Kurier feiert den »World-Hijab-Day«Kurier feiert den »World-Hijab-Day«
Ungeachtet der monatelangen Proteste gegen den Kopftuchzwang im Iran idealisiert der Kurier den Hidschab und diffamiert Kritiker als Rassisten.
von Florian Markl
Fast fünf Monate dauern die Proste im Iran bereits an, die begannen, nachdem eine junge Kurdin von der Moralpolizei verhaftet und dabei so misshandelt wurde, dass sie starb. Ihr Vergehen: Das zwangsweise getragene Kopftuch saß den religiösen Eiferern nicht gut genug. Der Kopftuchzwang ist – neben der Todfeindschaft gegen Israel – eine der Säulen der Islamischen Republik. »Eine Islamische Republik ohne Kopftuchzwang und ohne das Staatsziel der Vernichtung Israels wäre, kurz gesagt, keine Islamische Republik mehr«, bemerkte Thomas von der Osten-Sacken an dieser Stelle vor knapp zwei Jahren treffend.
Das bei vielen Iranerinnen verhasste Kopftuch ist also nicht ohne Grund das Symbol der anhaltenden Proteste, bei denen es längst nicht mehr um Kleidungsvorschriften geht, sondern um die Beseitigung der grausamen islamistischen Diktatur. Die Schergen dieses Regimes haben allein in den vergangenen fünf Monaten über fünfhundert Menschen auf den Straßen des Landes getötet, fast 20.000 Protestierende festgenommen, zahlreiche langjährige Haftstrafen verhängt und nach Schauprozessen einige Todesurteile vollstreckt.
Auftritt Kurier
Das hinderte die österreichische Tageszeitung Kurier nicht daran, am Donnerstag einen ganzseitigen – und auffällig wohlwollenden – Artikel über den »World-Hijab-Day« zu veröffentlichen, der am 1. Februar begangen wurde. Während die Menschen im Iran wegen ihres Widerstands gegen das Kopftuch verschleppt, gefoltert und ermordet werden, wurde das Tragen des Hidschabs im Kurier als »Ausdruck des Glaubens und der Spiritualität« von Millionen muslimischen Frauen idealisiert.
Über die Abermillionen Frauen, die in islamischen Ländern und in muslimischen Familien außerhalb davon unter das Kopftuch gezwungen werden, war im Kurier dagegen kein Wort zu lesen, genauso wenig wie erwähnt wurde, dass überall dort, wo die freie Wahl besteht, nur eine kleine Minderheit der Frauen sich freiwillig unter das Kopftuch begibt. »Manche feministische Strömungen«, so viel wurde immerhin eingestanden, hätten zwar etwas gegen das Kopftuch einzuwenden – aber derartige Kritiker wurden sogleich als Rassisten abgekanzelt.
Obwohl der Zusammenhang zwar offenkundig ist, wurde über die Vorgänge im Iran in dem gesamten Artikel übrigens kein Wort verloren. Sonst wäre die Obszönität des Abfeierns des Kopftuchs, das dieses Jahr ausgerechnet unter dem Hashtag »FreeInHijab« abgehalten wurde, wohl allzu offensichtlich geworden. Der Slogan hätte jedenfalls genauso gut direkt vom iranischen Regime stammen können, dessen Schlägern und Mördern sicherlich warm ums Herz geworden wäre, hätten sie im Kurier gelesen, dass sich Mode, »bei der Frauen bewusst weniger Haut zeigen (…) großer Beliebtheit« erfreue.
Wer soll’s bezahlen?
Apropos Iran: Es ist immer wieder erstaunlich, welche Argumente vorgebracht werden, um internationalen Druck gegen das iranische Regime abzuwenden. Über einen neuen Höhe- oder, je nach Sichtweise, Tiefpunkt diesbezüglich war diesen Donnerstag in der Tageszeitung Der Standard zu lesen. Darin erörterte Gudrun Harrer das Für und Wider in der Debatte, ob die iranischen Revolutionsgarden von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft werden sollen, wie die USA es bereits tun. Das Europäische Parlament ist dafür, die Kommission schiebt rechtliche Gründe vor, warum das angeblich nicht möglich wäre.
Harrer wartete im Zuge dessen jedenfalls mit Azadeh Zamiriad von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik auf, die bei einer Veranstaltung des Bruno-Kreisky-Forums für internationalen Dialog zu Gast war. (Der Transparenz halber hätte Harrer den Standard-Lesern sagen müssen, dass sie selbst die betreffende Veranstaltungsreihe des Kreisky-Forums kuratiert und somit quasi die Gastgeberin des Abends war, über den sie sodann als Journalistin berichtete, als sei sie darin gar nicht enger involviert gewesen, aber das nur nebenbei.)
Laut Harrers Schilderung brachte Zamiriad, die zu jenen »Iran-Experten« zählt, die von Exil-Iranern immer wieder als Regimeapologeten und Iran-Lobbyisten bezeichnet werden, ein besonders ausgefallenes »Argument«, weshalb der Druck auf das Regime im Allgemeinen und die Revolutionsgarden im Besonderen nicht erhöht werden sollte: Würde die Wirtschaft hart getroffen und würden die Menschen darunter leiden, »von welchem Geld« sollten die festgenommenen und angeklagten Demonstranten dann »Kautionen und Anwälte zahlen?«
Sie haben richtig gelesen: Ausgerechnet die Repression des Regimes gegen die aufbegehrenden Menschen im Iran – denen in den Schein- und Schauprozessen oftmals eine anwaltliche Vertretung nicht einmal erlaubt wird – soll ein Grund dafür sein, dem Regime nur ja nicht allzu sehr auf die Füße zu treten. Kein Wunder, dass die meisten Reaktionen von Exil-Iranern auf solche »Experten« kaum druckfähig sind.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild
Dienstag, 07 Februar 2023