Von Gent nach gestern: Wenn jüdische Künstler wieder ausgeladen werdenVon Gent nach gestern: Wenn jüdische Künstler wieder ausgeladen werden
Die Ausladung der Münchner Philharmoniker vom Flanders Festival in Gent ist mehr als eine kulturpolitische Entscheidung. Sie ist ein Signal – und zwar ein fatales: Israelische Künstler sollen nicht auftreten dürfen, weil sie Israelis sind. Im Kern ist dies kein künstlerisches Urteil, sondern ein politischer Boykott, der tief in die Logik des Antisemitismus hineinführt.
Der Fall ist eindeutig: Lahav Shani, in Tel Aviv geboren, Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra und designierter Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, sollte mit seinem Orchester in Gent gastieren. Doch auf Druck von Aktivisten und Teilen der belgischen Politik wurde das Konzert abgesagt. Die Begründung: Man könne nicht garantieren, dass Shani sich vom „Regime in Jerusalem“ distanziere.
Damit wird ein Musiker nicht nach seinem künstlerischen Werk beurteilt, sondern nach seiner Herkunft. Shani ist kein Regierungsvertreter, sondern ein Künstler, dessen Arbeit für Verständigung und Dialog steht. Ihn auszuladen bedeutet, Juden wieder in Sippenhaft zu nehmen – diesmal unter dem Vorwand politischer Korrektheit.
Die Münchner Philharmoniker reagierten mit klarer Sprache: Die Entscheidung sei ein Angriff auf grundlegende europäische Werte. Oberbürgermeister Dieter Reiter erklärte, er könne nicht nachvollziehen, dass ein Festival im Zentrum Europas jüdische Künstler von der Bühne verbanne. Kulturreferent Marek Wiechers betonte, Shani stehe wie kaum ein anderer für Menschlichkeit und Versöhnung.
Auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer zog eine rote Linie: Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik werde ein Kultur-Boykott betrieben. Das sei blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen europäischer Kultur. Europäische Bühnen dürften nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren.
Der Boykott trifft nicht Israel, er trifft Europa. Denn wer ein Weltklasseorchester und einen international geschätzten Dirigenten auslädt, beschädigt nicht deren Ruf – sondern die eigene Glaubwürdigkeit. Gent hat sich von politischen Aktivisten treiben lassen und dabei vergessen, dass Kultur nur dort frei bleibt, wo sie unabhängig von Herkunft und politischer Gesinnung wirken darf.
Die Ausladung macht deutlich, wie eng vermeintliche Israel-Kritik mit alten Mustern des Judenhasses verschmilzt. Wenn es akzeptabel wird, jüdischen Künstlern Bühnen zu verweigern, weil sie mit Israel verbunden sind, dann wiederholt Europa genau das, wovon es behauptet, gelernt zu haben.
Die Münchner Philharmoniker stehen als Botschafter für Vielfalt, Dialog und Offenheit. Gent hat hingegen gezeigt, dass diese Werte schnell geopfert werden, wenn es opportun erscheint. Der Vorfall wirft die Frage auf: Wird Europa künftig zulassen, dass Antisemitismus im Gewand der Israel-Kritik seine Konzertsäle bestimmt?
Kunst darf kein Spielfeld für Boykotte sein. Wer Israel aus der Kultur ausschließt, kapituliert vor Intoleranz. Deutschland hat mit klarer Haltung reagiert. Nun liegt es an Europa, ob es sich diesem Boykott beugt – oder endlich dagegen aufsteht.
Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: Von Christian Michelides, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=118127819
Donnerstag, 11 September 2025