Ein Aufruf aus der Komfortzone – Europas Appell an Teheran wirkt hilflos

Ein Aufruf aus der Komfortzone – Europas Appell an Teheran wirkt hilflos


Nach der Zerstörung iranischer Atomanlagen durch US-Luftschläge rufen EU und Großbritannien zur Diplomatie auf. Doch in der Realität interessiert das in Teheran längst niemanden mehr.

Ein Aufruf aus der Komfortzone – Europas Appell an Teheran wirkt hilflos

Es ist ein vertrautes Ritual, und es klingt beruhigend: „Verhandlungen“, „Zurückhaltung“, „diplomatische Lösung“. Wenige Stunden nach den gezielten amerikanischen Luftangriffen auf Irans Nuklearzentren in Isfahan, Natanz und Fordow gaben europäische Spitzenpolitiker ihre altbekannte Parole aus: Teheran solle an den Verhandlungstisch zurückkehren – als sei nichts geschehen, als sei dies 2015, nicht 2025.

Friedrich Merz, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, ließ am Sonntagmorgen durch seinen Sprecher mitteilen, dass er Iran zu sofortigen Gesprächen mit den USA und Israel auffordere. Ursula von der Leyen, Kommissionspräsidentin der EU, mahnte: „Jetzt ist der Moment für Iran, eine glaubwürdige diplomatische Lösung zu verfolgen.“ Und die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas twitterte, man müsse „eine weitere Eskalation verhindern“ – als wären es die westlichen Demokratien, die mit dem Finger am Abzug stünden.

Auch der britische Premierminister Keir Starmer betonte, Irans Atomprogramm sei „eine ernste Gefahr für die internationale Sicherheit“. Dass die USA in der Nacht gehandelt haben, kommentierte er eher als Beobachter denn als Partner: „Die USA haben Schritte unternommen, um diese Bedrohung zu verringern.“

Was dabei auffällt: In keinem dieser Statements findet sich auch nur ein Hauch strategischer Klartext. Es wird appelliert, gemahnt, gewarnt – doch es fehlt jede erkennbare Linie, jede Initiative, jede Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Während Russland offen mit der Lieferung von Nuklearwaffen an Iran droht, während Teheran seine Atompläne demonstrativ nicht aufgibt, wirkt der Westen wie ein Chor der Ohnmächtigen, der sich in seine moralische Sprache flüchtet.

Die Realität ist jedoch eine andere. Iran hat durch sein aggressives Atomprogramm, durch die Finanzierung von Terrorgruppen wie Hisbollah und Hamas, durch seine Vernichtungsrhetorik gegenüber Israel und seine Gewaltpolitik im gesamten Nahen Osten jede Glaubwürdigkeit verspielt. Dass Teheran jemals ernsthaft an diplomatischer Annäherung interessiert gewesen sei, glauben nicht einmal mehr ehemalige Verfechter des Atomdeals.

Der Aufruf zur Rückkehr an den Verhandlungstisch wirkt deshalb nicht wie ein Zeichen von Stärke, sondern wie ein Ausdruck von Ratlosigkeit. In Jerusalem, Washington und auch in Riad hat man die Geduld längst verloren. Die US-Luftschläge vergangene Nacht waren das Ergebnis jahrelangen Zögerns – und gleichzeitig ein Wendepunkt: Wer ab jetzt den Iran stoppen will, wird nicht mehr mit Resolutionen oder Formaten arbeiten, sondern mit Präzisionswaffen.

Dass europäische Politiker dennoch so tun, als ließe sich mit Teheran ein „glaubwürdiger Kompromiss“ erzielen, wirkt beinahe zynisch. Es ist ein Appell aus der Komfortzone – formuliert in sicherer Entfernung vom Pulverfass, das Iran selbst gelegt hat.

Gerade für Deutschland ist das besonders heikel. Denn während die Bundesregierung zur Diplomatie aufruft, wird im Bundestag nach wie vor über direkte oder indirekte Geldflüsse an palästinensische Einrichtungen diskutiert, die wiederum mit Iran verbunden sind. Wer sich Glaubwürdigkeit in der Außenpolitik wünscht, muss zuerst vor der eigenen Tür kehren.

Die Frage ist nicht, ob der Westen bereit ist, mit Iran zu reden. Die Frage ist, ob er erkennt, dass Worte ohne glaubhafte Konsequenzen längst ihre Wirkung verloren haben. Und genau diese Konsequenzen – militärisch, politisch, wirtschaftlich – vermeidet Europa seit Jahren. Der Preis dafür wird nun sichtbar.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Michael Lucan - Own work, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=147821782


Sonntag, 22 Juni 2025

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