Venedig zeigt sein hässliches Gesicht – Schwangere Jüdin und Ehemann Opfer brutaler antisemitischer AttackeVenedig zeigt sein hässliches Gesicht – Schwangere Jüdin und Ehemann Opfer brutaler antisemitischer Attacke
Mitten in der Touristenmetropole Venedig werden ein orthodox-jüdisches Paar aus den USA angegriffen – Wasser wird über sie geschüttet, ein Hund gehetzt, antisemitische Parolen geschrien. Die Täter fliehen, die Opfer verlassen Italien – und stellen keine Anzeige.
Venedig, die Stadt der Kanäle und Postkartenidylle, hat am vergangenen Samstag eine Fratze gezeigt, die man dort lieber nicht sehen will – und doch allzu oft verdrängt. In den Gassen nahe der berühmten Rialto-Brücke wurde ein jüdisches Ehepaar aus den USA, sichtbar orthodox gekleidet, zur Zielscheibe blanken Judenhasses. Die Frau ist schwanger.
Drei Männer, begleitet von einem großen Hund, näherten sich den beiden ohne jede Provokation. Plötzlich schütteten sie Wasser über das Paar – ein feiger, aber bewusster Akt der Demütigung. Dann richtete sich die Aggression gegen den Ehemann. Einer der Täter spuckte ihm ins Gesicht, bevor er seinen Hund auf ihn hetzte. Die Tiere eines Menschen sind oft Spiegel ihres Besitzers – dieser große Hund gehorchte dem Hassbefehl und versuchte, den Mann in den Oberschenkel zu beißen. Nur der Zufall verhinderte Schlimmeres: Im Moment des Angriffs blockierte das in der Hosentasche des Opfers befindliche Mobiltelefon die Zähne des Tieres.
Doch der Angriff hörte nicht auf. Die Männer schleuderten antisemitische Beleidigungen und Drohungen. Sie sahen die Kippa, die Schläfenlocken – und machten aus diesen Symbolen des Glaubens ein Ziel. Das Paar floh, suchte Zuflucht in einer bekannten koscheren Gaststätte im alten jüdischen Ghetto von Venedig, einem Ort, der seit Jahrhunderten Zeugnis von jüdischer Verwurzelung in dieser Stadt ablegt – und zugleich von der Ausgrenzung, die Juden hier ertragen mussten.
Anzeigen erstatteten die beiden nicht. Zu tief sitzt der Schock, zu gering vielleicht das Vertrauen in eine schnelle, konsequente Reaktion der Behörden. Stattdessen kehrten sie in die USA zurück. Die Polizei in Venedig kündigte an, sie werde versuchen, die Opfer ausfindig zu machen, um eine Aussage zu erhalten. Videomaterial aus Überwachungskameras im Tatgebiet soll ausgewertet werden, um die drei Angreifer zu identifizieren.
Dieser Vorfall ist kein isolierter Ausrutscher. Antisemitische Übergriffe in Westeuropa nehmen seit Jahren zu – und oft sind es gerade Reisende oder sichtbare Vertreter jüdischen Lebens, die zum Ziel werden. Das Versprechen, dass Juden sich frei, sicher und sichtbar in europäischen Städten bewegen können, klingt zunehmend hohl.
Die Attacke in Venedig fügt sich in ein beunruhigendes Muster ein: Nicht mehr nur Randgruppen, sondern auch scheinbar „normale“ Bürger schrecken vor offener Judenfeindlichkeit nicht zurück. Dass eine schwangere Frau, ihr ungeborenes Kind und ihr Mann in einer der touristischsten Städte der Welt am helllichten Tag so attackiert werden, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die an das Selbstbild eines offenen, toleranten Europas glauben.
Das jüdische Ghetto in Venedig, einst von der Republik geschaffen, um Juden räumlich zu isolieren, war über Jahrhunderte ein Ort der Enge und zugleich des kulturellen Überlebens. Heute gilt es als historisches Denkmal – doch dieser Angriff zeigt, dass das Ghetto für Juden nicht nur eine Geschichte ist, sondern immer wieder zur Gegenwart werden kann.
Die Frage, die bleibt, ist unbequem: Wie lange kann man noch so tun, als seien solche Vorfälle Ausnahmen? Und wie lange werden Betroffene den Behörden vertrauen, wenn Täter oft unerkannt bleiben? Für die Opfer von Venedig ist Italien jedenfalls nicht mehr der Ort, an den man zurückkehrt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild
Dienstag, 12 August 2025