Antisemitismus entgegentreten - wichtige Schritte

Antisemitismus entgegentreten - wichtige Schritte


In dem gewaltigen Kampf gegen den Antisemitismus müssen Juden und sympathisierende Nichtjuden sich fragen, was sie dazu beisteuern können.

Antisemitismus entgegentreten - wichtige Schritte

Von Dr. Manfred Gerstenfeld

Der Anfang des neuen jüdischen Jahres ist eine gute Gelegenheit Prioritäten für das Handeln derer aufzulisten, die bereit sind sich an dieser Konfrontation zu beteiligen.

Was können die israelische Regierung, Bürger, jüdischen Führungspersönlichkeiten und Einzelne im Ausland tun, um die Lage zu verbessern? Der Hauptimpuls muss aus Israel kommen. Der Staat Israel hat weit mehr Möglichkeiten zu handeln als selbst die größten jüdischen Organisationen im Ausland. Die israelische Regierung hat enorm darin versagt sowohl den klassischen Antisemitismus als auch den Antiisraelismus systematisch zu analysieren, zu beobachten und sich ihnen entgegenzustellen. Die Knesset hat gleichermaßen die Gelegenheiten verpasst zu fordern, dass die Regierung eine Organisation zur Bekämpfung der Propaganda aufbaut.

Es gibt jetzt eine neue Knesset. Jeder Anhänger einer politischen Partei oder Person, der Zugang zu einem Knesset-Mitglied hat, kann ihn oder sie fragen: „Was tut deine Partei oder was tun Sie, um die Regierung zu überzeugen solch eine Organisation einzurichten, obwohl es sehr spät in diesem Spiel ist? Wir haben eine Arme, um unsere Feinde und Terroristen zu bekämpfen. Wir haben Geheimdienste, um Informationen über unsere Feinde zu besorgen und Gegenspionage zu betreiben. Israel investiert eine riesige Menge an Ressourcen in Cyber-Verteidigung und -Sicherheit. Warum haben wir keine Organisation für Propagandabekämpfung?“ Es ist in der Tat unglaublich, dass diese nicht in den letzten zwei Jahrzehnten gegründet worden ist.

Eine zweite Priorität besteht darin sich an israelische und jüdische Führungskräfte zu wenden. Sie sollten nichtjüdische Führungskräfte und prominente Personen dazu ermutigen einzugestehen, dass Antisemitismus ein integraler Teil der westlichen Kultur ist oder alternativ zumindest zu sagen, dass Antisemitismus mit der westlichen Kultur verwoben ist. Dieser Hass bricht in westlichen Gesellschaften im Verlauf der Jahrhunderte ständig aus. Bisher haben nur ein paar wenige jüdische Forscher und Autoren das Offensichtliche herausgehoben. Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, Leiter der anglikanischen Kirche, ist einer der besonders seltenen Nichtjuden, der diese Wahrheit eingestanden hat. In diesem Kontext ist jedoch auch klar gemacht worden, dass die Tatsache, dass Antisemitismus mit der westlichen Kultur verwoben ist, keinesfalls bedeutet, dass die meisten Westler Antisemiten sind.

Ohne diese Verwobenheit der westlichen Kultur mit antisemitischen Glaubenssätzen wäre der Holocaust nicht möglich gewesen. Das Jahrzehnte lange extreme Herausheben Israels für Vorwürfe seitens der Vereinten Nationen mit der Unterstützung vieler westlicher Länder ist nur eines von vielen Beispielelen für zeitgenössischen Antisemitismus. Ein weiteres besteht darin, dass Antisemitismus früher oder später einen Platz in wichtigen neuen ideologischen Bewegungen oder westlichen intellektuellen Trends findet, entweder direkt oder über Holocaust-Missbrauch. Das ist zum Beispiel in Bereichen wie Menschenrechte, Feminismus, Postkolonialismus, Intersektionalität, Veganismus, Tierrechtsorganisationen, Anti-Atom-Gruppen und Kinderrechtsbewegungen der Fall. Anerkennung der Verwobenheit des Antisemitismus mit westlicher Kultur bietet viel breitere Perspektiven zur Realität dieses Jahrhunderte alten Hasses.

