Israels veränderte politische Landschaft bleibt konfus

Israels veränderte politische Landschaft bleibt konfus


Premierminister Benjamin Netanyahus Entscheidung im Mai diesen Jahres Neuwahlen vorzuschlagen statt Präsident Reuven Rivlin sein Mandat eine Regierung zurückzugeben, wurde zum Rohrkrepierer.

Israels veränderte politische Landschaft bleibt konfus

Von Dr. Manfred Gerstenfeld

Die Wahl vom 17. September hat die politische Landschaft ohne Aufhebung des Durcheinanders verändert.

Die zwei größten Parteien verloren Sitze. Der Likud – diesmal nach einem Zusammenschluss mit Mosche Kahlons Kulanu – verlor die meisten. Statt 38 Sitzen hat er jetzt nur 32. Blau und Weiß, die damals 35 Sitze gewann, hat jetzt 33 inne. Die religiösen Partner des Likud im Mitte-Rechts-Block konnten die Sitzverluste des Likud nicht kompensieren. Die ultraorthodoxe Schas gewann einen Sitz dazu und hat jetzt 9, die ultraorthodoxe Vereinigtes Thora-Judentum verlor einen Sitz und hat nun noch sieben; und die gestärkte religiös-zionistische Yamina behauptete 7 Sitze, ein Zugewinn von zweien. Der Mitte-Rechts-/ultraorthodoxe Block, der nach der Wahl im April keine Regierung bilden konnte, weil er 60 Sitze inne hatte, verharrt jetzt bei 55. Es ist aber noch zu früh zu erklären, dass die Ära Netanyahu vorbei ist, wie es einige lokale und Auslandsmedien machten.[1]

Die rechtsextreme Partei Otzma Yehudit kam nicht über die 3,25%-Hürde, anders als in mehreren der letzten Umfragen vor der Wahl vorhergesagt.[2] Doch selbst wenn sie vor der Wahl zurückgezogen worden wäre, hätte sich die Gesamtsituation nicht wesentlich verändert. Kurz vor dem Wahldatum kündigte Noam als weitere religiöse Partei an, dass sie nicht an zur Wahl antreten wird.[3]

Auch Blau und Weiß-Chef Benny Ganz kann keine Regierung bilden. Mit seinen natürlichen Partnern, von denen die Avoda-Gescher 6 Sitze inne hat und die linksextreme Demokratische Union mit 5 Sitzen, verfügt sein Bock über 44 Sitze, einen weniger als nach der Wahl im April 2019. Um eine Regierung zu bilden, würde Gantz die Unterstützung zweier weiterer Parteien benötigen. Eine ist Israel Beteinu, die jetzt über 8 Sitze verfügt, ein Zugewinn von dreien. Ihr Führer Avigdor Lieberman hat gesagt, dass er nur eine Einheitsregierung aus Blau und Weiß und dem Likud unterstützen wird. Darüber hinaus würde Gantz die Unterstützung der meisten Mitglieder der Gemeinsamen Arabischen Liste benötigen, die 3 Sitze dazugewann und jetzt 13 inne hat. Solche Unterstützung würde für eine Reihe rechter Abgeordneter von Blau und Weiß nicht hinnehmbar sein.

Doch eine Einheitsregierung zu bilden ist schwierig, weil Blau und Weiß erklärt hat, sie werde sich an keiner Regierung Netanyahu beteiligen. Netanyahu befindet sich vorübergehend im Vorteil. Solange es keine neue Regierung gibt, bleibt er Premierminister. Eine mögliche Anklage seiner Person in den kommenden Monaten wegen Betrugs könnte die Lage ändern. Dann wird der Druck auf Netanyahu zunehmen, er solle zurücktreten. Wenn das geschieht, wird eine Einheitsregierung wahrscheinlicher.

Ein weiteres Szenario ist, dass einige Abgeordnete eines der beiden Blöcke überlaufen könnten. Eine Frage lautet zudem, ob Gantz die aus drei Parteien bestehende Blau und Weiß zusammenhalten kann.

