Naher Osten: Flächenbrand dringend gesucht

Naher Osten: Flächenbrand dringend gesucht


Wer im Nahen Osten lebt und deutsche Medien liest, kann sich dieser Tage auf seine Terrasse stellen und Ausschau halten nach aufsteigenden Rauchwolken. Denn es droht ein Flächenbrand. Vermutlich ist es zwar wieder einmal nur der Gartengrill des Nachbarn, aber man kann ja nie wissen.

Naher Osten: Flächenbrand dringend gesucht

Von Ulrich W. Sahm

Die deutschen Medien wissen auch schon, wer da zündelt. Es sind die üblichen Verdächtigen: Donald Trump in Washington und die Falken oder Hardliner in seiner Umgebung. Allen voran John Bolton. Besonders gefährdet ist wohl auch das Leben in Jerusalem. Denn der andere Schuldige wohnt nicht weit weg von unserer Wohnung. Es ist, wie könnte es anders sein, wieder einmal der Premierminister von Israel. Der „rechtsextremistische, nationalreligiöse Kriegstreiber und Hardliner“ Benjamin Netanjahu zusammen mit seinem Sohn Jair, der zwar keinerlei Amt innehat, aber mit einem kleinen Tweet alle Medien gleichzeitig vor Empörung zum Zittern bringt.

Mit Musik geht alles besser

Der willkommene Anlass für den neuesten medialen „Flächenbrand“ ist der Eurovision Song Contest. Das muss man verstehen: Die Temperaturen sind hochsommerlich warm. Das Land grünt und blüht nach der langen Regenzeit, der Himmel ist strahlend blau und die Reporter sitzen Cocktails schlürfend am Strand von Tel Aviv und hoffen auf Randale, damit in den Heimatredaktionen keiner merkt, wie gut es ihnen geht. Die Zutaten für den medialen Untergang sind leicht zu beschaffen: Fast jeder Bericht beginnt mit den 700 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel eine knappe Woche davor. Da im Gazastreifen nur namenlose „Militante“ an den Abschussrampen der Raketen sitzen, lässt sich zur Freude der Leserschaft Israel als der wahre Schuldige leicht ausmachen. Bekanntlich hat die bis dahin unbekannte israelische Sängerin in Lisbon beim ESC 2018 so erfolgreich „gegackert“, dass der Zuschlag für das Austragen des ESC 2019 notgedrungen an Israel ging. Noch auf der Bühne hatte Netta laut NTV-online einen Wunsch des israelischen Hardliners Netanjahu ausgesprochen. Nur von jenem Nationalextremisten konnte Nettas Spruch „Nächstes Jahr in Jerusalem“ stammen, von wem sonst?

Der Anfang vom Ende: „Nächstes Jahr in Jerusalem“

Wolfram Neidhard bei n-tv: „Nun hat es die gackernde Netta Barzilai mit „Toy“ im vergangenen Jahr in Lissabon geschafft, Israel wieder für gut eine Woche in den Mittelpunkt des musikalischen Geschehens zu rücken. „Next year in Jerusalem“, kündigte die 26-jährige Wuchtbrumme aus Hod haScharon am Abend ihres Sieges an. Sie sprach damit nur einen Wunsch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut aus, der den Status von Jerusalem als israelische Hauptstadt stärken wollte. Auch spielte die Grösse der Halle – Jerusalem hat mit der Pais Arena immerhin rund 15.000 Plätze zu bieten – eine Rolle.“

Der Ausspruch, nächstes Jahr in Jerusalem, wird seit rund 2000 Jahren von Juden in aller Welt bei jeder Hochzeit und an fast jedem Fest ausgesprochen. Eigentlich könnte man erwarten, dass ein deutscher Korrespondent in Tel Aviv derartiges weiss.

Es ist zudem selbstverständlich, dass die 26-jährige „Wuchtbrumme“ ( merke: bodyshaming ist das neue deutsche „politisch korrekt“) unmittelbar nach ihrem soeben errungenen Sieg an Netanjahus Wunsch denkt, den „Status von Jerusalem als israelische Hauptstadt stärken“ zu wollen, und sich dabei auch noch bewusst ist, dass es dort eine passende Halle gibt, die Pais Arena mit ihren 15.000 Sitzplätzen. Die grösste Unverschämtheit war, dass Netta ausgerechnet an dem Tag so erfolgreich war, an dem der amerikanische Kriegstreiber der Zwei-Staaten-Lösung den „Todesstoss“ versetzt hat, indem er die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegte. Das kann alles kein Zufall sein. Dass der ESC jetzt doch in der Party- Stadt Tel Aviv stattfindet, ist erst recht kein Trost für die sich derart quälende deutsche Seele.

Notiz für den Eigennutz: Vor dem ESC- Finale unbedingt einen Grill kaufen. Damit Netanjahu nicht der einzige „grosse Nutzniesser“ bleibt.

„Todesstoss“ geht immer

Leider hat der gleiche kreative Schreiber, Wolfram Neidhard, nicht verraten, wann diese sogenannte „Zwei-Staaten-Lösung“ lebendig war, damit Trump ihr einen „Todesstoss“ versetzen könnte, ausser in den Köpfen der offenbar immer noch von „Lösungen“ träumenden Europäer. Die Palästinenser haben ihr niemals öffentlich zugestimmt und Netanjahu hatte 2009 die Bedingung gestellt, dass „Palästina“ entmilitarisiert sein müsse. Der Lacher der arabischen Welt hallt immer noch.

