Historisches Urteil: Iran ist der Autor des AMIA-AttentatsHistorisches Urteil: Iran ist der Autor des AMIA-Attentats
Der Kassationshof in Buenos Aires entschied am Donnerstag das seit drei Jahrzehnten laufende Verfahren zur Causa AMIA und israelische Botschaft, zwei der brutalsten Terroranschläge seit dem Zweiten Weltkrieg gegen die jüdische Zivilbevölkerung.
Von Ramiro Fulano
Das Bundesstrafgericht entschied, dass die Angriffe auf die israelische Botschaft im März 1992 und das AMIA-Hauptquartier am 18. Juli 1994 „auf eine politische und strategische Absicht“ der Islamischen Republik Iran zurückzuführen sei und dass beide Angriffe von der Terrororganisation Hisbollah durchgeführt wurden. Das Urteil stellt außerdem fest, dass das Attentat auf die AMIA ein Verbrechen „gegen die Menschlichkeit“ sei und eröffnet den Geschädigten hiermit die Möglichkeit, den Iran offiziell zu verklagen.
Präsident Javier Milei feierte das Urteil. Darüber hinaus nahm er die argentinische Sozialdemokratie wegen der Unterzeichnung eines Memorandums zur Vereitelung der Strafverfolgung der Terroristen ins Visier, das während der zweiten Amtszeit von Christina Fernández de Kirchner zwischen der Argentinischen Republik und dem Iran beschlossen wurde.
In einer Erklärung des Präsidialamts vertritt die Regierung in Buenos Aires die Auffassung, dass dieses Urteil „dem jahrzehntelangen Aufschieben und Vertuschen im AMIA-Fall ein Ende setzt und feststellt, dass die Angriffe auf die israelische Botschaft und die AMIA von der Hisbollah verübt wurden“.
„Der Bundesstrafgerichtshof war in der Lage, seine Funktion in völliger Freiheit und ohne politischen Druck auszuüben, um den Opfern und ihren Familien die Gerechtigkeit zu verschaffen, auf die sie jahrzehntelang gewartet haben“, heißt es in der Erklärung der Casa Rosada. Im Rahmen seines Mandats sprach sich der Präsident für „die absolute Unabhängigkeit der Justiz“ aus. „Am 10. Dezember 2023 endete die Ära der Straflosigkeit in der Argentinischen Republik“, endet die Nachricht.
Der Fall vor Gericht
Der Kassationshof entschied über das Ausmaß des internationalen dschihadistischen Terrorverbrechens und stellt fest, dass der Angriff auf die AMIA von Mitgliedern von Organisationen organisiert, geplant, finanziert und ausgeführt wurde, die organisch, funktional und ideologisch einem Staat unterstellt sind (was im Fall der Hisbollah zweifellos der Fall ist).
In einem anderen damit zusammenhängenden Urteil bestätigte die Kassation auch die Mehrheit der Strafen für die zu Beginn der Ermittlungen begangenen schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten, änderte jedoch in einigen Fällen das Strafmaß und in anderen das untersuchte Verbrechen. Der ehemalige Richter Galeano wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, während die Strafe für die ehemaligen Staatsanwälte Eamon Müllen und José Barbaccia bei zwei Jahren Gefängnis liegt. Es ging hier um Verfahrensunregelmäßigkeiten im Zusammenhang des Mullah-Kirchner-Memorandums.
Die Entscheidung des Kassationshofes über den Ursprung des brutalen Terroranschlags hat Auswirkungen auf die politische und rechtliche Lage weltweit. Seit letztem Jahr analysiert der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in einer von der Familiengruppe Memoria Activa der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) eingereichten Klage, ob Argentinien wegen mangelnder Rechtsprechung beim Angriff auf die AMIA verurteilt wird.
Attentate vor rund 30 Jahren
Am 17. März 1992 um 14:47 Uhr wurde das Gebäude mit der Anschrift Arroyo 916, in dem sich das Hauptquartier der israelischen Botschaft befand, von Terroristen in die Luft gesprengt. Die Polizei meldete zunächst 29 Tote, davon konnten 22 bestätigt werden: neun Angestellte und Beamte der Botschaft, drei Maurer und zwei Klempner, ein Taxifahrer und drei Fußgänger, ein Priester einer benachbarten Kirche und drei ältere Menschen, die in einer nur wenige Meter entfernten Immobilie wohnten. Ihre Namen wurden auf einer Gedenktafel dargestellt, die am Ort des Angriffs errichtet wurde. Der Fall wird vom Obersten Gerichtshof verhandelt.
