Nach der Europawahl: Am Scheideweg

Nach der Europawahl:

Am Scheideweg


Gut eine Woche nach Abschluss der Europawahlen ist nun allerorten wieder die übliche Ernüchterung, soll heißen: der tagespolitische Dünnpfiff eingekehrt.

Am Scheideweg

Von Shanto Trdic

Hatte man uns bis zuletzt den kontinentalen Urnengang auf recht anbiedernde Art und Weise als ´Schicksalsrunde´ verkauft – Für ein Europa der Vielfalt – Gegen RECHTS – steht jetzt der übliche Posten-Schacher, das unvermeidliche personalpolitische Gerangel im Vordergrund. Auch und gerade hier in Deutschland. Im Blick auf die durchweg glücklos agierende Andrea Nahles wurde aus einer dieser Posse just ein echtes Trauerspiel. Die soeben zurück getretene Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion schwitzte noch bis gestern ´alternativlos´, also: ohne Konkurrent*Innen ihrer drohenden Abwahl entgegen. Der alten Tante SPD geht stündlich die Luft aus, denn sie wird dünner, und also japst sie in asthmatischer Anämie. Es mutet annähernd surreal an, dass sich Deutschland derzeit einen Vizekanzler leistet, dessen Partei mit jeder neuen Stimmzettelvergabe zur Splitterfraktion herunterschrumpft. Wie lange mag es dauern, bis die Genoss*Innen, als letzte Reste eines wirklich harten, hauchdünnen Kaderkerns, in den revolutionären Untergrund desertieren, um von dort aus die nächsten Chaostage zu organisieren?

Tatsächlich ist dieses Chaos längst ausgebrochen. Allerorten tobt sich der Irrsinn aus, aber die begleitenden Zusammenhänge werden auch weiterhin bequem ausgeblendet. Wenige Beispiele reichen aus, dies zu verdeutlichen.

Dass die Zahl der Flüchtlinge, denen der Sprung von der Türkei nach Griechenland gelingt, im Mai wieder deutlich anstieg, war vorhersehbar. Trotzdem tun die Medien jetzt baffblöde bis verdutzt. Als Angela Merkel im Dezember vergangenen Jahres als einzige Staatschefin von Rang nach Marrakesch eilte um dort ihre unselige Rede zu halten, hätte man wissen können, das die Worte der eisernen Kanzlerin nur als Einladung verstanden werden konnten, nunmehr um jeden Preis Richtung Europa auszuwandern, passend zu einem Pakt, der Migration zum Menschenrecht erklärt und den Status souveräner Nationalstaaten clever in Frage stellt.

Es stand auch von Anfang an fest, dass die Türkei ein unsicherer Vertragspartner bleibt. Seine Eliten und Funktionsträger werden weiterhin jede sich bietende Gelegenheit nutzen, Mitteleuropa durch den Transfer weiterer ´Flüchtlinge´ aus der Levante zu destabilisieren. Statt also das EU-Mitglied Griechenland mittels kompakter Grenzschutzmaßnahmen gegen Flutungen aus dem Orient und Nordafrika zu sichern, sorgt das ´verbündete´ Deutschland dafür, den Terror und Polizeiapparat eines echten Schurkenstaates mit Milliardengeldern zusätzlich zu festigen. Dennoch wird man nicht müde, die Leidenswege dieser oder jener Prominenzen zu beklagen, die als ´Deutschtürken´ willkürlich in Haft genommen werden. Was der Transit zusätzlicher Migranten, die früher oder später aus den total überfüllten griechischen Sammellagern die berüchtigte Balkanroute einschlagen werden, für diese Staaten selbst bedeutet – wen kratzt es denn? Man ist eben froh, dass die Gescholtenen auch weiterhin die Drecksarbeit schultern und schmäht doch deren Grenzwacht bei jeder sich bietenden Gelegenheit dafür, Illegale Einwanderung zur Not mit robusten Mitteln abzuwehren. Böses Balkanpack!

