„Ein Denkmal und ein Name“: Die Geschichte des Holocaust-Museums Yad Vashem

„Ein Denkmal und ein Name“: Die Geschichte des Holocaust-Museums Yad Vashem


Zu Angela Merkels letzter Reise nach Israel als deutsche Bundeskanzlerin gehörten Besuche einer Reihe wichtiger Stätten. Das möglicherweise wichtigste Ziel auf ihrem zweitätigen Reiseplan war Yad Vashem – Das Welt-Gedenkzentrum für den Holocaust in Jerusalem.

„Ein Denkmal und ein Name“: Die Geschichte des Holocaust-Museums Yad Vashem

Von Ruby Kwartz, HonestReporting

Die deutsche Leiterin hat Reue wegen des Nazi-Völkermords an rund sechs Millionen Juden während des Zweiten Weltkriegs zum Ausdruck gebracht, insbesondere 2008 bei ihrer Rede vor der Knesset, dem israelischen Parlament. Während dieser Rede erklärte Merkel: „Die Schoah [Holocaust] erfüllt uns Deutsche mit Scham. Ich verbeuge mich vor den Opfern. Ich verbeuge mich vor allen, die den Überlebenden halfen.“

Merkels Besuch beim Denkmal, das für jede politische Führungsperson der Welt ins Protokoll gehört, der nach Israel kommt, dient als Erinnerung an die Bedeutung von Yad Vashem – für Juden genauso wie für Nichtjuden.

Buch Jesaja Kapitel 56, Vers 5: Wurzeln von Yad Vashem

Die Idee Yad Vashem als Gedenkstätte für die im Zweiten Weltkrieg ermordeten Juden in Israel zu gründen zu gründen wurde erstmals bei einem Treffen des Jüdischen Nationalfonds im September 1942 vorgestellt. Die Diskussion wurde von frühen Berichten angestoßen, dass Juden in von den Nazis besetzten Ländern verfolgt und unterdrückt werden. Damals waren sich die Teilnehmer des Treffens des ganzen Ausmaßes der in Europa ablaufenden Schrecken nicht voll bewusst.

Nach dem Krieg wurde 1945 der Plan für eine Holocaust-Gedenkstätte erneut bei einem Treffen in London diskutiert, das einen provisorischen Vorstand aus zionistischen Führungskräften einrichtete. Im Februar 1946 eröffnete Yad Vashem seinen Hauptsitz in Jerusalem, dazu ein Büro in Tel Aviv.

Das „Yad Vashem-Gesetz“ wurde von der Knesset 1953 einstimmig verabschiedet, fünf Jahre nach der Gründung des Staates Israel. Es bildete die Behörde für das Gedenken an die Holocaust-Märtyrer und -Helden und gründete Yad Vashem als Weltzentrum für das Holocaust-Gedenken.

Das Gesetz betraute Yad Vashem mit der Verantwortung des Gedenkens, der Dokumentation, Forschung und Bildung zum Holocaust, wobei sich besonders auf die Erinnerung der Menschen, Familien und Orte konzentriert wird, die während des Kriegs verloren gingen.

Das Gesamtziel bestand darin sicherzustellen, dass die Umgekommenen nicht vergessen werden.

Der Name Yad Vashem, der übersetzt „ein Denkmal und ein Name“ bedeutet, wurde einem Bibelvers im Buch Jesaja (56,5) entnommen: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals ausgetilgt wird.“ Dieser Vers umfasst den Auftrag von Yad Vashem als Institution; der darin besteht den Opfern der Schoah zu gedenken und die Erinnerung an sie zu bewahren. Zusammen mit diesen Zielen schuf Yad Vashem eine „Halle der Namen“,  um die Namen aller Opfer des Holocaust aufzuzeichnen, damit ihre Leben niemals aus der Erinnerung gelöscht werden können.

„Den Einzelnen in die Augen blicken“: Museum der Geschichte des Holocaust

Das Museum der Geschichte des Holocaust ist das zentrale Element des 45 Morgen Grundstücks von Yad Vashem auf dem Har HaZicharon (Berg der Erinnerung). Das Museum wurde von dem prominenten israelischen Architekten Mosche Safdie entworfen und 2005 nach zwei Jahrzehnten Planung und Bau eröffnet.

