Doppelleben mit Diplomatenpass: Ein Sexblog aus der EU-BlaseDoppelleben mit Diplomatenpass: Ein Sexblog aus der EU-Blase
Thomas Oberreiter war viele Jahre Österreichs Mann in Brüssel – bis sich herausstellte, dass er nebenbei gern erotische Texte über sich selbst veröffentlichte. Ein Skandal? Vielleicht. Aber eher einer, der viel über europäische Selbstgefälligkeit als über echte moralische Abgründe sagt.
Was man von einem österreichischen EU-Diplomaten erwartet? Höfliche Korrektheit, gepflegte Reden, vielleicht ein Hang zur Bedeutungslosigkeit. Was man nicht unbedingt erwartet: einen aktiven Sexblog mit autobiografischen Zügen, garniert mit Texten, die in ihrer Direktheit auch gut in die Erotikabteilung eines Bahnhofsbuchhandels passen würden. Doch genau das hat Thomas Oberreiter, Österreichs langjähriger Vertreter bei der EU, offenbar jahrelang betrieben – unter Pseudonym, aber mit so viel Wiedererkennbarem, dass am Ende doch alles aufflog.
Jetzt ist der Mann zurückgetreten. Nicht etwa, weil das österreichische Außenministerium ihm den Stuhl vor die Tür gestellt hätte – sondern, wie es so schön heißt, „aus persönlichen Gründen“. Man kennt das: Wenn’s unangenehm wird, reicht ein freundliches Kopfnicken und ein diskreter Abgang. Alles andere wäre ja auch zu viel verlangt, vor allem in Wien.
Was ist passiert?
Laut Enthüllungen von Der Standard und weiteren Medien soll Oberreiter seit Jahren unter einem Decknamen einen Sexblog betrieben haben. Kein harmloses Tagebuch, sondern ein durchaus ambitioniertes Projekt: mit regelmäßig veröffentlichten Texten, die explizit, detailfreudig und sehr offensichtlich auf reale Erfahrungen zurückzuführen sind. Dazu gab es Andeutungen über Orte, Rollen, Begegnungen – nicht genug für eine Verurteilung, aber reichlich für einen handfesten Gesichtsverlust.
Dass jemand mit Vorliebe für erotische Selbstdarstellung im Internet unterwegs ist, mag 2025 niemanden mehr schockieren. Dass es sich dabei aber um einen EU-Botschafter handelt, der regelmäßig mit Staatschefs und Kommissaren verhandelte, macht die Sache… sagen wir: unterhaltsam.
Warum das kaum jemanden wundert
In Österreich selbst löste der Fall zwar einige Schlagzeilen aus, aber keine moralische Erschütterung. Im Gegenteil: Viele Kommentatoren zuckten eher mit den Schultern. Was will man erwarten, wenn Minister in Trachtenjankern über „Moral“ reden, während im Hintergrund der eine oder andere Stehsatz aus den 1970er Jahren fällt? Die große nationale Empörung bleibt jedenfalls aus – auch, weil man sich in der Alpenrepublik mit Doppelmoral gut arrangiert hat. Hauptsache, das Gulasch ist heiß und die Fenster bleiben zu.
In Brüssel dürfte der Fall allerdings etwas mehr für Erheiterung gesorgt haben. Die EU-Institutionen sind ohnehin nicht für ihre Transparenz bekannt – da wirkt ein persönlicher Sexblog aus der Mitte der diplomatischen Ränge fast wie ein poetischer Ausbruch aus der gepflegten Langeweile.
Kein moralischer Skandal, eher ein Imageproblem
Rein juristisch ist Oberreiter kaum etwas vorzuwerfen. Der Blog war anonym, privat und offenbar frei von strafbaren Inhalten. Aber diplomatisch war die Sache natürlich ein Desaster: Wer auf internationalem Parkett unterwegs ist, steht unter Beobachtung – und wer dabei so offensichtlich mit der eigenen Identität spielt, riskiert den Ruf seines Landes. In diesem Fall: eines Landes, das sowieso nicht gerade im Verdacht steht, auf der Weltbühne übermäßig wichtig zu sein.
Ein bisschen Peinlichkeit für Österreich also, ein bisschen Amüsement für den Rest Europas – und viel Schweigen aus den Amtsstuben. Man will ja niemanden bloßstellen. Schon gar nicht einen Mann, der sich offenbar jahrelang für seine Lust am Erzählen mehr engagiert hat als für manche Sitzungsprotokolle.
Mehr Kuriosität als Krise
Man kann aus der Geschichte viel machen – oder eben auch nicht. Die politische Relevanz ist begrenzt. Aber sie zeigt, wie sehr die EU inzwischen von einer Aura der Unantastbarkeit lebt, in der persönliche Fehltritte eher als Stilbruch denn als Skandal betrachtet werden. Oberreiter wird nun verschwinden, der Blog vermutlich auch, und bald wird man sich kaum noch an die Affäre erinnern.
Aber für einen Moment bot die Geschichte einen seltenen Blick auf das Menschliche hinter den Kulissen der Institutionen. Und darauf, dass Diplomatie manchmal näher an der Literatur liegt, als man denkt – nur eben mit weniger Glanz und mehr Fremdscham.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot X
Donnerstag, 31 Juli 2025