Gefährliche Symbolpolitik: Wie Europa Israels Isolation vorantreibtGefährliche Symbolpolitik: Wie Europa Israels Isolation vorantreibt
Die Ankündigungen europäischer Staaten, Palästina einseitig als Staat anzuerkennen, haben keine konkreten Auswirkungen auf das Leben der Palästinenser – aber sie könnten Israel in eine beispiellose diplomatische Krise stürzen.
Es ist eine diplomatische Front, die sich geräuschlos, aber entschlossen auftut. Frankreich hat den Anfang gemacht. Großbritannien und die Niederlande zogen nach. Zehn weitere Staaten signalisierten inzwischen Bereitschaft, Palästina als Staat anzuerkennen – nicht als Ergebnis von Verhandlungen, sondern als einseitige Geste. Die Begründung klingt harmlos: „Zeichen der Hoffnung“, „Hilfe für die Zwei-Staaten-Lösung“. Doch in Israel wächst die Sorge, dass diese symbolische Anerkennung zur Vorstufe für harte Realität werden könnte – mit wirtschaftlichen, juristischen und geopolitischen Konsequenzen. Und schlimmer noch: mit dem Risiko, dass Israel international als Aggressor und nicht mehr als Opfer wahrgenommen wird.
Denn was in europäischen Parlamenten wie ein wohlklingendes Lippenbekenntnis wirkt, hat in Wahrheit einen anderen Adressaten: Nicht die Palästinenser sollen profitieren – sondern europäische Regierungen versuchen, sich selbst aus der moralischen Zwickmühle zu befreien. Sie stehen unter Druck durch eine zunehmend pro-palästinensisch ausgerichtete Öffentlichkeit, durch eine wachsende muslimische Wählerschaft und durch den Wunsch, „auf der richtigen Seite der Geschichte“ zu stehen. Und das offenbar selbst dann, wenn damit eine der wenigen demokratischen Nationen im Nahen Osten ins diplomatische Abseits gedrängt wird.
Worte statt Wandel
Was würde sich konkret ändern, wenn Staaten wie Australien, Kanada, Portugal oder Luxemburg Palästina als Staat anerkennen? Nichts. Kein Checkpoint wird weichen, kein Raketenangriff wird verhindert, kein palästinensisches Kind bekommt durch diese Erklärung mehr Sicherheit oder Zukunftsperspektive. Es ist eine rein deklarative Handlung – ein politisches Statement, nicht mehr. Völkerrechtlich hat sie keinen bindenden Charakter, und selbst in multilateralen Organisationen wie den UN führt sie nicht automatisch zu neuen Realitäten.
Und doch ist diese Entwicklung nicht harmlos. Sie verschiebt die Wahrnehmung – weg vom komplexen Nahostkonflikt, hin zu einem moralisch aufgeladenen Narrativ: Israel als Hindernis auf dem Weg zum Frieden. Dabei ist längst bekannt: Ohne Sicherheitsvereinbarungen, Demilitarisierung, Anerkennung Israels und ernsthafte palästinensische Reformen ist kein Staat Palästina möglich. Auch Europa weiß das. Und handelt dennoch.
Warum jetzt?
Frankreichs Präsident Macron hat Israel noch im Herbst 2024 die uneingeschränkte Solidarität im Kampf gegen die Hamas zugesichert – eine Terrororganisation, deren Gräueltaten am 7. Oktober das größte Massaker an Juden seit der Shoah darstellten. Heute, neun Monate später, steht derselbe Macron an der Seite von Palästina. Was ist passiert?
Die Antwort liegt nicht nur im Gazakrieg, sondern auch in der inneren Verfasstheit Europas. Muslimische Wähler gewinnen politisches Gewicht, gerade in urbanen Zentren wie London, Paris oder Amsterdam. Wer ihre Stimmen will, sendet Signale. Und was könnte symbolträchtiger sein als die einseitige Anerkennung Palästinas – selbst wenn sie faktisch nichts ändert?
Zugleich wirkt ein anderer, kaum weniger gefährlicher Impuls: der paternalistische Reflex, Israel „vor sich selbst zu retten“. In politischen Hinterzimmern hört man zunehmend Stimmen, die Israels Regierung für unfähig halten, die Kontrolle zu behalten – weder über die Siedler in Judäa und Samaria noch über das eigene moralische Kompassgefühl. Die Konsequenz: Europa maßt sich an, als moralischer Zuchtmeister aufzutreten.
Sanktionsspirale und diplomatische Eiszeit
Noch ist es ein hypothetisches Szenario, aber es gewinnt an Kontur: Sollte der UN-Sicherheitsrat eines Tages unter dem Druck dieser Anerkennungswelle einen bindenden Beschluss zur Gründung eines palästinensischen Staates verabschieden, könnte selbst ein US-Veto nur temporär Schutz bieten. Bereits heute erkennen 147 der 193 UN-Mitgliedsstaaten Palästina an – darunter Russland, China und große Teile Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.
Im Worst Case stünde Israel international isoliert da. Wirtschaftliche Sanktionen, Einreiseverbote für Politiker, der Ausschluss aus multilateralen Foren – all das ist plötzlich nicht mehr undenkbar. Erste Schritte sind bereits sichtbar: Mehrere europäische Staaten erklärten kürzlich, Minister wie Itamar Ben Gvir oder Bezalel Smotrich seien in ihrem Land nicht willkommen. Ein symbolischer Schlag ins Gesicht einer gewählten Regierung – und ein weiterer Riss im brüchigen Fundament westlicher Solidarität mit dem jüdischen Staat.
Von der Solidarität zur Distanz
Und damit nicht genug: Selbst Premierminister Netanjahu kann nur noch in wenigen Staaten ungehindert auftreten. Die internationale Haftanordnung gegen ihn, auch wenn sie politisch motiviert erscheint, wirkt. Reisen nach Budapest oder Washington sind noch möglich – ansonsten aber ist Israels Regierungschef weitgehend blockiert. In Argentinien wird er bald empfangen – doch auch das ist eher die Ausnahme als die Regel.
Besonders bitter: Selbst Großbritannien und Frankreich, die noch 2024 Israels Luftabwehr gegen iranische Raketen unterstützten, rücken ab. Die Narrative haben sich verschoben – von Solidarität zur Skepsis, von Partnerschaft zur Distanz. Israel wird nicht mehr nur kritisiert – es wird moralisch beurteilt. Und das in einer Welt, in der Menschenrechtsverletzungen in Iran, Russland oder Nordkorea selten vergleichbare Konsequenzen haben.
Kein Frieden ohne Israel
Die Anerkennung Palästinas als Staat ist keine Lösung – sie ist eine Flucht vor der Realität. Wer glaubt, dass man Frieden durch Symbolik schaffen kann, täuscht sich. Ohne Israel, ohne dessen Sicherheitsbedürfnisse, ohne ernsthafte palästinensische Reformen wird es keine friedliche Lösung geben. Europa muss sich entscheiden: Will es ein Teil der Lösung sein – oder Teil des Problems?
Israel steht an einem kritischen Punkt seiner Geschichte. Und Europa auch. Noch ist Zeit, den Kurs zu korrigieren. Doch die Rhetorik von heute könnte die Isolation von morgen bedeuten. Worte können verletzen – und sie können zerstören. Auch diplomatisch.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild
Mittwoch, 30 Juli 2025