Steinmeier in Israel - die diplomatische Blamage

Steinmeier in Israel - die diplomatische Blamage


Bundespräsident Frank Walter Steinmeier ist auf Staatsbesuch in Israel, um sich von seinem Amtskollegen Reuven Rivlin zu verabschieden.

Steinmeier in Israel - die diplomatische Blamage

Von Ulrich W. Sahm

„Mit der Reise bekräftigt und würdigt er die engen und einzigartigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel“, wie es so schön auf der offiziellen Seite des Bundespräsidenten heisst.

Nicht presseöffentlich

In seiner handverlesenen Delegation von 10 Persönlichkeiten befindet sich zu diesem Zweck der „Philosoph“ Omri Boehm, der das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat abstreitet und die Boykottbewegung BDS offen unterstützt. In Steinmeiers offiziellen Programm steht für den heutigen Freitag auch ein „Gespräch zu den Herausforderungen des jüdisch-arabischen Zusammenlebens“ im deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem. Als Journalisten interessierte uns das besonders. Doch vor dem Eingang des Hospizes stand nicht nur wie sonst eine freundliche Nonne, die uns kannte, und freundlich einladen wollte, sondern auch ein Vertreter des Bundeskriminalamtes mit dem Auftrag, allen im Vorfeld nicht ausdrücklich eingeladenen deutschen Journalisten den Zutritt zu verwehren und ihnen zu befehlen, sich etwa einen Kilometer weit von dem Gelände zu entfernen.

Rausschmiss mit Ansage

Am Tag davor hatte die Pressesprecherin der deutschen Botschaft, Margarete Jakob, auf Anfrage erklärt, dass die israelischen Gastgeber für den Einlass der Journalisten zuständig seien. Doch die israelische Seite wusste von nichts und ein Anruf im Hospiz machte klar, dass nur Presseleute eingelassen würden, die zuvor von der Botschaft eine Erlaubnis erhalten hatten. Da sich die Pressesprecherin der Botschaft strikt weigerte, den Termin im Hospiz zu bestätigen und diesen voll akkreditierten Journalisten auf die Liste zu setzen, gab es also auch keine Möglichkeit, den offiziellen Termin des Bundespräsidenten wahrzunehmen. Zusammen mit der Kollegin, die als akkreditierte Korrespondentin für die Jüdische Rundschau arbeitet, stand ich also nach knapp 6 Minuten auf der Strasse und ein deutscher Kriminalbeamter sorgte dafür, dass die Pressefreiheit erfolgreich behindert wurde.

Nach wenigen Minuten tauchte eine kleine Kolonne schwarzer Autos auf. Ein israelischer Securitymann schob uns im Auftrag des Deutschen noch 500 Meter weiter, so dass wir gerade noch ein Foto von der Limousine mit Begleitung machen konnten. Mehr Journalismus war nicht drin.

Früher war mehr Journalismus

Viele Jahrzehnte lang war es üblich, dass der Presseattaché der deutschen Botschaft die akkreditierten Journalisten über bedeutsame Ereignisse, darunter offizielle Besuche und Veranstaltungen der Botschaft im Voraus informierte. Man konnte sich dazu auf eine entsprechende Liste setzen lassen. Die so verschickten Programme erhielten auch vertrauliche Informationen wie Hintergrundgespräche mit Uhrzeit und Ortsangabe. Das alles fällt heutzutage flach. In den letzten beiden Jahren wurde zudem jegliche Bitte, doch wieder „auf die Liste“ zu kommen, im Vorfeld informiert zu werden, genaue Zeiten zu erfahren etc. abschlägig beschieden. Auch andere freie Journalisten berichten uns, dass sie von den Deutschen keinerlei Informationen mehr bekommen. Bei Anrufen in der Botschaft wird man dann nicht nur abgewimmelt, sondern bekommt auch ohne Ende zynische „Empfehlungen“, die eine Beleidigung jeglicher Intelligenz darstellen. Auf Empfehlung der Botschaft soll man sich z.B. heute die Twitter-Meldungen der Botschafterin Susanne Wasum-Rainer zu Gemüte führen, wo Termine jedoch stets nur im Nachhinein vermeldet werden, also auch wieder ohne Möglichkeit, sich anzumelden und eventuell teilzunehmen. Da die Pressestelle der Botschaft offenbar davon ausgeht, dass man als langjähriger Korrespondent in Israel vernetzt ist, wird man von deutscher Seite zudem aufgefordert, sich im Falle von offiziellen Besuchen aus Deutschland doch mit den israelischen Gastgebern in Verbindung zu setzen:„ Die wissen alles, die können Sie auch informieren.“ So als ob das Büro des israelischen Staatspräsidenten dafür zuständig wäre, den Deutschen die Arbeit abzunehmen, zu denen sie entweder nicht willens oder nicht fähig sind. Präsident Rivlin oder künftig auch Präsident Herzog als Laufburschen der deutschen Pressestelle – aber sonst geht’s noch?