Zwei Jahre später, am 18. Juli 1994, um 9:53 Uhr, wurde ein mit Sprengstoff beladenes Auto über den Bürgersteig in die Vorderseite des AMIA-Gebäudes, Pasteur 633, gelenkt. Zwischen den Sitzen und im Kofferraum befand sich eine Mischung aus Ammoniumnitrat – mit dem Zusatz Aluminium zur Steigerung Zerstörungswirkung – sowie einem schweren Kohlenwasserstoff, Trinitrotoluol (TNT) und Nitroglycerin. Die Sprengladung entsprach etwa 300 bis 400 Kilo TNT. Bei dem Angriff kamen 85 Menschen ums Leben.
Der Kassationshof kam zu dem Schluss, dass die Angriffe – Botschaft und AMIA – auf einen politischen und strategischen Plan der Islamischen Republik Iran reagierten und von der Terrororganisation Hisbollah durchgeführt wurden, die unter der Anleitung, Organisation, Planung und Finanzierung staatlicher und halbstaatlicher Körperschaften handelte, die der Regierung der Ayatollahs unterstellt sind.
In einem der Kapitel des Urteils mit dem Titel „Warum und Wie“ erläutert das Gericht die Gründe, warum Argentinien als Ziel dieser Terroranschläge ausgewählt wurde. Und es wurde festgestellt, dass der Grund, warum Argentinien für den Angriff ins Visier genommen wurde, „die einseitige Entscheidung der Regierung war, drei mit dem Iran vereinbarte Verträge über die Bereitstellung von Nuklearmaterial und -technologie als Folge einer Änderung der argentinischen Außenpolitik Ende 1991 und Mitte 1992 zu kündigen.“
Zur Erklärung: Argentinien hatte sich in den 60er und 70er Jahren die Möglichkeiten eröffnet, eine Atombombe zu produzieren. Dieses Know-how wurde für die Ayatollah-Regierung bald nach Gründung der Islamischen Republik attraktiv, um den jüdischen Staat zu vernichten.
Die Ermittler identifizierten die iranischen und libanesischen Beamten und Agenten, die an dem Terroranschlag auf das AMIA-Hauptquartier beteiligt waren, und kam fast drei Jahrzehnte nach diesem blutigen Ereignis, das 85 Menschen das Leben kostete, zu dem Schluss, dass die Beweise vielfältig und solide sind und zweifelsfrei beweisen, dass die Hisbollah und die höchsten Behörden der iranischen Regierung die Verantwortung trugen.
Die argentinische Justiz stellt fest, die iranischen Beamten, die für die Entscheidung, Planung und Durchführung des Angriffs verantwortlich waren, sind
- Ali Akbar Hashemi Bahramaie Rafsanjani (zum Zeitpunkt der Ereignisse Präsident der Islamischen Republik Iran)
- Ali Fallahijan (damals iranischer Informationsminister)
- Ali Akbar Velayati (damals Außenminister dieser Islamischen Republik)
- Mohsen Rezai (damals Leiter des Revolutionsgarde-Korps „Pasdaran“)
- Ahmad Vahidi (damals Leiter der Elitetruppe „Al-Quds“, die den Revolutionsgarden angehört)
- Mohsen Rabbani (zum Zeitpunkt der Ereignisse Kulturattaché der iranischen Botschaft in Argentinien)
- Ahmad Reza Asghari oder Mohsen Randjbaran (damals Dritter Sekretär der iranischen diplomatischen Vertretung in Argentinien), und
- Hadi Soleimanpour (damals Botschafter der Islamischen Republik Iran in Buenos Aires).
Ebenfalls dabei ist Imad Fayez Moughnieh, der für den Auswärtigen Dienst der libanesischen Terrorgruppe verantwortlich war und beschuldigt wurde, die Gruppe geleitet zu haben, die das Hauptquartier des jüdischen Gemeindeverbands in Buenos Aires angegriffen hat. Wie festgestellt werden konnte, ist er bereits verstorben, ebenso wie der frühere Präsident Rafsandschani, weshalb ihre jeweiligen Entlassungen aus dem Verfahren angeordnet wurden.
Vier weitere Verdächtige wurden dieser Liste im Jahr 2023 hinzugefügt, basierend auf mit Brasilien zusammengetragenen Justizinformationen, die vom UFI AMIA-Staatsanwalt Sebastián Basso und Richter Daniel Rafecas angefordert wurden: Dies sind Hussein Mounir Mouzannar, Alí Hussein Abdallah, Farouk Abdul Hay Omairi und Abdallah Salman (alias) José El Reda.
