Neue Einwanderungswelle von Muslimbrüdern nach Europa?

Neue Einwanderungswelle von Muslimbrüdern nach Europa?


Das Tauwetter zwischen der Türkei und Ägypten könnte dazu führen, dass einige Muslimbrüder nach Europa ziehen. Ihre Führung befindet sich schon hier.

 Neue Einwanderungswelle von Muslimbrüdern nach Europa?

Von Hossam Sadek

Nach jahrelanger politischer Entfremdung zeichnet sich eine Annäherung zwischen Kairo und Ankara ab. Für Europa könnte das beunruhigende Folgen haben, da eine neue Einwanderungswelle von Muslimbrüdern bevorstehen könnte.

Das erste Anzeichen einer Annäherung zwischen der Türkei und Ägypten war die Aufforderung der türkischen Behörden an die Medien, die von türkischem Territorium aus senden, die Kritik an der ägyptischen Regierung einzustellen.

Laut einigen Presseberichten dürften in den kommenden Monaten von der Türkei aber noch deutlichere Signale zu erwarten sein, allen voran die Ausweisung einiger Führer und Mitglieder der Muslimbruderschaft aus der Türkei.

Einigen Schätzungen zufolge beläuft sich die Zahl der Mitglieder der Muslimbruderschaft in der Türkei auf rund 20.000, darunter 500 Führer und Politiker.

In türkischen Berichten ist zu lesen, dass Ankara bereits 700 Mitgliedern der Muslimbruderschaft die Staatsbürgerschaft verliehen habe, um sie vor der Abschiebung nach Ägypten oder der Ausweisung in ein Drittland zu schützen – ein deutlicher Beleg für die engen Beziehungen der türkischen Führung zur Muslimbruderschaft.

Neue Optionen gesucht

Experten zufolge sind Tausende von Muslimbrüdern in der Türkei immer noch auf der Suche nach alternativen Optionen und neuen Ländern, in denen sie sich niederlassen können.

Tariq Abu Al-Saad, ein Experte für die Muslimbruderschaft und ein ehemaliger Führer der Gruppe, sagte diesbezüglich zu Mena-Watch: „Die Muslimbruderschaft hat die aktuelle Situation vorausgesehen und hat einen alternativen Plan.“ Er führte weiter aus: „Die Gruppe hat diesen Alternativplan während ihres internationalen Treffens in Malaysia vor drei Jahren festgelegt.“

„Die Muslimbruderschaft ist sehr gut darin, zu fliehen und sich zu verstecken. Und die Gruppe kann internationale multinationale Unternehmen und Hilfsorganisationen ausnutzen, um Geld und Menschen zu schmuggeln“, erklärte er.

Großbritannien, Deutschland, Österreich

Abu Al-Saad erwartete, dass Großbritannien das erste Ziel für die Führer der Muslimbruderschaft in Europa sein würde, angesichts der starken Präsenz der Gruppe auf britischem Boden und der Möglichkeit, Asyl zu erhalten.

Eine türkische Quelle ging unterdessen in einem Gespräch auf der Website von Al-Ain News davon aus, dass einige Mitglieder der Muslimbruderschaft nach Deutschland ausreisen würden.

Ein ägyptischer Experte in Sachen Bruderschaft, Maher Farghali, stimmt mit Tariq Abu Al-Saad überein, dass Großbritannien das erste Ziel für die Führer der Gruppe sei. Er schließt jedoch nicht aus, dass einige Anführer und Mitglieder mit organisatorischer Erfahrung in andere Hauptstädte wie Wien, Berlin und Madrid gehen werden, wie er gegenüber Mena-Watch sagte.

Die bevorstehenden Schritte erinnern an die erste Welle der Migration der Muslimbruderschaft nach Europa in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und die Etablierung der Gruppe auf dem Kontinent.

Ausweitung der Kapazitäten

Die Ankunft zusätzlicher Mitglieder der Muslimbruderschaft in Europa stellt eine Gefahr für den Kontinent dar, selbst wenn deren Zahl gering sein sollte. Die Führung der Organisation ist schon vor Monaten auf europäischen Boden verlagert worden. Mena Watch hat bereits im vergangenen Jahr auf diesen Vorgang hingewiesen, der nicht zuletzt daran festzumachen ist, dass der seit langem in Großbritannien lebende Ibrahim Mounir zum neuen Führer der Gruppe ernannt worden war.

Rabab Ahmed, ein Türkeiforscher und Journalist, sagte gegenüber Mena-Watch: „Mitglieder der Bruderschaft mit starken organisatorischen Fähigkeiten können mit einer Aufenthaltsgenehmigung für Studienzwecke oder mit einem Arbeitsvisum nach Europa reisen und in Unternehmen und Institutionen der Bruderschaft unterkommen.“

Sie fügte hinzu: „Es wird erwartet, dass Deutschland und Österreich zu den Zielländern für diese Menschen in Europa gehören werden, da es in beiden Ländern Unternehmen und Einrichtungen gibt, die der Organisation gehören, und starke soziale Sicherungssysteme. Darüber hinaus ist es nicht unwahrscheinlich, dass einige Jugendliche der Muslimbruderschaft auf illegale Einwanderung in diese beiden Länder setzen“.

„Obwohl ich erwarte, dass in Österreich und Deutschland im Vergleich zu Großbritannien nur wenige Mitglieder der Muslimbruderschaft ankommen werden, dürfen wir nicht vergessen, dass nur sehr wenige, nicht mehr als ein oder zwei Mitglieder, die Präsenz der Gruppe in diesen Ländern im vergangenen Jahrhundert begründet haben, insbesondere Youssef Nada und Said Ramadan.“

Ahmed, Abu Al-Saad und Farghali stimmen überein, dass die Ankunft von mehr Mitgliedern der Muslimbruderschaft in Europa eine erhebliche Bedrohung für dessen Sicherheit darstellen und die bereits vorhandenen Kapazitäten der Organisation auf dem Kontinent weiter erhöhen würde.

Türkisch-ägyptisches Tauwetter

In letzter Zeit haben die Türkei und Ägypten nach Wegen gesucht, um ihre Beziehungen zu verbessern, die seit 2013 schwer erschüttert waren. Anfang dieses Monats kündigte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu hochrangige Gespräche mit Ägypten an – die ersten seit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013, der ein enger Gesinnungsgenosse des türkischen Präsidenten Erdogan war.

Die beiden Länder haben sich auch über die maritime Gerichtsbarkeit, Offshore-Ressourcen und über Libyen in den Haaren gelegen, wo sie im Bürgerkrieg gegnerische Seiten unterstützt haben.

 

Erstveröffentlicht bei MENA Watch


Autor: MENA Watch
Bild Quelle:


Donnerstag, 01 April 2021