Unter den jetzigen Umständen könnte die Stelle des Presseattaché an der deutschen Botschaft in Tel Aviv auch abgeschafft werden. Das würde den deutschen Steuerzahlern Geld sparen.

Unfähig oder bewusst ignorant?

Ein Sprichwort besagt sinngemäss, man solle nie von Bosheit ausgehen, wenn Dummheit als Erklärung völlig ausreicht. Ein Blick auf das Programm, das immerhin auf der offiziellen Seite des Bundespräsidenten steht, lässt beide Möglichkeiten offen. Der Eingangstext, der aus bekannten Textbausteinen geformt wurde, wird gekrönt von dem Satz, den jeder Deutschlehrer der Mittelstufe mit einem Fragezeichen versehen hätte: „Beide Staatsoberhäupter reisen dafür in den Süden Israels, wo sie in Sde Boker ein Institut für Wüstenforschung und das Grab Ben-Gurions und dessen Frau Paula besuchen.“ Sie besuchten also nicht das Grab Ben Gurions und seiner Frau, sondern sie besuchen 1. Das Grab Ben Gurions und 2. dessen Frau. Aber das sind sprachliche Stilfragen.

Viel übler ist die Tatsache, dass hier zusammen mit Steinmeier auch Omri Boehm auftritt, der sich unter Deutschlands „Israelkritikern“ bekanntlich mit der Behauptung beliebt machte: „Zionismus (sei) nicht vereinbar mit humanistischen Werten“ und dem selbst Israels linkeste Linke nicht links genug sind. Ohne staatlichen deutschen Schirm würde sich ein Omri Boehm wohl kaum freiwillig nach Israel begeben, da ihn hier kein Mensch mehr ernst nimmt. Angesichts der Tatsache, dass viele würdigere Vertreter der Zivilgesellschaft nicht eingeladen waren, ist sein  Auftritt ein diplomatischer Affront. 

10 mal „Anschliessend“ und der alternierende Präsident

Wer auf der Seite des deutschen Präsidialamtes konkrete Zeitangaben erwartet, überschätzt unsere Volksvertreter gewaltig. Wir sehen der Reihe nach: Mittwoch, 30. Juni 2021 „Abends, Anschliessend, Anschliessend.“ Dann: „Ansprache mit anschliessendem Empfang.“ Donnerstag, 1. Juli 2021: „Vormittags, Anschliessend.“ Dann erfolgt der einzige Termin des gesamten Besuches, der eine Zeitangabe enthält, zu dem es aber, wie geschildert, im Vorfeld keine Anmeldemöglichkeiten gab, „10.30 Uhr Gemeinsame Pressebegegnung.“ Dann geht es wieder weiter mit „Anschliessend, Anschliessend, Mittags, Anschliessend, Anschliessend, Nachmittags, Abends.“ Freitag, 2. Juli 2021 steht: „Vormittags, Jerusalem, Deutsches Hospiz St. Charles Jerusalem. Gespräch zu den Herausforderungen des jüdisch-arabischen Zusammenlebens.“ Dann geht es wieder weiter mit „Anschliessend, Anschliessend, Mittags, „Anschliessend Rückflug nach Berlin.“

Aber damit nicht genug. Am Donnerstagnachmittag war „Anschliessend“ ein Treffen mit dem „alternierenden Präsidenten des Staates Israel, Naftali Bennet“ angesagt. Diesen Titel gibt es nicht. Der scheidende Staatspräsident Rivlin hat einen ordentlich in der Knesset gewählten Nachfolger namens Jitzchak Herzog. Der im Programm genannte Naftali Bennett ist der alternierende Ministerpräsident, also Regierungschef und nicht „Präsident“. Das ist, als würde man Frau Merkel als alternierende Bundespräsident (*in) Deutschlands bezeichnen.

Ins schiefe Bild passt auch, dass Steinmeier anlässlich seines Staatsbesuches ausgerechnet der linken regierungskritischen Zeitung Haaretz ein Interview gewährt hat und dieser Text auch ausdrücklich auf Steinmeiers offiziellen Seite verlinkt und empfohlen wird. Das ist, als würde ein Staatsgast in Deutschland bei seinem Besuch nur der TAZ ein Interview gewähren, um so seine „Nähe“ zu Deutschlands Mitte zu demonstrieren.

 

Erstveröffentlicht bei Audiatur Online


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Bodow, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons


Samstag, 10 Juli 2021

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