Der ehemalige Premierminister Ehud Barak gründete im Juli eine neue Partei, die Israelisch-demokratische Partei. Er sagte: „Sie wird dem Land die Hoffnung und den Mut zurückbringen.“[4] Die Wahl zeigte allerdings, dass sie nicht viel Unterstützung hatte.

Danach wurde eine neue Gruppe in der extremen Linken gebildet, die sich Demokratische Union nannte. Ihr Hauptbestandteil war die Partei Meretz, die im April 4 Sitze gewann. Die Israelisch-Demokratische Partei schloss sich genauso an wie eine Reihe Überläufer aus der Arbeitspartei, angeführt von Stav Shaffir. Für diesen Zug musste sich die Knesset-Mitgliedschaft aufgeben, die sie mit der Arbeitspartei im April gewann.

Die Demokratische Union wurde die kleinste Partei in der Knesset. Die Folge war, dass der Arabische Abgeordnete Assawi Freij von der Meretz – der einzige arabische Abgeordnete, der nicht der Gemeinsamen Liste angehört – seinen Sitz in der Knesset verlieren wird. Sein Platz wird vom einzigen Abgeordneten von Israels Demokratischer Partei übernommen werden, dem ehemaligen Vize-Stabschef Yair Golan. Schaffir gewann ihren Abgeordnetensitz zurück.

Meretz hatte erst zugestimmt sich mit der Israelisch-Demokratischen Partei zusammenzuschließen, nachdem Barak sich für den Tod von arabischen Protestierenden während der Krawalle vom Oktober 2000 entschuldigte, als er Premierminister war.[5] Das war eine Bedingung Freijs, der jetzt seinen Sitz an Golan verlor. Meretz verlor bei der Wahl im April einen Sitz und jetzt noch mehr. Die Partei verbleibt jetzt bei 3 Abgeordneten.

Man sollte die Resultate der jüngsten Wahl auch mit denen von 2015 vergleichen. Ein wichtiges Ergebnis ist der bodenlose Absturz der Avoda (Arbeitspartei). Damals, unter der Führung von Yitzhak Herzog und zusammen mit Tzipi Livnis Bewegung, gewann die Liste 24 Sitze. Bei der Wahl im April 2019 fiel sie auf 6 Sitze. Jetzt, unter der neu-alten Führung von Amir Peretz, gewann sie diese Anzahl an Sitzen nur über den Zusammenschluss mit Orly Levy-Abekasis‘ Gescher-Bewegung.

Es wurde erwartet, dass die Wahlbeteiligung niedriger ausfallen würde; das Gegenteil war der Fall, infolge einer Zunahme bei den arabischen Wählern. Das hat personelle Folgen. Es wird schätzungsweise 16 neue Abgeordnete geben, die sich auf eine Reihe von Parteien verteilen. Rund 12 im April gewählte Abgeordnete werden ihre Sitze verlieren, davon 7 vom Likud und 2 von Blau und Weiß sowie 2 von Yamina. Vier weitere, davon 3 von der Avoda, beschlossen diesmal nicht anzutreten.

Es sind andere Szenarien als die erwähnten möglich. Große Sicherheitsprobleme könnten eine Einheitsregierung ohne Vorbedingungen rechtfertigen. Auch eine dritte Wahl ist nicht völlig auszuschließen.

[1] www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-5591807,00.html; www.economist.com/leaders/2019/09/19/the-reign-of-bibi-netanyahu-is-ending

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Opinion_polling_for_the_September_2019_Israeli_legislative_election

[3] www.timesofisrael.com/fringe-far-right-party-noam-quits-knesset-race-2-days-before-elections/

[4] www.timesofisrael.com/barak-announces-name-of-new-political-party-democratic-israel/

[5] www.jpost.com/Israel-News/Barak-apologizes-for-Palestinians-killed-during-protests-while-he-wa

 

Heplev - Dr. Manfred Gerstenfeld ist ehemaliger Direktor des Jerusalem Centers for Public Affairs (JCPA), er ist Autor bei der Tageszeitung The Jerusalem Post und beim Nachrichtensender Arutz Sheva


Autor: Dr. Manfred Gerstenf
Bild Quelle: Hudson Institute [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)]


Dienstag, 01 Oktober 2019

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