Dabei steht denen, wie jüngst deutlich wurde, längst das Wasser bis zum eigenen Hals. Stichwort Mitrovica. Es ist beschämend genug, dass die begleitenden Vorgänge dieser Tage nahezu totgeschwiegen werden, wiewohl sie sich auf europäischem Territorium abspielen, nicht allzu weit entfernt von jenem Ort, an dem vor hundertfünf Jahren die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ihren unseligen Anfang nahm. Hat eigentlich irgendjemand in Europa zur Kenntnis genommen, dass nur noch ein kleiner Funke fehlt, um das Pulverfass Kosovo zur Detonation zu bringen? Serbiens Präsident Aleksandar Vucic ließ bereits die nationale Armee in volle Einsatzbereitschaft versetzen. Der Grund: Schwer bewaffnete kosovarische Polizeieinheiten waren am frühen Dienstagmorgen nahezu handstreichartig in Mitrovica und den benachbarten Gemeinden eingerückt. Im Verlauf der Aktion, bei der es etliche Verletzte gab, nahmen die Einsatzkräfte zahlreiche Beamte fest, unter ihnen 23 serbische Polizisten und vier Angehörige der bosniakischen Minderheit. Nach bisher unbestätigten Meldungen soll ferner ein russischer Diplomat schwer verletzt worden sein, was Moskau umgehend in Alarmbereitschaft versetzte. In Zubin Potok errichteten serbische Einwohner inzwischen Barrikaden und schossen auf das anrückende Polizeiaufgebot, deren Angehörige zunächst nur mit Tränengas dagegen setzten. Belgrad reagiert jetzt mit einer Verlegung zahlreicher Polizei- und Militäreinheiten in Richtung Grenze. Für den Fall, dass die albanischen Einheiten nicht binnen Kurzem aus Mitrovica abziehen hat Vucic bereits ´Gegenmaßnahmen´ angekündigt. Ich will dem geneigten Leser an dieser Stelle keinen Vortrag halten über die sozio-kulturellen Hintergründe einer unter fadenscheinigen Vorwänden angezettelten ´Krise´. Nur so viel: In Pristina regiert eine Art Mafia, deren ´Ober-Pate´ Hashim Taci nie zimperlich war bei der Durchsetzung eigener vitaler Interessen. Dazu zählt auch die Schaffung eines ´Großalbanien´ unter seiner Führung. Immer wieder forderte dieser Gewaltmensch ´umfassende Grenzkorrekturen auf dem Balkan´ mit Gebietsansprüchen, die sich auf serbische, mazedonische und montenegrinische Territorien beziehen. Andererseits ist und bleibt der eilfertig vom Westen als Nation anerkannte Kosovo die Wiege der serbischen Nation, ihr ´gelobtes Land´, dass auch im 21. Jahrhundert kein Politiker von Rang ungestraft preis geben wird. Die Situation ähnelt im Grunde jener, die wir in Israel-Palästina beklagen, auch in demografischer Hinsicht, aber von den federführenden Leitmedien werden die entsprechende Eskalationen auch weiterhin nahezu ignoriert. Sie widmen sich lieber den Strafzöllen des Herrn Trump oder einem Pornodreh auf dem Aldi-Parkplatz im hessischen Kelkheim. Sollte das trügerische nationalstaatliche Gefüge im östlichen Teil Europas demnächst an seinen unfertigen Rändern auseinander brechen, dürften die Folgen unabsehbar sein.

Mitrovica markiert nur einen Markstein mehr auf dem Weg in den unvermeidlichen Untergang. Europa dankt ab, und zwar auf Raten. Das Unvermögen seiner Eliten, die Probleme im eigenen Haus richtig einzuschätzen, korrespondiert mit der Weigerung, dieselben im Zweifel überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Umgekehrt mutieren Übertreibungen zu echten Zwangsneurosen. Wie oft ist in den letzten Wochen und Monaten der Brexit beklagt oder belächelt und immer wieder aufs Neue bemüht worden. Aber England hat stets ein doppeltes Spiel gespielt, daran hat sich bis zuletzt nichts mehr geändert. Tatsächlich überwiegen jenseits taktischer Kniffe und Kalküle die Stoßrichtungen zentrifugaler Kräfte auf dem Kontinent. All jene, die ständig beteuern, den Zusammenhalt von insgesamt 29 Mitgliedstaaten bewahren zu wollen, sind offenbar gerade solche, von denen sich immer mehr Menschen in den betreffenden Nationen resigniert, ja angeekelt abwenden. Während mittlerweile in Ost und West die sogenannten Rechtspopulisten auf unterschiedliche Weise an Einfluss und Geltung gewinnen, schmieren die alten, mürbe gewordenen Volksparteien im Dutzend ab. Die Hype um unsere GRÜNEN kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieselben im EU Parlament noch deutlich hinter den Liberalen liegen. Dennoch onanieren ihre Eliten öffentlich drauflos: heute Deutschland, und morgen dann der Rest der Welt.

