Zwei Tröpfe, ein Brei

Zwei Tröpfe, ein Brei


Immer, wenn ich von West- nach Ostberlin rübermache, höre ich zur Einstimmung den Deutschlandfunk oder Deutschlandfunk Kultur.

Zwei Tröpfe, ein Brei

Von Henryk M. Broder

Und werde nur selten enttäuscht. Vorgestern zum Beispiel gab es im DLF kurz hintereinander gleich zwei Interviews, die das Adjektiv „relevant“ verdienen. Eines mit Norbert Röttgen, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, über den Friedensplan für den Nahen Osten von Donald Trump, und eines mit dem Berliner Lyriker Max Czollek über die Politik des Erinnerns anlässlich der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Schwer zu sagen, welches besser war. Mir haben beide gut gefallen. Ich schaue ja auch gerne im Dschungelcamp vorbei, weil ich „sprachlose Schwätzer“ mag, die von nix eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung haben.

Röttgen hatte bei den Landtagswahlen 2012 die CDU-NRW in die schwerste Niederlage ihrer Geschichte geführt, gab aber seinen Sitz im Bundestag nicht auf. Er machte es sich auf einem der hinteren Plätze bequem, nur um zwei Jahre später als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses reanimiert zu werden. Während der Auszeit hatte er, so heißt es auf Wikipedia, „die Außenpolitik zu seinem politischen Schwerpunkt“, also Steckenpferd, erklärt. Inzwischen ist er nicht nur Experte für Außenpolitik, er kennt sich auch im Völkerrecht aus. Weswegen er in dem Interview mit dem DLF sagte, der Trump-Plan werde „keinen Beitrag zum Frieden zwischen Israel und Palästina leisten“, „die völkerrechtliche Lage der besetzten Gebiete, der besiedelten Gebiete durch israelische Siedler in dem besetzten Gebiet“ sei „nach ganz überwiegender Meinung völkerrechtswidrig“.

Ja, die Basis ist die Grundlage des Fundaments und Logorrhoe ist etwas anderes als Diarrhoe, hört sich aber manchmal ähnlich an. 

Sehr schön ist auch die Passage, in der Röttgen von „Provokationen an die palästinensische Seite“ spricht. Da hat er recht. Die Serie der Provokationen begann mit der Gründung des Judenstaates im Herzen der arabischen Nation, sie wurde fortgesetzt mit einem halben Dutzend von Kriegen, die Israel schamlos zu seinen Gunsten entschied, und sie geht weiter mit der Weigerung der Israelis, das Rückkehrrecht von inzwischen über fünf Millionen „Flüchtlingen“ in ihre Heimat anzuerkennen. Kein Wunder, dass die Palästinenser sauer sind, so sauer, dass sie nicht einmal mitbekommen haben, dass sich die arabische Welt nicht mehr für sie interessiert. Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, ist freilich eine treue Seele und lässt seine Mündel nicht im Stich. 

Eine sado-lyrische Meisterleistung

Das zweite Int mit dem Berliner Lyriker Max Czollek war dagegen etwas komplexer, schon deswegen, weil er sich Quellen aneignete, ohne die Urheber zu nennen. Man nennt so etwas die „Methode Guttenberg“ oder einfach „Klauen“. Er tut so, als habe er die Begriffe „Gedächtnistheater“ und „die Wiedergutwerdung der Deutschen“ erfunden, dabei stammt der eine von Michal Bodemann und der andere von Eike Geisel. Im Gegenzug hält er sich strikt an die Regeln des Gender-Zwangs und unterscheidet nicht nur zwischen „Juden und Jüdinnen“, sonder auch zwischen „Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen“, eine sado-lyrische Meisterleitung. 

Zum Schluss fällt Czollek über Philipp Amthor her, der es gewagt hatte, ausgerechnet am 27. Januar, „am Tag der Erinnerung an eines der größten Menschheitsverbrechen, das jemals begangen wurde, von Deutschen, explizit von Deutschen zu sagen, Antisemitismus ist vor allem ein Problem des muslimischen Kulturkreises“. 

Ganz so hatte es Amthor nicht gesagt, da musste Czollek schon ein wenig nachhelfen, aber was Amthor gesagt hat, war richtig. „Klar ist auch, das darf man nicht vergessen, dass Antisemitismus natürlich vor allem in muslimisch geprägten Kulturkreisen besonders stark vertreten ist.“ Nur hätte er es nicht ausgerechnet am 27. Januar sagen sollen, dem Tag, an dem der „deutsche Sündenstolz“ (Hermann Lübbe) zur Höchstform aufläuft. Da mag man sein antisemitisches Erbe mit niemand teilen. 

Morgen mach ich wieder rüber nach Ostberlin. Mal hören, was der Deutschlandfunk so zu bieten hat. 

 

Erstveröffentlicht bei der Achse des Guten - Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung. / Foto: Norbert Rötgen


Autor: Henryk M. Broder:
Bild Quelle: Oliver Hallmann from Germany [CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)]


Freitag, 31 Januar 2020