Orban stellt Weichen für neues, friedliches EuropaOrban stellt Weichen für neues, friedliches Europa
s vergeht kaum ein Tag im Öffentlich-Rechtlichen Belehrfernsehen, ohne dass der ungarische Ministerpräsident als Putin-Freund dargestellt wird, um ihn als isoliert, rückständig und naiven Autokraten hinzustellen.
Von Conny Axel Meier
Dies umso mehr, als dass Ungarn seit dem 1. Juli für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der EU-Länder übernommen hat. Einige linke Abgeordnete taten alles dafür, dass Ungarn nicht den turnusmäßigen Vorsitz übernehmen sollte. Ihnen passte schlichtweg nicht, dass ein konservativer und erfolgreicher Ministerpräsident ihnen Paroli bietet. Sogar ein Hausverbot für das Europäische Parlament wurde vom notorischen grünen Ungarn-Hasser Daniel Freund ins Spiel gebracht. Vergeblich!
Das ganze von der EU-Kommission gegen Ungarn vorgebrachte Waffenarsenal, angefangen von Strafzahlungen in Millionenhöhe, weil Ungarn seine EU-Außengrenzen schützt, über einen angedachten Stimmrechtsentzug nach Artikel 7 der EU-Verträge bis hin zum Zurückhalten Ungarn zustehender Gelder aus den Kohäsionsfonds, hat nicht als Erpressungspotential ausgereicht, um Ungarn „in die Knie zu zwingen“ (Rutte) oder „auszuhungern“ (Barley).
Orban ist kein Putin-Freund. Auch kein Freund Selenskyjs. Er vertritt ungarische Interessen. Die sind am besten gewahrt, indem er sich nicht in den Ukrainekonflikt einmischt, keine Waffen und keine Soldaten schickt. Die Erfahrungen der letzten beiden Jahrhunderte haben gezeigt, dass – wann immer Ungarn in einen Krieg hineingezogen wurde, der ihnen aufgezwungen wurde -, sie immer den Kürzeren gezogen haben.
Nach dem 1. Weltkrieg folgte in der Schmach von Trianon die Reduzierung des ungarischen Staatsgebiets auf nur noch ein Drittel der vorherigen Größe. Nach dem zweiten Weltkrieg fiel Ungarn 40 Jahre unter sowjetische Besatzung. Bittere Armut und Unfreiheit kennzeichneten diese Epoche. Zigtausende Ungarn wurden nach Sibirien verschleppt, viele Ungarndeutsche aus dem Land vertrieben.
Am 1. Juli übernahm also Orbán den Ratsvorsitz vom Belgier Alexander de Croo. Einen Tag später, kaum ins Amt eingeführt, überraschte Orbán damit, mit dem Auto vom ungarischen Veszprém nach Kiew zu fahren, um mit Selenskyj zu sprechen. Dabei ging es sowohl um bilaterale Fragen, wie das Sprachverbot im ungarisch besiedelten Transkarpatien und die sonstigen Schikanen, die den Ungarn dort auferlegt wurden. Auch über die ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Ungarn, denen Ungarn Schutz gewährt, wurde gesprochen.
Der wesentliche Grund seiner Reise war aber, mit Selenskyj darüber zu sprechen, auf welchem Wege ein möglichst baldiger Frieden in der Region wiederhergestellt werden kann. Dass Selenskyjs „Friedensformel“ niemals funktionieren kann, weil dann Russland kapitulieren müsste, weiß jeder halbwegs interessierte Beobachter. Also müssen jenseits von Friedensgesprächen, die keine sind, weil Russland ja nicht mit am Tisch sitzt, andere Initiativen angestoßen werden. Dazu wäre ein Waffenstillstand, auch ein temporärer, notwendig. Orban schlug vor, dass Selenskyj selbst diesen Stein ins Rollen bringen soll. Noch ziert er sich. Aber er hat jetzt Zeit zum Nachdenken. Allerdings nicht allzuviel. Täglich sterben im Krieg Menschen, Soldaten und Zivilisten auf beiden Seiten. Und er muss seine Herren in Washington fragen.
Die Ukrainer, sofern sie noch leben, sind kriegsmüde. Da helfen auch keine westlichen Waffen mehr. Wenn sie so weiter machen wie bisher, dann verlieren sie auch noch die Hafenstadt Odessa an die Russen, die es zwar nicht eilig haben, aber konstant Dorf für Dorf befreien. Noch hat Selenskyj die Zeit, selbst aktiv zu werden, bevor es Donald Trump als neualter US-Präsident tut. Da hätte Selenskyj dann noch viel schlechtere Karten.
Wir werden sehen, was in den nächsten Monaten passiert. Aber selbst, wenn sich Selenskyj sträubt und statt dessen lieber seiner Frau noch ein paar Villen im Ausland oder einen Bugatti für vier Millionen Dollar kauft, wie berichtet, danach aber schnell dementiert wurde, dann werden eben andere über das Schicksal der Restukraine bestimmen.
Dass Orbán keine Reporter von BILD, Alpenprawda oder FAZ nach Kiew mitfahren ließ, sondern sich exklusiv den Herausgeber der Schweizer Weltwoche herauspickte, um ihn nach Kiew zu begleiten, spricht für sich. Gratulation an Roger Köppel, dem Orban ein Interview nach seinem Treffen mit Selenskyj gewährte.
Alle friedliebenden Menschen und alle Regierungen in Europa sollten sich an Orbán ein Beispiel nehmen und nach friedlichen Lösungen streben, um einen Weltkrieg oder sogar einen nuklearen Vernichtungskrieg zu vermeiden. Vielleicht ist es ja die letzte Chance. Orbán hat es jedenfalls versucht. Er zeigte auf, dass Europa immer noch handlungsfähig sein kann, wenn es will und nicht am britischen und amerikanischen Rockzipfel hängen muss.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Europa Pont, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons
Mittwoch, 03 Juli 2024