Das Museum der Geschichte des Holocaust ist entlang eines langen Korridors angelegt und enthält zehn Ausstellungsräume, die sich chronologisch vom Anfang des Aufstiegs der Nazis an die Macht in Deutschland bis zur Befreiung der Todeslager und den Folgen des Kriegs fortbewegt; am Ende befindet man sich in der Halle der Namen. Jeder Raum enthält zahlreiche Artefakte, darunter persönliche Besitztümer, politische Propaganda und Zeugenaussagen.

Avner Shalev, der ehemalige langjährige Vorstand des Museums, wollte, dass die neue Ausstellung sich weniger als Darstellung einer Reihe von Ereignissen anfühlt, sonder mehr so, als würden die Besucher „den Einzelnen in die Augen blicken“.

Triumph über den schlimmsten Völkermord der Menschheitsgeschichte

Foto: Dennis Jarvis: Israel-06258 – Yad Vashem

Architekt Safdie ermutigt nicht zu einer einzigen Interpretation dessen, was der Aufbau des Museums symbolisiert, drängt die Menschen stattdessen dazu ihre eigene Bedeutung aufgrund dessen abzuleiten, was es ihnen persönlich sagt.

Aber der 180 Meter lange, dreieckige Tunnel der eng und dunkel beginnt und dann im Verlauf des Ausstellungsfortschritts allmählich weiter und heller wird – Ergebnis der Prismen-Oberlichter, die über die ganze Länge des Museums verlaufen – ruft Gefühle der Hoffnung auf Überleben des jüdischen Volks und des Triumphs über den schlimmsten Völkermord der modernen Menschheitsgeschichte hervor.

Die Tatsache, dass der Ausgang des Museums zu einem beeindruckenden Blick auf Jerusalem führt, wird von vielen ebenfalls als Verkörperung der Zukunft des jüdischen Volks gesehen, zusammen mit der Idee, dass die Existenz eines jüdischen Staats verhindern wird, dass solche Gräueltaten noch einmal geschehen.

Undendliche Zahl an Lichtern: das Kinder-Denkmal

Das Kinder–Denkmal ist eine weitere aufrüttelnde Ausstellung, ebenfalls von Safdie entworfen. Eine kurze Fußstrecke vom Hauptgebäude des Museums ist das Kinder-Denkmal aus einer unterirdischen Höhle gehauen worden, was Dunkelheit und Still verleiht. Der einzige Inhalt in dem Denkmal ist eine einzelne Kerze in der Mitte des Raumes. Es fällt auf, dass die Vielzahl der Spiegel, die die Wände säumen, den Anschein von einer unendlichen Zahl an Lichtern erweckt, was die 1,5 Millionen jüdischen Kindern symbolisiert, die im Holocaust ermordet wurden.

Zusätzlich zur visuellen Darstellung hören die Besucher einen subtilen Unterton düsterer Musik neben einer Tonaufzeichnung, die die Namen, das Alter und Herkunftsland jüdischer Kinder vorliest, die während des Krieges verloren gingen.

Das Kinder-Denkmal wurde von den Holocaust-Überlebenden Abe und Edita Spiegel vorgeschlagen und finanziert, deren zweieinhalb Jahre alter Sohn Uziel im KZ Auschwitz ermordet wurde. Ein Steinporträt Uziels steht am Eingang zur Denkmalshöhle, geformt nach dem einzig erhaltenen Bild, das die Spiegels von ihrem Sohn hatten.

Eine Zeit für Gebet: Die Synagoge von Yad Vashem

Die Synagoge von Yad Vashem fungiert als Ort, an dem Menschen entweder privat beten können, um die zu betrauern, die verloren gingen oder um an einem traditionellen jüdischen Gottesdienst teilzunehmen. Ein prägendes Merkmal der Synagoge besteht darin, dass sie 31 verschiedene Judaika beinhaltet, die erhalten und aus Europa hergebracht wurden, darunter vier Thora-Bögen. Anders als die weit überwiegende Mehrheit der Judaika aus Synagogen und Häusern in ganz Europa wurden diese Dinge nicht zerstört. Damit dienen sie als Erinnerung an den „außergewöhnlichen Überlebenswillen des jüdischen Volks, sich zu erinnern und wieder aufzubauen“, so die Worte des früheren Museumsvorsitzenden Shalev.