Die drei Kassationsrichter bekräftigen, dass der Angriff als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen sei. Das Urteil stellte fest, dass es für eine vollständige Aufklärung des Geschehens unerlässlich ist, vollständig auf den Inhalt der von staatlichen Stellen wie der Geheimdienste erstellten Dokumentation zuzugreifen. Zu diesem Zweck forderte das Oberste Strafgericht des Landes die Freigabe, Digitalisierung, Systematisierung und Zertifizierung der Informationen in den Geheimakten. Im Gegenzug drängt es dazu, die diplomatischen Kanäle zu aktivieren und zu intensivieren, um die Informationen zu sammeln, die ausländische Geheimdienste über den brutalen Angriff haben.
Internationale erweiterte Haftbarkeit für Staatsterrorismus
Wenn Terrorismus von einem Staat organisiert, geplant, gesponsert, finanziert oder unterstützt wird und seine Handlungen über die Grenzen des Landes hinausgehen, das für diese Verbrechen verantwortlich ist, übernimmt dieser Staat die internationale Verantwortung, auch wenn die terroristischen Handlungen von einem Nicht-Staat oder Nicht-Regierungsgruppen (= NGOs) begangen wurden, selbst wenn diese offiziell nicht staatlich sind, aber unter der Kontrolle, Finanzierung oder Leitung des Staates handeln (was im Fall der Beziehungen zwischen der Hisbollah und der Islamischen Republik Iran zweifelsfrei zutrifft).
Und es wurde gewarnt, dass die internationale Verantwortung auch bei dem Staat liegen sollte, der ebenfalls als „terroristisch“ eingestuft werden könnte, wenn er die Verpflichtung ignoriert, den verursachten Schaden, moralisch und materiell, vollständig zu reparieren und/oder den Opfern und Verletzten keinen Weg anbietet, dies zu tun.
Die jüdische Gemeinde der Argentinischen Republik lobte das Urteil der Bundesstrafkammer, in der die Islamische Republik Iran für den Angriff auf die AMIA verantwortlich gemacht wurde. Im Dialog mit Infobae unterstützte die Delegation argentinisch-israelischer Verbände (DAIA) die Entscheidung des höchsten Strafgerichtshofs des Landes und ging davon aus, dass sie den Angehörigen der Opfer beider Anschläge zur Verfügung stehen werde, um eine Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof dagegen einzuleiten.
Jorge Knoblovits, Präsident der DAIA, betonte, dass das Urteil „beweist, dass Iran das Verhalten eines terroristischen Staates an den Tag legt“. In diesem Zusammenhang behauptete er, dass „Terrorismus alle demokratischen Werte angreift“ und bezeichnete es daher als „zentral, dass das zweithöchste argentinische Gericht nach dem Obersten Gerichtshof feststellt, dass es sich bei Iran um geplanten, vom Staat finanzierten Terrorismus handelt.“
Der Präsident der DAIA teilte Infobae mit, dass die Delegation den Familien der Opfer der Angriffe von 1992 und 1994 zur Verfügung stehen werde, um Verfahren bei internationalen Organisationen und beim Internationalen Strafgerichtshof zu führen. Die DAIA wird den Familien der Opfer zur Verfügung stehen, um die entsprechenden Forderungen auf internationaler Ebene voranzutreiben.
„Die argentinische Justiz stellte fest, dass Iran, ein souveräner Staat der Vereinten Nationen, darauf bedacht ist, Terror in der Welt zu säen“, sagte Knoblovits und fügte hinzu: „Dies ermöglicht uns, uns bei den Vereinten Nationen und dem Internationalen Strafgerichtshof auf Haftbarmachung zu klagen“ und die Legitimität des Ayatollah-Regimes in diesen internationalen Foren mit demokratischen Staaten sei in Frage zu stellen.
Mit Material von Infobae
https://www.infobae.com/judiciales/2024/04/11/la-justicia-concluyo-que-los-atentados-a-la-embajada-de-israel-y-la-amia-fueron-decididos-por-iran-y-ejecutados-por-hezbollah/
https://www.infobae.com/politica/2024/04/11/tras-la-condena-historica-por-el-atentado-a-la-amia-la-daia-evalua-ir-a-la-corte-penal-internacional-contra-iran/
https://www.infobae.com/politica/2024/04/12/javier-milei-celebro-el-fallo-por-el-atentado-a-la-amia-y-apunto-contra-el-kirchnerismo-por-el-memorandum-con-iran/
https://www.infobae.com/judiciales/2024/04/11/galeano-el-primer-juez-que-tuvo-el-caso-amia-quedo-condenado-a-cuatro-anos-de-prision-y-podria-ir-preso/
https://www.infobae.com/judiciales/2024/04/11/el-juez-de-casacion-carlos-mahiques-promovio-el-juicio-en-ausencia-contra-los-iranies-acusados-de-volar-la-amia/
Autor: Ramiro Fulano
Bild Quelle: Pawel Ryszawa, CC BY 3.0 , via Wikimedia Commons
Sonntag, 14 April 2024