Einzelpersonen können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Sie können sich lernen, wie man auf Kritiker antwortet, die Israel herausgreifen, um ihm Schuld zuzuschieben, ohne die extreme Kriminalität der Palästinenserführung oder das Fehlen einer bedeutsamen Opposition zu ihr aus der palästinensischen Gesellschaft zu verweisen. Gemäß der wichtigen nicht gesetzlichen Definition von Antisemitismus der Internationalen Holocaust-Gedenkallianz (IHRA) sind Fälle, in denen Israel das einzige demokratische Land ist, dem bestimmtes Handeln, das auch andere Länder begehen, vorgeworfen wird, ein Ausdruck von Antisemitismus. Israel zu attackieren und bei den enormen Verbrechen in Teilen der muslimischen Welt mit extrem völkermörderischen Absichten wie dem Iran und Terrororganisationen wegzusehen, macht die Angreifer de facto zu Verbündeten der Kriminellen.

Ein vorrangiges Ziel für Juden ist der Kampf gegen jüdische Masochisten innerhalb und außerhalb Israels. Es gibt eine lange masochistische jüdische Tradition, die tausende Jahre zurückgeht. Jüdischer Masochismus hat sich im Verlauf der Jahrhunderte auf viele Arten manifestiert. Eine wichtige zeitgenössische Version kritisiert Israel, als müsse es der einzige perfekte Staat der Welt sein. Die Masochisten kritisieren Israels Feinde nicht – oder wenn doch, dann nur oberflächlich. Sie zu genießen es oder halten zumindest Genugtuung davon daraus, das sie Israels tatsächliche oder eingebildete Unzulänglichkeiten bekunden.

Ein weiteres Beispiel für Masochismus trat dieses Jahr auf, als 240 israelische und ausländische jüdische Akademiker einen Brief an die deutsche Regierung unterschrieben, die den Beschluss des Bundestags kritisierte, der BDS mit Antisemitismus gleichsetzte. Deutschland ist das Land, das das größte Völkermord-Verbrechen an Juden verübt hat. In der derzeitigen deutschen Enkelgeneration gibt es immer noch viele Einflüsse aus dieser Zeit.[1] Diese masochistischen Juden sprachen sich gegen die Einschränkung der freien Meinungsäußerung in einem Land aus, in dem Neonazis auf den Straßen von Dortmund marschieren, die die Vernichtung Israels fordern.[2]

In den Vereinigten Staaten geht es in einem besonderen Kampf darum, alle Juden zu entlarven, die in den Vorwahlen der Demokraten für Bernie Sanders stimmen wollen. Dieser hat Netanyahus Regierung als „rassistisch“ bezeichnet,[3] hat aber wegen des extremen palästinensischen Rassisten Mohammed Abbas geschwiegen, dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde. Der hat gesagt, es werde in einem freien Palästina nicht einen einzigen Israeli geben.[4]

Sanders hat zudem erklärt, dass die Palästinenser es verdienen mit „Würde und Respekt“ behandelt zu werden.[5] Seine Anhänger sollten aufgefordert werden die Würde eines Volkes zu erklären, das nicht gegen seine Führung opponiert, die Mörder dafür bezahlt israelische Zivilisten zu töten. Man sollte Sanders‘ Anhänger auch fragen, ob sie wünschen, dass diejenigen, die die Mörder des 9/11 preisen, mit Würde behandelt werden sollen oder die Muslime, die ISIS beipflichten.

Antisemitismus kann nicht eliminiert, sondern nur eingedämmt werden. Er ist in westlichen und muslimischen Gesellschaften viel zu lange propagiert worden. Diejenigen, die glaubten, der Holocaust habe der gesamten Menschheit eine Lektion erteilt, lagen falsch. Viele Menschen lernten daraus, aber viele andere auch nicht. Mehr Menschen dazu zu bringen zuzugeben, dass Antisemitismus mit westlicher Kultur verwoben ist, ist ein wichtiger Schritt eine Infrastruktur des Bewusstseins zu schaffen, um ihn zu bekämpfen. Antisemiten zu konfrontieren verhindert, dass sie ein freies antisemitisches Mittagessen genießen. Es ist vordringlich mehr Druck auf Antisemiten auszuüben und den Spieß umzudrehen, damit sie vorsichtiger werden.

[1] https://besacenter.org/perspectives-papers/jewish-academics-masochism/

[2] www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-5601134,00.html

[3] www.jpost.com/Middle-East/Bernie-Sanders-calls-Netanyahu-government-racist-587653

[4] http://www.timesofisrael.com/abbas-says-there-will-be-no-israelis-in-palestine/

[5] http://www.washingtonexaminer.com/news/bernie-sanders-us-policy-should-not-be-pro-israel

 

Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld war jahrelanger Direktor des Jerusalem Centers for Publik Affairs (JCPA), er ist Kommentator bei der Tageszeitung The Jerusalem Post und dem israelischen Nachrichtensender Arutz Sheva.


Autor: Dr. Manfred Gerstenf
Bild Quelle:


Dienstag, 29 Oktober 2019