Warum Hisbollahchef Nasrallah in Israel für Recycling wirbt

Warum Hisbollahchef Nasrallah in Israel für Recycling wirbt


Mit Hassan Nasrallah, dem Chef der libanesischen Terrororganisation Hisbollah, wirbt das israelische Non-Profit-Unternehmen ELA in Tel Aviv für mehr Recycling von Plastikflaschen.

Warum Hisbollahchef Nasrallah in Israel für Recycling wirbt

Von Stefan Frank

Mehrere englischsprachige israelische Zeitungen und Websites – darunter die Jerusalem Post, Haaretz und die Times of Israel – haben darüber im Februar berichtet.

Fotos zeigen ein Plakat, das sich über die gesamte Seitenfassade des zentral in Tel Aviv an der Autobahn gelegenen dreistöckigen Hotels La Guardia erstreckt. Auf der Tafel ist Nasrallah zu sehen, wie er den Zeigefinger hebt und in einer Sprechblase sagt: „Ich recycle keine Flaschen.“ Darunter steht: „Nasrallah ist seit 12 Jahren nicht aus seinem Bunker gekommen. Was ist Deine Entschuldigung?“ Die Aussage bezieht sich darauf, dass weithin angenommen wird, dass sich der Hisbollah-Chef seit dem zweiten Libanonkrieg im Jahr 2006 aus Angst vor israelischen Luftangriffen an einem unterirdischen Ort aufhält. „Sein Bild wird als Beispiel benutzt für jemanden, der einen Grund hat, nicht zu recyclen, anders als der israelische Normalbürger, der Recyclingcontainer an fast jeder Straßenecke findet“, erklärt die Jerusalem Post den Witz für diejenigen, die ihn ohne Anleitung nicht verstehen.

„Die Rolle des Recyclingunternehmens ist es, die Gewohnheiten der Öffentlichkeit zu ändern, bei allem, was mit der Umwelt und Nachhaltigkeit zu tun hat“, sagte die ELA-Vorsitzende Nechama Ronen gegenüber der Jerusalem Post. „Flaschen zu recyclen ist einfach, es ist etwas, das jeder von uns tun kann und sollte.“ Doch selbst wenn der Container gleich vor ihrer Tür sei, würden viele Leute ihn nicht benutzen, bedauert sie, „aus Faulheit oder mangelndem Bewusstsein“.

Mena Watch wollte wissen, auf welche Resonanz die Kampagne bei der israelischen Bevölkerung gestoßen ist und fragte den in Tel Aviv lebenden Journalisten Jean Patrick Grumberg. „Ich habe niemanden in Israel gefunden, der davon weiß“, sagt er. „Ich habe herumgefragt, junge Leute, alte Leute, Israelis, Tel Aviver, niemand hat davon gehört.“ Das Ziel der Kampagne sei wohl gewesen, das Thema vor allem über die Medien bekannt zu machen“, so Grumberg. Er verstehe das Anliegen des Unternehmens: „Sie sind enttäuscht von dem geringen Grad an Recycling und haben gehofft, das Zusammenbringen von Nasrallah und Recycling werde die israelische Öffentlichkeit aufrütteln. Das hat in diesem Fall nicht funktioniert.“

Grumberg erzählt, dass er in seinem „früheren Leben“ über zehn Jahre Werbebudgets verwaltet habe. „Ich habe mit Werbeagenturen zusammengearbeitet und stand mit vielen Leuten in den kreativen Abteilungen in Kontakt. Nur sehr wenige von ihnen sind wirklich talentiert, die anderen ersetzen Talent durch Bullshit-Analogien, die in den Köpfen der Leute nicht funktionieren.“ Um einen solchen Fall handle es sich hier offenbar, sagt er. „Ich habe Werbekampagnen gesehen, die einen wahren Sturm entfachen. Davon träumt jede Firma. Jeder in der Branche hat davon gehört und träumt davon.“ Doch in den meisten Fällen lasse sich ein solcher Erfolg nicht planen. „Das Recyclingunternehmen wollte offenbar einen Riesenwirbel provozieren und ist gescheitert. Man kann ihnen aber keinen Vorwurf machen, denn ob es funktioniert oder nicht, kann man vorher nicht wissen.“

