Frankreichs Universitäten im Ausnahmezustand: Warum ein neues Gesetz gegen Antisemitismus zum politischen Minenfeld wirdFrankreichs Universitäten im Ausnahmezustand: Warum ein neues Gesetz gegen Antisemitismus zum politischen Minenfeld wird
Ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Antisemitismus an französischen Hochschulen bringt tiefe ideologische Gräben zutage. Während Juden in Vorlesungssälen Angst haben, wittert die radikale Linke „Zensur“ – und verkennt, worum es wirklich geht.
An Frankreichs Universitäten herrscht kein Diskursklima mehr, sondern Angst. Vor allem jüdische Studierende meiden Seminare, zögern bei Wortmeldungen, fühlen sich nicht mehr sicher – nicht wegen ihres Wissens, sondern wegen ihrer Herkunft. Diese Realität, gestützt durch erschreckende Zahlen der Union Juive des Étudiants de France, wird nun endlich auch gesetzgeberisch angegangen. Doch ausgerechnet ein Gesetz gegen Antisemitismus wird zum Anlass für wütende Grabenkämpfe in der Nationalversammlung.
Am Dienstag begann die Debatte über den Gesetzesentwurf, den Pierre Henriet und Constance Le Grip initiiert haben – nach einstimmiger Zustimmung im Senat. Ziel ist es, in allen Universitäten Anlaufstellen gegen Rassismus und Antisemitismus zu schaffen, Prävention und Meldeverfahren zu stärken, klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Es geht um Schutz, nicht um Symbolpolitik.
Die Linke verrennt sich
Doch schon Artikel 1 des Gesetzes, der auf der international anerkannten IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus basiert, wurde von La France Insoumise (LFI) bekämpft. Die Partei um Jean-Luc Mélenchon will den Begriff „Antisemitismus“ aus dem Text streichen und stattdessen auf die allgemeine Definition von Diskriminierung im Strafrecht zurückgreifen – eine Definition, die Antisemitismus nicht einmal explizit benennt.
Damit offenbart die radikale Linke ihr eigentliches Problem: Sie weigert sich, Judenhass als eigenständiges Phänomen zu erkennen. Für sie scheint Antisemitismus ein politischer Vorwand zu sein, um „die Debatte über den Völkermord in Palästina zu unterdrücken“, wie es die LFI-Abgeordnete Mathilde Panot im Parlament provokativ formulierte. Es ist ein Zynismus, der sprachlos macht.
Antisemitismus ist kein Nebenschauplatz
Frankreich erlebt seit dem 7. Oktober 2023 einen dramatischen Anstieg antisemitischer Vorfälle – auch und gerade an Universitäten, wo sich vermeintlicher Antizionismus oft in rohem Judenhass entlädt. Minister Philippe Baptiste brachte es auf den Punkt: Kein Student dürfe Angst haben, eine Vorlesung zu besuchen, nur weil er jüdisch ist.
Diese Angst ist real – und sie wird von Kräften genährt, die Israel delegitimieren, Holocaust-Vergleiche normalisieren und jüdische Stimmen auf dem Campus diffamieren. In dieser Atmosphäre ist es nicht nur legitim, sondern zwingend notwendig, spezifisch gegen Antisemitismus vorzugehen – und ihn nicht im allgemeinen „Diskriminierungsdiskurs“ verschwinden zu lassen.
Artikel 3: Kampf um die Zuständigkeit
Ein besonders umstrittener Teil des Gesetzes ist Artikel 3, der eine zentrale Disziplinarkammer für Universitäten derselben Region vorsieht – geleitet von einem Mitglied des Verwaltungsgerichts. Gegner wie die Grünen und LFI fürchten eine „Entmündigung der autonomen Universitäten“. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Diese Zentralisierung ist eine Reaktion auf ein Systemversagen.
Zu viele antisemitische Vorfälle bleiben folgenlos. Die bestehenden Strukturen sind überfordert, ideologisch beeinflusst oder schlicht zu feige, konsequent zu handeln. Geraldine Bannier von MoDem bringt es auf den Punkt: „Antisemitische Taten werden viel zu selten geahndet.“ Wer Disziplinarmaßnahmen professionalisieren will, will keinen Obrigkeitsstaat errichten – sondern eine Justiz, die funktioniert.
Eine Debatte, die entlarvt
Diese Auseinandersetzung ist mehr als ein Streit um Paragraphen. Sie legt offen, wie tief das Unverständnis für jüdische Belange in Teilen der französischen Politik verankert ist. Während sich Juden nicht mehr trauen, ihre Kippa zu tragen oder Hebräisch zu sprechen, relativiert ein Teil der Linken die Bedrohung – oder kehrt sie in eine Anklage gegen den Staat Israel um.
Doch Antisemitismus ist keine Debatte über Nahost, sondern ein Angriff auf die Menschenwürde – hier, in Europa, an unseren Universitäten. Wer das nicht begreift, hat in einer demokratischen Gesellschaft nichts verstanden.
Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es macht sichtbar, was lange verschwiegen wurde – und zwingt alle Beteiligten, Farbe zu bekennen. Wer gegen Antisemitismus nicht handelt, macht sich mitschuldig. Die Zeit der Ausreden ist vorbei.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By ZeusUpsistos - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=141130271
Mittwoch, 07 Mai 2025