Wie Irans jüdische Gemeinde dem Regime Loyalität schwören muss

Wie Irans jüdische Gemeinde dem Regime Loyalität schwören muss


Während Raketen fliegen und das Mullah-Regime den Tod Israels predigt, erklärt der oberste Rabbiner Irans, Yehuda Gerami, „die unteilbare Einheit mit der Islamischen Republik“. Eine Geste der Freiheit? Oder ein verzweifelter Schutzmechanismus unter dem Mantel religiöser Solidarität?

Wie Irans jüdische Gemeinde dem Regime Loyalität schwören muss

Inmitten der angespannten Lage nach dem Ende des kurzen, aber intensiven Kriegs zwischen Israel und dem Iran hat die kleine jüdische Gemeinde Irans am Donnerstagabend öffentlich ihre Treue zum Regime in Teheran bekundet. Bei einem staatlich begleiteten Treffen in der Hauptstadt sprach Oberrabbiner Yehuda Gerami laut den regimetreuen Nachrichtenagenturen ISNA und Tabnak davon, dass „die Juden Irans an der Seite der Nation stehen, um die Heimat zu verteidigen“. Worte, die mehr über die Angst verraten als über die Überzeugung.

Ein Treueschwur unter Beobachtung

Geramis Rede war keine improvisierte Ansprache eines geistlichen Oberhaupts – sie war ein fein austariertes politisches Signal. Eingebettet in staatsfromme Floskeln wie „Iran ist unteilbar von unserer Identität“ und „die Propheten Israels ruhen in diesem Land“ war vor allem eines klar: Diese Minderheit versucht, sich und ihr Überleben zu sichern. Dass Gerami gleichzeitig „jede Ideologie“ verurteilte, „die sich fälschlich auf das Judentum beruft, um Rassismus und Expansionismus zu rechtfertigen“, war kaum als subtiler Seitenhieb gegen Israel zu missverstehen. Es war eine Botschaft, die für das innenpolitische Publikum in Teheran gedacht war – und wohl auch geschrieben wurde.

Religion als Requisit der Machthaber

Der iranische Staat nutzt religiöse Minderheiten wie die rund 8.000 verbliebenen Juden seit Jahrzehnten als politische Kulisse: Sie sollen den westlichen Vorwurf der Intoleranz entkräften und zugleich dem eigenen Narrativ dienen, dass nicht das Judentum, sondern „der Zionismus“ der Feind sei. Gerami selbst war in der Vergangenheit mehrfach bei regimetreuen, antiisraelischen Veranstaltungen zu sehen – eine Teilnahme, die für ein Mitglied einer Minderheit in der Islamischen Republik oft keine Wahl, sondern Pflicht ist.

Was auf offiziellen Fotos wie Ausdruck von Religionsfreiheit erscheint, ist in Wahrheit das Ergebnis von jahrzehntelangem Druck, Überwachung und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Auslandskontakte der jüdischen Gemeinde unterliegen strengsten Kontrollen. Wer zu viel Nähe zu Israel zeigt – oder gar Kontakte pflegt –, riskiert nicht nur Verhaftung, sondern auch Kollektivbestrafung.

Das Schweigen über Repression

Interessant ist weniger das, was Gerami sagte – als das, was er nicht sagte. Kein Wort zu den zahlreichen Berichten über Diskriminierung, kein Hinweis auf Einschränkungen der religiösen Praxis, keine Erwähnung der oft eingeschränkten Reisefreiheit für jüdische Familien. Auch über mutmaßliche Spionagefälle oder Einschüchterungsversuche durch den Geheimdienst wurde nicht gesprochen. Stattdessen: Pathos, Gebete, Friedenswünsche – und Loyalitätserklärungen an ein Regime, das Israel auslöschen will.

Zwischen Würde und Anpassung

Die Realität der Juden im Iran ist eine Gratwanderung. Sie sind keine israelischen Agenten, keine Staatsfeinde – aber sie leben in einem System, das ihre Identität durch politische Loyalität misst. Das führt zu paradoxen Situationen: Juden, die Israel ablehnen müssen, um im Iran beten zu dürfen. Rabbiner, die das Wort „Zionismus“ meiden, als wäre es ein Fluch, um nicht selbst ins Visier zu geraten.

Dass ausgerechnet nach israelischen Luftschlägen gegen iranische Nuklearanlagen eine solche Veranstaltung medienwirksam inszeniert wird, ist kein Zufall. Es ist ein klares Kalkül der iranischen Führung: Die Botschaft lautet, dass selbst Juden Iran als ihre Heimat verteidigen – und sich vom „zionistischen Feind“ distanzieren. Doch diese Inszenierung verrät mehr über die Angst des Regimes vor innerem Zerfall als über die tatsächliche Haltung der jüdischen Minderheit.

Ein Appell aus der Gefangenschaft

Die Worte von Rabbi Gerami mögen nach außen Frieden und Loyalität verkünden. Doch wer zwischen den Zeilen liest, hört den stummen Schrei einer Minderheit, die unter ständiger Beobachtung lebt. Ihre Loyalität ist kein Bekenntnis – sondern ein Überlebensakt. In einem Land, das Freiheit predigt und Unterwerfung meint.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Fars Media Corporation, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=141737131


Freitag, 27 Juni 2025

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