Macron, die französischen Juden und Israel

Macron, die französischen Juden und Israel


Wenn ich auf den Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron beim Holocaust-Forum in Jerusalem zurückblicke, erkenne ich das Wesen des französischen Syndroms bezüglich Israels. Es ist Teil der Medien, der öffentlichen Meinung, die von der nationalen Presseagentur AFP sowie auch dem Außenministerium am Quai d’Orsay gefüttert wird.

Macron, die französischen Juden und Israel

Von Dr. Manfred Gerstenfeld

Macrons Besuch hat die Agenda festgelegt. Sie schien ein Happening aufeinander folgender symbolischer Szenen zu sein. Zuerst wird Yad Vashem besucht, um Mitgefühl zu zeigen und große Wort zum Gedenken zu sprechen. Er heckte den Skandal des Besuchs in der St. Anna-Kirche aus, eine fast komische Neuauflage des Besuchs von Präsident Jacques Chirac dort im Jahr 1996. Es war eine sehr symbolische Örtlichkeit: eine Frankreich gehörende Kirche. Dort residieren zwei pro-palästinensische NGOs. Schließlich besuchte Macron die palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah. Das war das Gegenstück zum Besuch in Yad Vashem.

Shmuel Trigano ist ein Prof. em. für Soziologie an der Universität Paris. Er hat verschiedene Institute für jüdisches Lernen gegründet und ist Autor zahlreicher Bücher, die sich auf jüdische Philosophie und jüdisches politisches Denken konzentrieren.

Macrons Politik gegenüber Israel unterscheidet sich nicht von der seiner zwei Vorgänger, dem Sozialisten François Hollande und dem Mitte-Rechten Nicolas Sarkozy. Die französische Außenpolitik wird am Quai d’Orsay konzipiert, einem Staat innerhalb des französischen Staates. Seine Politik ändert sich nicht, wenn ein neuer Präsident kommt, sie wird auch nicht öffentlich im Publikum oder im Parlament diskutiert. Das Quai d’Orsay verfolgt seit dem 19. Jahrhundert eine pro-arabische Politik. Typisch dafür war, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg dem von Frankreich festgenommenen Mufti von Jerusalem half nach Ägypten zu fliehen. Damit vermied er als Kriegsverbrecher in den Nürnberger Prozessen verurteilt zu werden. Das war ein wichtiger Akt, um sich bei arabischen Nationalisten anzubiedern.

Soweit es Frankreichs Juden angeht, hatte Sarkozy mehr Empathie gegenüber ihnen als seine beiden Nachfolger. Doch in Bezug auf Israel waren die Abstimmungen Frankreichs unter Sarkozy in internationalen Gremien pro-palästinensisch und die Haltung des Landes fiel permanent zugunsten der palästinensischen Sache aus.

Macron hat nichts Besonderes gegen den französischen Antisemitismus unternommen. Er hat allerdings anerkannt, dass Antizionismus eine Form von Antisemitismus ist. Diese Äußerung wird sowohl von seiner Politik als auch der aktuellen öffentlichen Debatte in Frankreich entwertet, die das palästinensische Narrativ übernimmt.

Man muss daher fragen: „Was steckt hinter Macrons überraschender Haltung zum Antizionismus?“ Ich kann mir nur denken, dass seine Berater ihm vorgeschlagen haben das zu tun. Die Äußerung hatte keine konkreten Folgen. Macron hat sich darauf spezialisiert etwas zu sagen und das Gegenteil zu tun. Zum Beispiel bejubelt er regelmäßig die französische Republik. Trotzdem ist er extrem pro-europäisch, was dem nationalen und republikanischen Zusammenhalt zuwider läuft.

Macron gab eine wütende Äußerung über die Beurteilung des Mörders von Sara Halimi ab. Er wurde von den Richtern für „nicht kriminell verantwortlich für sein Tun“ befunden. Macrons Bemerkungen können nur als Versprecher erklärt werden. Man kann sich nicht vorstellen, dass der Präsident der Republik die Gerichte kritisiert. Es gab zu seiner Äußerung keine nachfolgende Erklärung.

Macron sagt implizit, dass Israel aufgrund der europäischen Schuld wegen des Holocaust existiert. Das widerspricht der Wahrheit nicht nur in Bezug auf die jüdische und zionistische Geschichte. Es verzerrt auch, was die Schoah und die Vertreibung praktisch aller Juden aus der arabischen Welt beweist: die objektive Schlussfolgerung, dass es ein kollektives jüdisches Schicksal gibt. Ich analysiere dieses europäische Syndrom bezüglich der europäischen Erinnerung an die Schoah in meinem Buch The  Auschwitz Frontier (Die Auschwitz-Grenze).

Macron sagt implizit auch, dass Jerusalem nicht den Juden gehört. In seiner Rede in Yad Vashem warnte er vor der Instrumentalisierung der Schoah. So wie ich den Text verstanden habe, richtete sich das auch an die Juden. Die französische Außenpolitik hat immer vorgezogen Jerusalem solle nicht in Israel, sondern ein corpus separatum sein (eine abgesonderte Einheit). Mit dem Blocken der israelischen Sicherheitsleute in der Kirche St. Anna und mit seiner Rede spielte Macron ein anderes Spiel. In dieser französisch-katholischen Kirche übermittelte er die Botschaft, dass Jerusalem nicht israelisch ist, während Frankreich Anwesenheit dort mehr Legitimität hat. Das Theaterspiel Macrons in der Kirche richtete an die palästinensische Autonomiebehörde und die  PLO. Es handelte sich um eine Art Entschuldigung dafür nach Yad Vashem gekommen zu sein. Seine Botschaft lautete: „Yad Vashem ist jüdisch, Jerusalem ist es nicht.“

Im Flugzeug auf dem Heimflug rief Macron drei französische Journalisten zu sich und sagte ihnen, dass das, was die Erinnerung an die Schoah für seinen Vorgänger Chirac war, der Algerienkrieg für ihn sei. Das gründete auf einer großen Lüge. Die Kolonisierung Algeriens ist nicht mit einem Verbrechen gegen die Menschheit vergleichbar. Darüber hinaus hat die FLN, die algerische Unabhängigkeitsbewegung, schwere rassistische und politische Verbrechen an Teilen der arabischen Bevölkerung begangen und sie hat eine Million Nichtmuslime ethnisch gesäubert.

Was steckt hinter diesem ideologischen Trugschluss? Macron wollte die Erinnerung an die Schoah in eine Pseudo-Erinnerung an französische Verbrechen in Algerien verdrehen. Auf gewisse Weise versorgte er die palästinensischen Araber mit einem wettbewerbsfähigen Mittel gegen die Juden. Es stützt die palästinensische Erfindung der Nakba, die das Zerrbild eines fehlgeschlagenen arabischen Vernichtungskriegs gegen die israelischen Juden in etwas wie die Schoah kehrt. Es sollte erwähnt werden, dass eine jüdische Delegation Macron in Jerusalem begleitete. Sie schwiegen dazu. Das sollte für die Geschichtsbücher aufbewahrt werden.

Um es zusammenzufassen: Es ist klar gewesen, dass die französischen Juden im Kampf gegen den Ausbruch von Antisemitismus von Macron und seiner Regierung absolut nichts erwarten können.

 

Heplev


Autor: Dr. Manfred Gerstenf
Bild Quelle: Kremlin.ru / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0)


Dienstag, 03 März 2020