abgeordnete Luciana Berger hat tausende Hassmails erhalten; in einigen davon wurde ihr mit Mord gedroht. Das geschah in Reaktion auf ihre Kritik an der Ablehnung der Labour Party Antisemitismus zu verurteilen. Eine weitere jüdische Abgeordnete, Ruth Smeeth, erhielt 25.000 Schmähbotschaften. Zur jährlichen Labour-Konferenz im September 2016 erschien Smeeth mit einem Personenschützer.[17]

 

Eine Woche vor den Parlamentswahlen im Juni 2017 veröffentliche der Jewish Chronicle eine Meinungsumfrage. Diese stellte fest, dass 13% der jüdischen Wähler Labour unterstützten, während 77% sagten, sie hätten vor für die Konservativen zu stimmen. Die Wähler wurden weiter gebeten die Parteien auf einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten. Je höher die Zahl, desto stärker bewertet man den Antisemitismus bei den Mitgliedern und gewählten Vertretern der Partei. Labour erhielt mit 3.94 die höchste Wertung. Die Anti-EU-Partei UKIP folgte mit 3.63. Die Liberaldemokraten erhielten 2.7 und die von Premierministerin Theresa May geführten Konservativen 1.96.[18]

Bei den Wahlen vom Juni 2017 schnitt Corbyn als Wahlkämpfer gut ab, während May schwach war.[19] Als May die Wahlen ansetzte, zeigten die Umfragen, dass die Konservativen viele Sitze gewinnen würden. Tatsächlich verlor die Partei ihre Mehrheit und war von der nordirischen Partei DUP abhängig, wollte sie eine Mehrheitsregierung bilden.[20]

 

Corbyn stärkt seinen Zugriff auf die Labour Party weiter. Seit Januar 2018 kontrolliert er das NEC.[21] Bald wird ein Corbyn-Anhänger zum Generalsekretär der Labour Party gewählt werden. Vor den nächsten Wahlen wird man versuchen viele moderate Labour-Abgeordnete durch Corbyn-freundliche Kandidaten zu ersetzen. Wenn Corbyn gewählt wird, wird er wahrscheinlich den nichtexistenten Palästinenserstaat anerkennen und eine Vielzahl anderer antiisraelischer Maßnahmen treffen. Bezüglich der vielen Missbräuche des Iran wird er viel toleranter sein als die Vereinigten Staaten.

 

Derweil bleibt für die britischen Juden eine ganze Menge Ungewissheit und Sorge. Wenn Corbyn Premierminister werden sollte, könnte das auch die Antisemiten und diejenigen ermutigen, die extreme physische Angriffe auf Juden verüben würden. Wenn solche Vorfälle ein paar Mal auftreten, könnte es langfristig weitere Auswanderung auslösen. Meinungsumfragen haben gezeigt, dass zum einen oder anderen Zeitpunkt ein Drittel der britischen Juden darüber nachgedacht haben das Land zu verlassen.[22]

 

 

[1] http://www.newyorker.com/news/news-desk/the-corbyn-supremacy

[2] http://www.oddschecker.com/politics/british-politics

[3] Reingewaschen: Antisemitismus in der Labour Party; http://www.youtube.com/watch?v=te684rBHzOA

[4] http://jewishnews.timesofisrael.com/howard-jacobson-labour-anti-semitism-at-whitewashed-film-launch/

[5] http://www.theguardian.com/politics/2016/jul/04/jeremy-corbyn-says-he-regrets-calling-hamas-and-hezbollah-friends

[6] http://www.dailymail.co.uk/news/article-3187428/Jeremy-Corbyn-s-links-notorious-Holocaust-denier-revealed.html

[7] http://www.telegraph.co.uk/news/politics/labour/12002961/Ken-Livingstones-appointment-shows-Jeremy-Corbyns-contempt-for-his-MPs.html

[8] http://www.theguardian.com/politics/2018/feb/24/ken-livingstone-hitler-suspension-end-no-further-action

[9] http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/211571#.VzWK8_l967Q

[10] http://www.newstatesman.com/politics/media/2015/10/jeremy-corbyn-appoints-seumas-milne-head-strategy-and-communications

[11] http://cherwell.org/2016/02/15/oulc-cochair-resigns-citing-antisemitism-within-club/

[12] http://www.oxfordsu.org/asset/News/6013/Report_OUC_Final.pdf

[13] http://www.israelnationalnews.com/Articles/Article.aspx/18841

[14] http://www.businessinsider.com/labour-mp-naz-shah-has-resigned-after-saying-israel-should-be-relocated-to-the-us-2016-4

[15] http://www.thejc.com/news/uk-news/naz-shah-clive-lewis-labour-mps-attended-event-organised-by-activists-facing-antisemitism-claims-1.459187

[16] https://heplev.wordpress.com/2016/07/18/die-hoechst-unprofessionelle-untersuchung-des-britischen-labour-antisemitismus/

[17] http://www.independent.co.uk/news/uk/politics/labour-membership-new-rules-abuse-online-jeremy-corbyn-trolling-a7319906.html

[18] www.thejc.com/news/uk-news/labour-support-just-13-per-cent-among-uk-jews-1.439325

[19] http://www.theguardian.com/politics/2017/jul/01/over-60-of-voters-view-theresa-may-as-pm-negatively-poll

[20] http://www.bbc.com/news/40575129

[21] http://www.telegraph.co.uk/politics/2018/01/15/momentum-founder-jon-lansman-elected-labour-party-nec-jeremy/

[22] http://www.dailymail.co.uk/news/article-4806578/One-British-Jews-considered-quitting-UK.html

 

 

Dr. Manfred Gerstenfeld war viele Jahre Präsident des Jerusalemer Centers for Public Affiars (JCPA). Er ist Autor der Tageszeitung The Jerusalem Post und des israelischen Nachrichtensenders Arutz Sheva.

 

 

Heplev - Foto: Jeremy Corbin bei einem Auftritt (Foto: By YouTube/RevolutionBahrainMC [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons)


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Dienstag, 06 März 2018