ARD in Israel: Die vergebliche Suche eines deutschen Reporters nach der Klimaangst

ARD in Israel: Die vergebliche Suche eines deutschen Reporters nach der Klimaangst


Am Freitag ließ der Deutschlandfunk Kultur Journalisten in verschiedenen Ländern zu Wort kommen, die berichten sollten, wie die Menschen in aller Welt auf den Klimawandel reagieren.

ARD in Israel: Die vergebliche Suche eines deutschen Reporters nach der Klimaangst

Von Ulrich W. Sahm

Mit dabei auch ARD- Korrespondent Tim Aßmann aus Tel Aviv – und es ist fast komisch zu sehen, wie sein Beitrag missglückt. Man muss den Mann verstehen. Während im üppig ergrünten deutschen Konstanz schon Anfang Mai der Klimanotstand ausgerufen wurde, weigern sich die Israelis selbst im Hochsommer, in Hysterie auszubrechen. Sie fahren also Auto, es sei denn, sie stehen im Stau. Sie gehen freitags nicht zu „Fridays for Future“, sondern genießen den Schabbat, oder einfach nur die langen Schulferien. Und die Erwachsenen unter ihnen hören auch keine kindgerechten Klima-Panikprogramme, sondern entwickeln und nutzen lieber clevere Wassernutzungssysteme, Entsalzungsanlagen, Tröpfchenbewässerung usw. Der Korrespondent der ARD kann dem israelischen Pragmatismus wenig abgewinnen, er verzweifelt schier, weil er selbst am „sterbenden Toten Meer“ kein Drama findet. Und so ignoriert er lieber die Fakten. Das Ergebnis sieht dann so aus:

„Klimawandel ist in Israel nicht nur spürbar, sondern auch sichtbar. Ganz plastisch wird das beim Toten Meer. Das Tote Meer stirbt – das klingt jetzt nach einem platten Witz – aber es ist tatsächlich so: Man sieht, wie der Pegel des Salzwassersees von Jahr zu Jahr dramatisch sinkt. Dürre ist auch in Israel ein großes Thema. Wassersparen, da setzt man in der Landwirtschaft drauf. Die Israelis sind führend bei Tröpfchenbewässerung. Es gibt immer mehr und immer dramatischere Waldbrände. Aber dass man hier ‚Fridays for Future‘-Demos hätte, das gibt es nur ganz vereinzelt und ganz klein. Das ist in Israel noch kein großes Thema.“

Offensichtlich hat der ARD-Korrespondent in Tel Aviv sich nicht die geringste Mühe gemacht, das Thema elementar zu recherchieren.

Paradebeispiel Totes Meer

Das Tote Meer ist so tot und mit dem salzigsten Seewasser der Welt gefüllt, weil es dort schon seit biblischer Zeit extrem trocken ist und deshalb die Verdunstung des Wassers enorm ist. In der Folge bleiben nur noch die Mineralien übrig.

Natürlich kann man von einem ARD-Korrespondenten nicht erwarten, die Schriften des Theodor Herzl, dem 1904 verstorbenen Propheten des Zionismus und eines Judenstaates zu kennen. Der hatte nämlich schon vor über 100 Jahren vorgeschlagen, durch einen Kanal vom Roten- oder Mittelmeer Wasser in das 400 Meter unter dem Meeresspiegel liegenden Becken des Toten Meeres zu leiten, um den Spiegel des Toten Meeres zu heben. Darüber wird bis heute diskutiert, darunter zwischen Israel und Jordanien. Aber geschehen ist bisher nichts, obgleich es grandiose Pläne gibt, entlang des Kanals Wasserparks und Entsalzungsanlagen zur Gewinnung von Süßwasser anzulegen.

Im Nahen Osten ist seit vielen Jahrhunderten das Wasser knapp. Mit dem starken Bevölkerungszuwachs innerhalb der letzten Generationen, der durch politische Probleme verursachten Misswirtschaft und dem durch Raubbau an natürlichen Ressourcen in vielen Ländern verursachten Mangel wird das immer mehr zum Problem. Der Regen im Winter reicht schon lange nicht mehr aus, um im alten Stil Landwirtschaft zu betreiben, und erst recht nicht, um die wachsenden Metropolen mit Wasser zu versorgen. Die Israelis haben unterschiedliche Initiativen ergriffen, um die Wasserknappheit in den Griff zu bekommen, und sind heute sogar fähig, Wasser zu exportieren.

In Israel werden rund 90% des Brauchwassers geklärt und in separaten Rohren der Landwirtschaft zwecks Bewässerung zugeführt. Mit modernsten Methoden der Osmose wird mit Abwärme von Kraftwerken entlang der Mittelmeerküste so viel frisches Trinkwasser gewonnen, dass damit inzwischen auch die unterirdischen Wasserschichten wieder gefüllt werden können.

Der Jordanfluss war immer schon ein Rinnsal und kein echter Fluss, der das Tote Meer wirklich auffüllen konnte. Seitdem aber die Anrainer, darunter Syrien, Israel und Jordanien die meisten Zuflüsse zum Jordan stauen und das Wasser für ihre Zwecke verwenden, fließt auch im Winter nur noch wenig Frischwasser ins Tote Meer.

Warum „stirbt“ das Tote Meer?

Doch das ist nicht einmal der Hauptgrund für das dramatische Absinken des Meeresspiegels, den sogar Aßmann „sehen“ kann.

Im relativ flachen Süden des Toten Meeres haben sowohl Israel wie auch Jordanien riesige Verdunstungsbecken angelegt. Dorthin wird Wasser aus dem tieferen Norden des Meeres gepumpt, damit es schneller verdunstet und neben Salz auch Kali, Pottasche und andere Mineralien industriell gewonnen werden können. Sogar die deutsche Autofirma Volkswagen hat dort investiert, um Aluminium für Motoren zu gewinnen. Diese lukrative Industrie gilt als Hauptgrund für das Verschwinden des Toten Meeres, von dem ohnehin nur noch der Norden übriggeblieben ist.

Mit Klimawandel hat das allerdings überhaupt nichts zu tun: Die Hitze in der Gegend war schon unerträglich, als Gott laut Bibel die Zerstörung von Sodom und Gomorra befahl.

Ehe er im Deutschlandfunk ausgerechnet das „sterbende“ Tote Meer zum Paradebeispiel für den Klimawandel erklärt, sollte Aßmann vielleicht besser erst einmal die Faktenlage checken.


Autor: Ulrich W. Sahm
Bild Quelle: User: Bgabel at wikivoyage shared [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]


Sonntag, 04 August 2019