Kein „Flächenbrand“ ohne israelische Beteiligung

Um das Gerede vom „drohenden Flächenbrand“ besser zu verstehen, sollte mal über den Zaun geschaut werden. Da wäre zum Beispiel Syrien im Norden. In diesem Land herrscht vor allem seit 2011 ein geradezu himmlischer Friede, wo Alawiten, Sunniten, Schiiten, El Qaeda, Saudis und andere Völkerschaften vorbildlich um Frieden und Versöhnung buhlen. Unerklärlich, wieso eine der schönsten Städte der Welt, Aleppo, heute nur noch ein Trümmerhaufen ist. Irgendwer, der namentlich nicht genannt wird, hat dann auch noch Millionen Menschen dazu bewegt, zum Beispiel nach Deutschland umzuziehen. Nur „mutmasslich“ sind da Tausende Menschen mit Giftgas beworfen worden und gemäss Schätzung von unzuverlässigen Nicht-Regierungs-Organisationen auch noch eine halbe Million Menschen ins Paradies aufgefahren sind. Auch das palästinensische Flüchtlingslager Yarmuk bei Damaskus hat ein wenig gelitten.

No Jews, no News

Aber wen kümmert es schon, wenn Palästinenser von anderen Arabern umgebracht werden. Solange keine Juden dafür verantwortlich gemacht werden können, wie im Falle der Randalierer am Grenzzaun von Gaza zu Israel, fühlt sich kaum jemand angesprochen. Nur aus „ Palästina“ vermelden die deutschen Medien jeden einzelnen Toten, selbst wenn sich später herausstellt, dass eine junge Frau und ein 10 Monate altes Baby nicht durch eine israelische „Killerdrohne“, sondern durch explodierende Munition der Hamas zu „Märtyrern“ gemacht worden sind. Schuld war angeblich eine fehlgezündete Rakete des islamischen Dschihad.

Eskalation, ick hör dir trapsen.

Für Mathias Brüggmann im Handelsblatt kommen Krieg im Iran oder gemäss seinen Worten, die „Eskalation“ schleichend. Es bleibt der Fantasie seiner Leser überlassen, sich einen „schleichenden“ Krieg vorzustellen, also ohne „Bum“ und lauter Toten. Während er den bevorstehenden Flächenbrand darstellt, scheint sein Computer von einem Virus ganz besonderer Art angesteckt worden zu sein. Man könnte es verbale Konjunktivitis nennen. Zu konkreten Vorfällen gesellt sich gerne ein „angeblich“ und der Rest kleidet sich in die Möglichkeitsform. Tatsachen gibt es nicht, ausser natürlich die der Verlegung amerikanischer Kriegsschiffe in die Region. Raketen der von Iran finanzierten Huthis „seien“ in Saudi-Arabien eingeschlagen. An mehreren Handelsschiffen „seien“ plötzlich Schäden aufgetreten. Mit Filmen und Fotos dokumentierte Löcher an den betroffenen Schiffen darf sich der Handelsblatt-Leser offenbar herbeifantasierte Kunstwerke einbilden. Fast wie bei der Krimiserie „Tatort“ heisst es dann: „Und ohne den Iran als Täter zu benennen, legen die staatlichen Nachrichtenagenturen die Spur nach Teheran.“

Der absolute Mangel an echten Ereignissen erweckt bei dem Autor zudem klischeehafte Erinnerungen: „Das Szenario erinnert an den Golfkrieg des damaligen US-Präsidenten George W. Bush, der als Vorwand für den amerikanischen Einmarsch in den Irak die Mär verbreiten liess, Diktator Saddam Hussein besitze Chemiewaffen. Diese wurden nach Saddams Sturz zwar nie gefunden. Dafür aber enthüllten Reporter, wie die Lüge von irakischen Massenvernichtungswaffen gezielt – auch mithilfe eines zwielichtigen Informanten des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND – systematisch gestrickt wurde.“

Wo Fakten stören

Nichts von dem, was er schreibt, ist wahr. Denn nach der Invasion und dem Sturz Saddam Husseins wurden sehr wohl 5.000 Gefechtsköpfe und Bomben mit Senfgas und anderen Massenvernichtungswaffen von amerikanischen Soldaten gefunden.

In der ganzen Region herrscht überall eitel Frieden, ganz besonders im Jemen, im Gazastreifen, im Libanon, Sudan, Libyen, Algerien usw. Die Umstürze, humanitären Katastrophen, Revolutionen und Bombardierungen müssen deshalb alle mit einem „angeblich“ versehen und dürfen nur im Konjunktiv erwähnt werden. Denn nur dann ist klar, dass im vorbildlich demokratisch regierten Iran alles in bester Ordnung ist und die Vernichtungsdrohungen gegen Israel lediglich propagandistisches Geschwätz sind. Das alles macht sich der Störenfried Trump zu Nutze, um ohne Grund und Anlass B-52 Bomber nach Bahrein zu verlegen und den Flugzeugträger USS Abraham Lincoln in den „Persischen Golf“ zu schicken.

Nachtrag: Es ist zu vermuten, dass der amerikanische Aussenminister keine deutsche Zeitung liest, denn wie sonst ist es zu erklären, dass er so gar nicht darauf erpicht ist, in Berlin einen Zwischenstopp einzulegen, um sich von den Deutschen die Welt erklären zu lassen. Er habe dringendere Angelegenheiten zu erledigen, liess Mike Pompeo ausrichten.

 

Erstveröffentlicht bei Audiatur Online - Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors / Foto: Der israelische Premierminister Binyamin Netanyahu zu Besuch auf der Shizafon-Basis im Süden Israels


Autor: Ulrich W. Sahm
Bild Quelle: Flash 90


Samstag, 18 Mai 2019