Die ost- und südwesteuropäischen Staaten haben derweil das Erbe jener sang- und klanglos untergegangenen Doppelmonarchie angetreten, die als echte Schicksalsgemeinschaft dem sukzessiven Eroberungswillen muselmanischer Eroberer stets standgehalten hat. Der unter ´großdeutscher Dominanz´ ächzende nord- und südwesteuropäische Block emanzipiert sich bereits von der trächtigen Mittelmacht, wiewohl unter Wehen.

Wenn Europa auseinander fällt, dann fallen vorher, so steht zu fürchten, auch gewisse Minderheiten: Sie werden, zunehmend ungestraft, von anderen Minderheiten in den Abgrund gestoßen. Frau Merkel, die Israels Sicherheit zur Staatsräson erklärte, äußerte sich bislang nicht zur Warnung des Antisemitismus-Beauftragten ihrer eigenen Regierung, als Jude in Deutschland das Tragen der Kippa zu unterlassen. Sie schweigt auch dazu, dass seit mehr als 20 Jahren beinharte Antisemiten, vornehmlich schiitischer Konfession, am sogenannten Al-Quds-Tag durch die Bundeshauptstadt marschieren und das Ende des Judenstaates skandieren. Erinnert: Im Iran ist der Al-Quds-Tag gesetzlicher Feiertag. Er soll die schiitischen Muslime weltweit zur ´Befreiung´ Israels ermuntern. Die Vernichtung Israels gehört bekanntlich zur iranischen Staatsdoktrin. Aber das schert Frau Merkel so wenig wie die x-te Ausschreitung in irgendeinem Asylbewerberheim, angezettelt von braven syrischen Schutzbefohlenen, die ihren Hass auf Juden gleichsam ´von ganz oben´ verordnet bekommen und damit probeweise schon einmal ernst machen. Lieber stänkert Mutti gegen Trump oder Orban, um dann ausgleichend ´den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft´ anzumahnen. Zunehmend zählen zu dieser Gesellschaft aber all jene, deren Gesinnungsgenossen gestern auch in Wien, Göteborg oder London aufmarschieren.

Heute die Juden, morgen die Christen, und dann der Rest des freien Westens. Billige Polemik? Aber genau so schreien es die jüngsten ´Youth-Bulger´ ständig und mit großer Gebärde aus sich heraus, überall im Westen, der das unter der Rubrik ´Recht auf Demonstration´ abhakt. Man muss den Herrn Orban wahrlich nicht mögen, man kann und soll ihn, dem die Mehrzahl der ungarischen Wähler auch weiterhin die Treue hält, ruhig kritisieren, aber wenn er kategorisch klar macht, das die Unfehlbaren aus Islamistan, deren lauteste Schreihälse gestern ihre blutrünstigen Parolen zum besten gaben, nichts in seinem Land verloren haben, dann gebietet das Respekt. Meinen hat er.

Beim Thema Zuwanderung wird deutlich, wie gespalten, ja zerrissen die Union bereits ist. Den begleitenden Wundbrand merzt man kaum mit esoterischer Homöopathie aus. Irgendwie erinnert der Zustand derer, die in Brüssel das Hohelied kontinentaler Einheit beschwören, dem jener wirklich letzten Höflinge und Herrscher des übertausendjährigen Byzanz. Die Angehörigen seines Senats debattierten unmittelbar vor der endgültigen Eroberung Konstantinopels durch die osmanischen Streithorden Mehmets II. so ernsthaft wie unbekümmert über das Geschlecht der Engel. Sicher wird man in Berlin, der ´heimlichen Hauptstadt Europas´, demnächst auch wieder die nächsten Genderdebatten und Dieselfahrverbote ausloten. Und den Al-Quds-Tag zum gesetzlichen Feiertag erklären, um so der Gegenseite irgendwie gefallen zu können. Am Scheideweg angekommen, trotz noch das Gemüt der Erkenntnis, das nur die ehrliche Einkehr vor echten Abwegen schützt.

 


Autor: Dr. Nathan Warszawsk
Bild Quelle:


Donnerstag, 06 Juni 2019