Israels Diplomatin in Spanien: „Die Regierung befeuert den Antisemitismus“Israels Diplomatin in Spanien: „Die Regierung befeuert den Antisemitismus“
Dana Erlich, Israels geschäftsführende Botschafterin in Madrid, spricht Klartext: Die spanische Regierung verfolge einen offen anti-israelischen Kurs, der nicht nur die bilateralen Beziehungen vergifte, sondern auch die Welle antisemitischer Vorfälle im Land verstärke. In einem Interview schildert sie, wie es ist, Israel in einem der kritischsten EU-Staaten zu vertreten – und warum sie trotzdem nicht aufgeben will.
Erlich betont zunächst eine Differenzierung: „Man muss klar zwischen der Regierung Spaniens und dem Rest des Landes unterscheiden – Opposition, Medien, Zivilgesellschaft.“ Während die Regierung in Madrid seit ihrer Anerkennung eines palästinensischen Staates im Mai 2024 jede Brücke zu Israel weitgehend eingerissen habe, gebe es in der Gesellschaft viele Stimmen, die Israel nicht als Feind betrachteten.
Die Botschafterin spricht von einer „eindeutig anti-israelischen Agenda“ der Regierung. Es gehe nicht um Solidarität mit Palästinensern, wie Madrid behaupte, sondern darum, Israel gezielt zu schwächen. Trotzdem führt die Vertretung in Spanien ihre Arbeit fort: Erlich verweist auf 15 Interviews mit Leitmedien seit ihrem Amtsantritt im Juli 2025, zahlreiche Treffen mit oppositionellen Politikern, kulturelle und akademische Initiativen – ein „Gegenhalten durch Sichtbarkeit“.
Vom Abbruch in Dublin zur Konfrontation in Madrid
Erlich kennt das Arbeiten im feindseligen Umfeld. Zuvor war sie Botschafterin in Irland und musste dort die Schließung der israelischen Botschaft umsetzen – ein Schritt, den sie auch heute noch für richtig hält: „Wir schließen nicht, weil es schwer ist, sondern weil die politische Nutzung unserer Präsenz durch die irische Regierung den Aufwand nicht rechtfertigte.“ In Spanien sei die Lage anders: „Hier lohnt sich die Mühe, weil es eine aktive Opposition und eine große Öffentlichkeit gibt, die unsere Botschaft hören will.“
Antisemitismus auf Rekordniveau
Besonders alarmierend ist für Erlich die Entwicklung der Judenfeindlichkeit. Laut spanischem Innenministerium stiegen die angezeigten Hassverbrechen 2024 um 60 Prozent. Die jüdische Föderation Spaniens registrierte sogar 193 antisemitische Vorfälle – ein Plus von 321 Prozent gegenüber 2023 und 567 Prozent gegenüber 2022.
Für Erlich ist klar: „Antisemitismus existierte schon vorher, aber hier kann man den Zusammenhang mit der Regierungsrhetorik nicht ignorieren. Wenn offizielle Stellen Israel pauschal dämonisieren, bleibt es nicht bei Politik – es trifft alle Juden.“ Sie verweist auf den Vuelta-Vorfall im September, als pro-palästinensische Aktivisten das Radrennen stürmten und dafür Lob von Premier Pedro Sánchez erhielten: „Das ist direkte Aufstachelung, die alle Israelis trifft.“
Regierungsrhetorik als Brandbeschleuniger
Spanien habe internationale Verpflichtungen, etwa die Unterzeichnung der EU-Erklärung gegen Antisemitismus. Doch laut Erlich widerspreche das Verhalten der Regierung genau diesen Prinzipien. „Wenn israelische Künstler, Sportler oder Studenten kollektiv ausgegrenzt werden, ist das Antisemitismus. Punkt.“
Ihre Analyse ist scharf: Die anti-israelische Politik diene Madrid auch als „Rauchvorhang“, um innenpolitische Probleme zu überdecken. Israel werde zum Sündenbock gemacht – ein Muster, das in Europa nur allzu bekannt ist.
Trotz der schwierigen Umstände will Erlich die Arbeit in Spanien nicht zurückfahren. „Gerade weil die Regierung gegen uns arbeitet, müssen wir lauter, sichtbarer und präsenter sein.“ Die Strategie: Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften, Betonung von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft – und die klare Benennung der Gefahren wachsender Judenfeindlichkeit.
Ihr Fazit ist eindeutig: „Man kann nicht so tun, als sei die Rhetorik der Regierung nur Politik. Sie hat reale Folgen für jüdisches Leben in Spanien. Und genau das benennen wir klar gegenüber unseren Gesprächspartnern.“
Autor: Redaktion
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Mittwoch, 01 Oktober 2025