Iran: Der totgeschwiegene Aufstand (Teil 1)

Iran: Der totgeschwiegene Aufstand (Teil 1)


„Nieder mit der Diktatur!“, „Wir wollen keine Islamische Republik!“, „Tod dem Khamenei!“ Zum wiederholten Male ziehen in den letzten Tagen und Nächten mutige Iranerinnen und Iraner auf die Straßen und skandieren diese und ähnliche Parolen.

Iran: Der totgeschwiegene Aufstand (Teil 1)

von Dr. Mohsen Banaie, Köln

Wie in den vergangenen Jahren befindet sich das Epizentrum der jüngsten landesweiten Aufstände nicht in der Hauptstadt Teheran, sondern dieses Mal in der Provinz Chuzestan mit allein über 4 Mio. Menschen, am nordwestlichen Ufer des Persischen Golfs, unweit der antiken Stadt Susa (pers. Schusch, hebr. Schuschan), an der Wiege unserer Zivilisation. Dort, so lesen wir im biblischen Buch Esther, hatten sich einst die spätere Königin Esther und ihr Vetter Mordechai ähnlich wie heute, gegen das Unrecht und die Tyrannei des vom persischen Großkönig Xerxes (hebr. Ahaschwerosch) ernannten despotischen Hofbeamten Haman siegreich aufgelehnt. Der einstige Freiheitskampf ist somit der Grundstein für das heute fröhlich gefeierte, bunte jüdische Purimfest.

Der heutige Aufstand, der mittlerweile seit 14 Tagen mutig der brutalen Willkür der islamistischen Kleriker trotzt, breitet sich wie ein Lauffeuer im gesamten Land aus und ermutigt immer mehr Menschen im Iran, in allen Städten und Regionen, sich anzuschließen. Waren es am ersten Tag nur die Einwohner der Millionen-Metropole und Provinzhauptstadt Chuzestans Ahwaz, die gegen das Regime protestierten, füllten vergangenes Wochenende mehrere zehntausend Menschen die Straßen mehrerer Groß-und Provinzhauptstädte den iranischen Himmel mit ihren Parolen. Täbriz, das antike Atropatene im Nordwesten Irans war dabei eine von vielen Zentren. Einerseits kam damit die Solidarität mit den Landsleuten aus Chuzestan und andererseits ihre Wut über das islamische Regime unmissverständlich zum Ausdruck.

Seit der islamischen Revolution des Jahres 1979 hat das iranische Volk nie aufgehört, sich
gegen das Regime und seine barbarischen Unterdrückungsmethoden aufzulehnen.
Seit 1997, also nach der Mykonosaffäre, haben dabei die Mullahs die jungen, nach Reformen durstenden Iraner mit Scheinwahlen vertröstet, indem ihr Oberhaupt Khamenei, auschließlich ihm loyale Kandidaten aufstellt und sein Volk dazu einlädt, von ihrem „demokratischen Recht“ des Wählens Gebrauch zu machen, um ihren Durst nach Reformen zu stillen.
Diese Mär der demokratischen Wahl bzw. der Reformfähigkeit des islamistischen Regimes lässt sich nun spätestens nach der Wahl und der desaströsen Amtszeit Rouhanis und seines erzkonservativen Nachfolgers Raisi jedoch nicht mehr aufrechterhalten.

Die europäische Appeasement-Politik zum Iran war nicht zuletzt dank der internationalen Unterstützung zahlreicher und meist staatlich finanzierten Rundfunkanstalten wie BBC, DW, VOA etc., besonders erfolgreich. Lange wurden der westlichen Öffentlichkeit und der iranischen Jugend das absurde Narrativ vermittelt, dass es sich bei den vierjährig wiederkehrenden Wahlen tatsächlich um demokratische handelt. Damit wird den Menschen vorgegaukelt, es gäbe eine echte Gelegenheit, die Gesellschaft sukzessiv und von innen her zu reformieren.

Somit avancierten groteskerweise Medienanstalten verschiedener demokratischer Staaten zum Sprachrohr und damit zum entscheidenden Legitimitätsstifter eines der autoritärsten, menschenfeindlichsten sowie antisemitischsten Regime der Nachkriegszeit.
Nachdem sich die Situation der Bevölkerung in jeder Hinsicht seither exponentiell wirtschaftlich verschlechtert und die Korruption der Staatsmänner astronomische Dimensionen angenommen hat, gingen die Iraner kurz nach der zweiten Amtszeit Hassan Rouhanis im Herbst 2018 in mehr als 100 Städten auf die Straßen.
Diesmal entwickelte sich eine alles übertönende Parole zum Leitmotiv und Symbol - eine bis dato nie da gewesene Entschlossenheit des iranischen Widerstandes:
„Nieder mit der Islamischen Republik“.
Darüber war eine weitere Parole ein absolutes und umso aufsehenerregenderes Novum. Zum ersten Mal seit der Islamischen Revolution 1979, brachte eine breite Basis der Iraner ihre tiefe Sehnsucht nach der Rückkehr der gestürzten Pahlavi-Dynastie zum Ausdruck und entschuldigte sich öffentlich beim heute im amerikanischen Exil lebenden Kronprinz Reza Pahlavi, dem gleichnamigen Enkel des Dynastiebegründers.

