Macron im Kreuzfeuer: Antisemitismus, Holocaust-Gedenken und ein Präsident ohne AntwortenMacron im Kreuzfeuer: Antisemitismus, Holocaust-Gedenken und ein Präsident ohne Antworten
Ein amerikanischer Botschafter wirft Emmanuel Macron vor, den Antisemitismus in Frankreich nicht entschieden genug zu bekämpfen. Die Kritik trifft Paris ins Mark – und öffnet alte Wunden, die niemals verheilt sind.
Frankreich versteht sich gern als Wiege der Aufklärung, als Hüter von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Doch gerade dort, im Herzen Europas, sind es jüdische Bürgerinnen und Bürger, die im Jahr 2025 den höchsten Preis für eine Gesellschaft zahlen, die mit wachsender Gleichgültigkeit auf Hass blickt. Botschafter Charles Kushner, Vater des bekannten Jared Kushner, veröffentlichte in dieser Woche einen offenen Brief, in dem er Emmanuel Macron frontal attackiert: Frankreich sei längst zu einem Land geworden, in dem „kein Tag vergeht, ohne dass Juden auf offener Straße beleidigt, angegriffen oder eingeschüchtert werden“. Worte, die ein politisches Erdbeben auslösten.
Das Schreiben wurde nicht zufällig am Jahrestag der Befreiung von Paris veröffentlicht – einem Tag, an dem man eigentlich der Opfer des Nationalsozialismus gedenkt. Doch Kushner machte deutlich: Die Geschichte ist keine ferne Erinnerung, sondern eine Mahnung an die Gegenwart. Fast die Hälfte der Jugendlichen in Frankreich, so schreibt er, habe noch nie von der Shoah gehört. Wie kann eine Nation, die ihre eigenen Straßen nach Résistance-Kämpfern benannt hat, so tief in Vergessen und Gleichgültigkeit abgleiten?
Das Außenministerium in Paris reagierte scharf, bestellte den amerikanischen Botschafter ein und sprach von „inakzeptablen Anschuldigungen“ und einer „Einmischung in innere Angelegenheiten“. Doch wer so argumentiert, verschiebt die Debatte. Denn die eigentliche Frage lautet: Warum ist Frankreich nicht in der Lage, jüdisches Leben wirksam zu schützen? Warum wird der Hass auf den Straßen toleriert, warum sind Synagogen und Schulen bis heute Polizeizonen, während Politiker von „gesellschaftlichem Zusammenhalt“ schwärmen?
Macron selbst hat die Debatte noch verschärft. Seine Ankündigung, Palästina einseitig als Staat anzuerkennen, wird von Kritikern als gefährlicher Schritt gewertet – als Signal, das Extremisten ermutigt und Juden in Frankreich noch stärker ins Visier rückt. Genau das prangert Kushner an: Wer Terror belohnt, wer Feinden Israels Legitimität zuspricht, schwächt die Sicherheit jüdischer Gemeinden weltweit. Paris kann diese Wahrheit nicht mit diplomatischer Empörung aus der Welt schaffen.
Die Vorwürfe fügen sich in eine längere Kette. Bereits Premierminister Benjamin Netanyahu hatte Macron vergangene Woche scharf kritisiert und ihm vorgehalten, „das Feuer des Antisemitismus angefacht“ zu haben. Macron wies dies als „verleumderisch“ zurück. Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Jüdische Familien verlassen Frankreich in Scharen, weil sie sich dort nicht mehr sicher fühlen. Der Exodus, der bereits vor Jahren begann, setzt sich ungebremst fort – ein dramatisches Signal an ein Land, das seine größte Minderheit nicht beschützen kann.
Die Erinnerung an den Holocaust verpflichtet. Doch was ist diese Verpflichtung wert, wenn auf französischen Schulhöfen Kinder mit Kippa bedroht, wenn auf Universitätsplätzen Israel-Flaggen verbrannt und wenn in den Straßen von Paris antisemitische Parolen skandiert werden? Wer so etwas zulässt, verliert die moralische Autorität, sich auf die Résistance oder die Befreiung vom Nationalsozialismus zu berufen.
Macrons Regierung steht an einem Scheideweg: Entweder sie erkennt die Gefahr, benennt Antisemitismus ohne Ausreden und schützt jüdisches Leben mit aller Härte – oder sie verliert das letzte Vertrauen derer, die seit Jahrhunderten Teil Frankreichs sind. Kushners Brief ist dabei mehr als ein diplomatisches Signal. Er ist ein Weckruf an ein Europa, das glaubt, Geschichte könne sich nicht wiederholen. Doch Geschichte wiederholt sich immer dort, wo man sie verdrängt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Par Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84767497
Montag, 25 August 2025