Liebe Leserinnen und Leser,
haOlam.de wird privat betrieben – ohne Verlag, ohne Unterstützung durch Institutionen. Damit wir unsere Arbeit auch 2026 fortführen können, möchten wir bis Jahresende mindestens 6.000 Euro erreichen, ideal wären 10.000 Euro. Jeder Beitrag hilft – auch kleine Beträge machen einen Unterschied.
Ein Regime gegen sein eigenes Volk: Irans neuer Feldzug der Angst erreicht eine brutale Phase

Ein Regime gegen sein eigenes Volk: Irans neuer Feldzug der Angst erreicht eine brutale Phase


Ein ermordeter Menschenrechtsanwalt, verschwundene Frauen, ein Marathon als Feindbild das iranische Regime zeigt, dass jede Form von Freiheit als Bedrohung gilt. Doch die Menschen lassen sich nicht mehr einschüchtern.

Ein Regime gegen sein eigenes Volk: Irans neuer Feldzug der Angst erreicht eine brutale Phase

Der Tod des Menschenrechtsanwalts Khosro Alikordi ist mehr als ein weiterer Name auf einer langen Liste von Opfern staatlicher Gewalt. Er ist ein Fanal für ein Regime, das in seiner Schwäche zur Brutalität greift. Am Samstag wurde der 46-jährige Jurist tot in seinem Büro in Maschhad aufgefunden mit schweren Kopfverletzungen, Blutspuren, einem perfiden Versuch der Behörden, den Mord als Herzinfarkt umzudeuten. Das Muster ist bekannt: Erst schlagen die Sicherheitsdienste zu, dann löschen sie Spuren, dann schweigt die Justiz. Hier jedoch liegen die Verdachtsmomente so offen, dass selbst in Iran kaum jemand den offiziellen Erklärungen Glauben schenkt.

Alikordi hatte Dissidenten verteidigt, junge Frauen und Männer, die im Zuge der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung vor Gericht gestellt wurden. Er war mehrfach verhaftet worden. Für das Regime war er unbequem, weil er die juristischen Lügen des Systems sichtbar machte. Sein Tod reiht sich ein in eine Serie von „mysteriösen“ Todesfällen, bei denen politische Gegner plötzlich sterben und Akten verschwinden. Die Beschlagnahmung der Überwachungstechnik aus seinem Büro spricht eine eigene Sprache.

Doch der Mord ist nur ein Teil eines größeren Bildes. Während Alikordis Familie um Antworten ringt, geraten zwei andere Namen weltweit in den Fokus: die 19-jährige Aktivistin Bita Shafiei und ihre Mutter Maryam Abbasi-Nikoo. Beide verschwanden vor einem Monat in den Gefängnissen des Regimes. Seit ihrer Entführung kursieren Berichte über Folter, Einzelhaft und erzwungene Geständnisse. Die Methoden sind seit 1979 dieselben: Das Regime zwingt Menschen, die eigene Schuld öffentlich zu bekennen, um die Macht des Apparates zu demonstrieren.

Bita, die schon 2023 misshandelt wurde, hatte den Mut, sich öffentlich gegen die Chemieangriffe auf Schülerinnen zu stellen und ihre Sympathie für Reza Pahlavi zu äußern. Wer in Iran für den Kronprinzen spricht, riskiert nicht eine Verhaftung, sondern ein Leben, das das Regime jederzeit auslöschen kann. Doch gerade diese Generation zeigt unlängst eine Entschlossenheit, die selbst erfahrene Beobachter überrascht: Sie hat keine Angst mehr vor Autoritäten, die nur Gewalt als Sprache kennen.

Der Fall der beiden Frauen hat die Bevölkerung mobilisiert. In iranischen Städten gingen Menschen auf die Straße, in Europa kam es zu Solidaritätskundgebungen. Jeder weiß, dass das Regime versucht, sie zu brechen und dass ihr Schicksal exemplarisch steht für tausende andere. Je stärker die staatliche Gewalt, desto sichtbarer wird jedoch der gesellschaftliche Erosionsprozess, der das Fundament der Diktatur angreift.

Währenddessen kämpft das Regime auch an einem völlig anderen Schauplatz: einem Marathonlauf. Mehr als 5.200 Menschen nahmen am Freitag auf der Insel Kisch teil, darunter hunderte Frauen ohne Kopftuch. Ein Sportereignis wurde zur Provokation nicht durch die Läuferinnen, sondern durch den Kontrollwahn der Machthaber. Nur wenige Stunden nach dem Lauf veranlassten die Behörden Verhaftungen unter den Organisatoren, eröffneten Strafverfahren und erklärten das Rennen zum Angriff auf die „islamischen Werte“. Der Oberste Führer hatte kurz zuvor öffentlich zur erneuten Durchsetzung der Kleiderordnung aufgerufen, und das System gehorcht sofort selbst wenn das Land im wirtschaftlichen Zusammenbruch steckt.

Die Bevölkerung sieht genau hin: Während Wasserreserven schrumpfen, während die Luftverschmutzung Rekordwerte erreicht, während die Inflation Familien in die Armut drückt, investieren die Behörden ihre Energie in Kopftücher, Geständnisvideos und die Zerstörung von Menschenleben. Die Prioritäten zeigen den Kern dieser Herrschaft: Kontrolle um jeden Preis, selbst wenn das Land dabei zerfällt.

Khosro Alikordi, Bita Shafiei, ihre Mutter und selbst die Teilnehmer eines Marathons sie alle sind Ausdruck desselben Konflikts. Das Regime kann Menschen einsperren, bedrohen oder töten, aber es kann ihnen nicht mehr die Einsicht nehmen, dass die Angst nachlässt. Immer mehr Iranerinnen und Iraner sprechen offen aus, was sie fühlen: dass sie sich die Zukunft ihres Landes nicht länger von einem System diktieren lassen wollen, das nur noch durch Gewalt existiert.

Der Winter der Repression ist kalt, doch im Iran wächst ein Widerstand, der nicht mehr verstummt.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Khamenei.ir, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=176291143


Sonntag, 07 Dezember 2025

haOlam via paypal unterstützen


Hinweis: Sie benötigen kein PayPal-Konto. Klicken Sie im nächsten Schritt einfach auf „Mit Debit- oder Kreditkarte zahlen“, um per Lastschrift oder Kreditkarte zu unterstützen.
empfohlene Artikel
weitere Artikel von: Redaktion
Newsletter


meistgelesene Artikel der letzten 7 Tage