Seither werden die Aufstände in ihren Forderungen und Parolen immer radikaler, ihre Abstände immer kürzer. Einer der Anlässe ist die Wasserknappheit.
Längst ist international bekannt, dass Wasser nicht nur im Mittleren Osten einer der großen Zankäpfel der Weltpolitik ist und noch weit wichtiger werden wird.
Als Anlass der aktuellen Proteste wird vielfach von der internationalen Presse kolportiert, dass es die Unfähigkeit des Regimes ist, große Teile des Landes mit Wasser zu versorgen.
Das ist nicht so und dem werden wir in einem nächsten Beitrag nachgehen und zeigen, dass diese Knappheit der unendlich wichtigen Ressource künstlich geschaffen ist, nein dass dieses Vorenthalten des lebensspendenden Wassers ein bewusstes Repressionsinstrument der Machtpolitik der Mullahs ist. Wieder zum Schaden der eigenen Bevölkerung.  

So befinden sich heute mehr als 20 iranische Städte seit über zwei Wochen in Aufruhr. Sicherheitskräfte schießen wahllos mit scharfer Munition, auf Menschen, sie plündern gnadenlos Geschäfte, zerstören mutwillig Fahrzeuge und sogar Häuser.
Sie inhaftieren, foltern und ermorden willkürlich jeden, den sie nur im entferntesten Ansatz für einen Demonstranten halten.

Die Weltgemeinschaft hüllt sich wie gewohnt in ohrenbetäubendes Schweigen – allen voran und auf infame Weise die deutsche Bundesregierung.

Sie, die KanzlerIn und hält nach wie vor mit ihrem beispiellosen Opportunismus mit diesem barbarischen und menschenverachtenden Regime fest. So gratulierte ganz in dieser Manier der deutsche Bundespräsident Steinmeier 2019 „ganz versehentlich“ und „im Namen aller Deutschen“ der Führung der Islamischen Republik zum vierzigsten Jahrestag und Bestehen der Islamischen Revolution. Also genau jenen Herrschaften, die vollkommen unverfroren und unverblümt ihre Zerstörungsphantasien und die Tilgung des Staates Israels von der Landkarte verlautbaren, dessen Schutz ja eigentlich deutsche Staatsraison sein sollte. Ebenso der österreichische Präsident Van der Bellen, der es sich nicht nehmen ließ jüngst dem neuen iranischen Präsidenten Raisi zu seinem Wahlsieg zu beglückwünschen, wohlwissend, dass dieser in den letzten vier Jahrzehnten mehrere Zehntausend Menschen zu Tode verurteilt hat, was ihm den berüchtigten Titel „Schlächter von Teheran“ einbrachte. Trauriger Höhepunkt seiner Karriere als Scharfrichter und unter anderem auch der perversen Mordlust der Islamischen Republik sind zweifellos die Massenhinrichtungen des Jahres 1988, als zwischen 5.000 und 40.000 politischen Gefangene (genaue Daten werden der Öffentlichkeit vorenthalten) regelrecht massakriert und anschließend in Massengräbern verscharrt wurden, nachdem man sie in maximal fünfminütigen Schauprozessen vorgeführt und schließlich „verurteilt“ hatte.

Das erinnert nicht weit entfernt daran, dass der damalige Justizminister und oberster Scharfrichter des Iran den Mörder-Mullah Shahroudi verantwortlich für tausende Todesurteile und auch die von Minderjährigen 2018 aus Deutschland fliehen musste. Er kam auf Einladung des damaligen Außenministers Sigmar Gabriel nach Hannover. Aus Deutschland verjagt wurde er durch mutige Bürgerinitiativen, aber leider unter dem Schutz, deutscher Behörden.

Beobachtet man nun die deutsche Medienlandschaft und ihr beharrliches Ignorieren des überwältigenden Nachrichtenreichtums über die selbst für iranische Verhältnisse übermäßige Brutalität in der Niederschlagung der aktuellen friedlichen Proteste, scheinen diese eigentlich staatsunabhängigen Rundfunkanstalten gehorsam dem Duktus der besagten deutschen
Außenpolitik Folge zu leisten.

Eines ist jedoch sicher: Die Islamische Republik im Iran bröckelt gewaltig, ihr Niedergang ist sicher. Es liegt nun an den freien Medien in Deutschland, an wessen Seite sie sich stellen wollen. Ob sie dem immer lauter werden Ruf des iranischen Volkes eine Stimme geben, oder den widerlichen Gräuel dieses antiiranischen, antisemitischen Regimes weiterhin mit Stille, Relativierung oder gar Rechtfertigung begegnen wollen.

Junge Leute im Iran wollen, was alle Jugendlichen auf der Welt möchten: Spaß, sich kennenlernen, sich ausprobieren, die Welt entdecken und keine Ansagen von alten bärtigen Männern, sowenig wie zuhause von einer überforderten Mutter herumkommandiert zu werden. Sie wollen lernen und gut werden, um der Welt etwas zu geben, klar auch um sich davon etwas zu nehmen. Darin aber liegt Hoffnung - nicht nur für den Mittleren Osten.

Deshalb wird es vielleicht etwas leiser um den gegenwärtigen Aufstand werden, er wird aber nicht mehr verstummen.

Die Geschichte, so sagt nämlich ein altes persisches Sprichwort, ist ein erbarmungsloser Richter und wird bei denen, die auf der falschen Seite standen, keine Gnade walten lassen.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot twitter


Mittwoch, 28 Juli 2021

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