Findet er die Werbung unpassend? „Was mich persönlich betrifft, so glaube ich nicht, dass es gut ist, zu riskieren, einen Terroristen akzeptabel zu machen.“ Auf der anderen Seite seien die Israelis „keine Träumer und ganz bestimmt keine Snowflakes“. – Als Generation Snowflake bezeichnet man in den USA Personen, die schnell beleidigt und nicht bereit sind, sich mit Ansichten auseinanderzusetzen, die ihren eigenen widersprechen. „Ganz bestimmt sind die Israelis nicht politisch korrekt“, so Grumberg. „Sie haben kein Problem damit, über islamistischen, muslimischen oder arabischen Terrorismus zu sprechen: Das ist ihr Alltag. Also glaube ich nicht, dass ein Bild von Nasrallah sie schockieren kann.“

Einen größeren Einfluss hätte die Kampagne womöglich gehabt, wenn sie größer aufgezogen worden wäre. Alle Fotos des Plakats, die er im Internet habe finden können, zeigten dieselbe Lokalität, sagt Grumberg. „Eine einzige Plakatwand, vielleicht für nur eine Woche – und das in einer Stadt, die bereits mehr Recycling betreibt als alle anderen Städte in Israel.“

Es ist nicht das erste Mal, dass ein israelisches Unternehmen diejenigen, die Israel mit Waffengewalt auslöschen wollen, zum Gegenstand einer spöttischen Werbung macht. Der Fall erinnert an eine Reklame, mit der der israelische Kabelfernsehbetreiber HOT 2011 Aufsehen erregte. HOT zeigte damals einen Fernsehspot, in dem er damit warb, dass jeder neue Abonnent ein Samsung Galaxy Tablet bekomme. Der Film zeigte vermeintliche israelische Agenten, die als Frauen verkleidet mit Tschador und Handtaschen durch eine Stadt laufen, die Isfahan, den Standort eines großen iranischen Atomkraftwerks darstellen soll, in dem es im November 2011 eine mysteriöse Explosion gegeben hatte. Sie laufen an Raketentransportern und riesigen Khamenei-Porträts vorbei, im Hintergrund ist die Nuklearanlage zu sehen. Einer der Agenten schmiert sich Sonnencreme ins Gesicht und sagt zu seinem verdutzten Begleiter: „Weißt du nicht, wie viel Strahlung es hier gibt?“ In einem Café treffen sie auf einen Mossadagenten, der die Nuklearanlage seit Wochen beobachtet. Er erzählt den anderen, dass er seine Lieblingscomedyserie auf dem Samsung Galaxy Tablet gucke, das er von HOT geschenkt bekommen habe. „Atomreaktor oder nicht, ich werde nicht Asfur verpassen.“ „Was ist das für eine App?“, fragt der Agent mit der Sonnencreme im Gesicht und drückt auf den Touchscreen. Hinter ihm explodiert die Atomanlage, seine Begleiter sind schockiert. „Was ist?“, sagt er. „Bloß eine weitere mysteriöse Explosion im Iran.“

Der 70-Sekunden-Werbefilm, der immer noch auf YouTube zu sehen ist, brachte damals einen iranischen Abgeordneten so auf, dass er forderte, Samsung aus dem Iran zu verbannen. Er hatte nicht verstanden, dass nicht Samsung, sondern ein israelischer Kabelsender mit dem Film warb.

Den Todfeinden des jüdischen Volkes mit Spaß und Humor zu begegnen, ist eine alte jüdische Tradition. In wenigen Tagen beginnt das Purimfest, bei dem die Juden mit lustigen Kostümierungen und viel Alkohol feiern, dass sie, wie es im biblischen Buch Esther beschrieben ist, einst in der persischen Diaspora durch List über den bösen Wesir Haman gesiegt haben, der alle Juden im persischen Königreich hatte umbringen lassen wollen.

 

MENA Watch


Autor: Stefan Frank
Bild Quelle:


Donnerstag, 14 März 2019