Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Israel: Fakten bleiben auf der Strecke

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Israel:

Fakten bleiben auf der Strecke


Viele deutsche Medien haben eine schnelle Erklärung für die unerwartete Schließung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt in Israel. Doch so einfach ist es nicht. Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm

Fakten bleiben auf der Strecke

Mit fast einem Tag Verspätung meldet die dpa: „Die Schließung einer langgedienten Rundfunkanstalt hat in Israel nach Streit in der Regierung auch für Erschütterung in der Bevölkerung gesorgt.“

Warum ist nur von „einer Rundfunkanstalt“ die Rede?

 

Das grenzt schon an böswillige Desinformation. Die plötzliche Schließung der öffentlich-rechtlichen israelischen Sendeanstalt, der „Israel Broadcasting Authority“ (IBA), mit der tränenreichen „letzten Tagesschau-Sendung“ war ein nationales Ereignis. Der Rundfunk hatte seine Sendungen schon am 30. März 1936, also vor 81 Jahren, aufgenommen und zahlreiche historische Augenblicke der jungen Nation live übertragen. Die hochprofessionellen Journalisten aus allen Kreisen der Gesellschaft produzierten nicht nur die stündlichen Nachrichtensendungen, sondern auch beliebte Informationsprogramme. Da ging es um alle erdenklichen Themen aus Politik, Gesellschaft und Kultur.

 

Unter dem Dach der IBA gab es seit 49 Jahren nicht nur die wichtigste abendliche Fernseh-Nachrichtensendung „Mabat“ (Blick), sondern auch noch unzählige Spartenprogramme in zwölf Sprachen, darunter auf Russisch, Amharisch und Arabisch für Einwanderer und Ethnien. Man konnte klassische Musik oder Popmusik hören, Kulturprogramme und andere Sendungen.

 

Natürlich wurde da auch Premierminister Benjamin Netanjahu unter die Lupe genommen, etwa wenn es um die polizeilich untersuchten Korruptionsfälle ging. Genauso erging es seinem Vorgänger Ehud Olmert, der im Gefängnis landete, oder Staatspräsident Mosche Katzav, der wegen Vergewaltigung überführt und bestraft wurde.

 

Das „KAN“ doch wohl nicht wahr sein!

 

Weiter wird die geplante Nachfolgeorganisation für die IBA von dpa nur mit ihrem nichtssagenden Markennamen KAN (hebräisch für „hier“) erwähnt. In Wirklichkeit geht es um die „Israeli Public Broadcasting Corporation“ (IPBC) oder auf Hebräisch „Ta'agid HaSchidur HaIsraeli“ – also nicht um eine x-beliebige Firma, sondern um eine 2015 eigens dafür gegründete Regierungsbehörde.

 

Hätte die dpa dieses Ereignis sofort aufgegriffen und die Dinge beim Namen genannt, hätte es wohl in der deutschen Öffentlichkeit zu heißen Diskussionen geführt. Denn die Zahl der Rundfunkgebühren zahlenden Deutschen, die den öffentlichen Sender gar nicht nutzen, ist groß und groß ist auch die Verbitterung über die als Zwangssteuer empfundene Rundfunkgebühr. Zunehmend mehr Deutsche bemängeln zudem das teils fragwürdige Meinungsmonopol der „Öffentlich-Rechtlichen“ mitsamt einer tendenziösen Berichterstattung nicht nur in Sachen Nahost und Israel.

 

Die Zweifel von dpa, wonach „die Mitarbeiter der IBA laut Medienberichten erst Stunden zuvor erfahren haben, dass noch am gleichen Tag Schluss sein werde“, hätte sich die Nachrichtenagentur ebenfalls sparen können. Im O-Ton hat sich längst David Han, der Konkursverwalter der IBA, zu Wort gemeldet und die Aussagen der Mitarbeiter der letzten Nachrichtensendung im Fernsehen bestätigt. Die Vorwarnung zum „Ende der Sendungen“ kam nur zwei Stunden vor dem Beginn der Ausstrahlung. Mit stockender Stimme, vielen Tränen und einer spontanen Versammlung aller Techniker und anderen Mitarbeiter, teilweise im T-Shirt, beklagten sie sich, keine minimale Frist erhalten zu haben, sich mit gebührender Vorbereitungszeit von ihren treuen Zuschauern verabschieden zu können.

 

Selbst Bibi wurde überrascht

 

Sogar der Premierminister bezeichnete das Vorgehen gegenüber den Rundfunkmitarbeitern als „respektlos“. Netanjahu habe davon aus den Medien erfahren und keine Kompetenz gehabt, diese plötzliche Schließung anzuweisen. Das alles hielt zum Beispiel die Tageszeitung „Die Welt“ nicht davon ab, Netanjahu zu bezichtigen, die Schließung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt wegen „unerwünschter Regierungskritik“ betrieben zu haben. Ohne genaue Angaben steht dort: „Premierminister Benjamin Netanjahu wollte die skeptische Berichterstattung der Sender bändigen oder zumindest beeinflussen.“ Ebenso werden da namenlose „manche“ erwähnt, die den Schritt als „Schwanengesang der Demokratie in Israel“ wähnen.

Der durchsichtige Versuch, Netanjahu einen Schlag gegen Pressefreiheit und Demokratie zu unterstellen, wirkt schon bei einem flüchtigen Blick auf Israels übrige Medienlandschaft lächerlich.

 

Unberührt von der Pleite des Staatssenders bleiben die populären Privatsender wie „Kanal 10“ und „Kanal 2“ mit eigenen TV-Nachrichtensendungen. Die haben höhere Einschaltquoten als die nun abgeschaffte ehrwürdige öffentlich-rechtliche „Tagesschau“ und sind auch um Einiges kritischer. Manche freie Reporter wie Raviv Drucker oder Ilana Dajan haben Netanjahu schon zur „Weißglut“ gebracht, was dieser öffentlich und mit Namensnennung der Reporter moniert hatte. Bestehen bleibt auch „Galei Zahal“, der Armeesender, wo die Reporter genauso politisch denken und kritisch über die Regierung wie auch über die Armee berichten. Unerwähnt bleibt bei dpa und der „Welt“ ferner die freie Presse, darunter die höchst regierungskritische Zeitung „Ha'aretz“ und natürlich die völlig unkontrollierbaren sozialen Medien.

 

Beim Lesen solcher Zumutungen schlägt einem von Mal zu Mal mehr der penetrante Gruch nach deutscher „Ente“ auf den Magen. Fakten wären eine prima Alternative.

 

 

israelnetz  - Foto:  Die Mitarbeiter des Senders hatten keine Zeit, sich auf den Abschied vorzubereiten

Foto: רשות השידור, YouTube; Screenshot Israelnetz


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Freitag, 12 Mai 2017

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