Mehr als 27.000 Gerechte unter den Völkern

Als Teil des Yad Vashem-Gesetzes von 1953 hat das Museum die Pflicht die Nichtjuden zu ehren, die ihr Leben riskierten, um Juden zu ermöglichen der Verfolgung durch die Nazis zu entkommen. Diese Menschen sind als Gerechte unter den Völkern bekannt und mehr als 27.000 wurden von Yad Vashem als solche anerkannt.

Ihrer wird in Yad Vashem mit Bäumen gedacht, von denen jeder einer Person oder Organisation gewidmet ist, die Juden half den Holocaust zu überleben. Die Bäume wurden rund um den Museumskomplex gepflanzt. Einige Namen sind auch in die Ehrenmauer im Garten der Gerechten unter den Völkern eingraviert. Ihre Namen stehen zudem in der Enzyklopädie der Gerechten unter den Völkern zur Verfügung, zu denen auch mehrfache Ehrungen für verschiedene Gruppen von Menschen gehören, die ihre Sicherheit und Freiheit  opferten, um anderen zu helfen zu überleben.

Dokumentation der Schoah: Das Archiv von Yad Vashem

Das Archiv von Yad Vashem ist die größte Sammlung an Dokumenten und Artefakten aus der Schoah. Wegen der fortgesetzten Bemühungen von Historikern und Archivaren nimmt die Menge an erworbenen Informationen über das Leben von  Juden, die die Nazis zu überleben, ständig zu.

Das Archiv beherbergt Millionen Artefakte aus dem Holocaust, darunter Dokumente, Fotografien, schriftliche Zeugenaussagen und physische Gegenstände. Zusammen haben diese zu einem besseren Verständnis der verschiedenen Wege geführt, über die Menschen versucht haben den Holocaust zu überleben. Das Archiv erlaubt es auch, der Umgekommenen angemessen zu gedenken.

Ein beträchtlicher Teil des Archivs ist digitalisiert worden und für die Öffentlichkeit frei online zugänglich.

4.800.000 Namen

Eine der Kernaufgaben von Yad Vashem – der Namen jedes einzelnen Opfers des Holocaust zu gedenken – manifestiert sich in der Gründung der Zentralen Datenbank der Namen der Opfer der Schoah. Sie enthält mehr als 4.800.000 Namen, von denen viele als Ergebnis von Zeugenaussagen offenbart wurden, die von Freunden und Familien der Opfer eingereicht wurden.

Die Namen werden im letzten Raum des Museums gezeigt, der als Halle der Namen bekannt ist, dem wohl bewegendsten Teil des Museums. Die Decke der Halle bildet ein 10 Meter hoher Kegel, der sich dem Himmel entgegenstreckt und mehr als 600 Bilder und Fragmente von Dokumenten zeigt, die mit den Opfern des Holocaust in Verbindung stehen. Als Ergebnis wird die Darstellung im Wasserbecken gespiegelt, was eine Atmosphäre der Besinnung und Trauer um die Menschen  schafft, deren Namen nie gefunden werden und die nicht persönlich in das Mahnmal integriert werden können.

Die Seiten mit den Zeugenaussagen, die Informationen zu jedem Opfer der Schoah bieten, säumen die Wände auf einer Reihe Regale, von denen einige in der Hoffnung ergreifend leer geblieben sind, dass weitere Namen entdeckt und der Datenbank hinzugefügt werden. Auf diese Weise wird eines Tages eines jeden Opfers gedacht werden.

Nie wieder

Die Institution Yad Vashem betreibt die Internationale Schule für Holocaust-Studien, um sicherzustellen, dass die Menschen überall auf der Welt, Juden wie Nichtjuden, eine umfassende Bildung zur Schoah erhalten können. Yad Vashem ist das Heim für das Lerncenter der Schule, das es Besuchern ermöglicht interaktiv verschiedene historische Themen und die moralischen Fragen zu erforschen, die der Holocaust aufwirft.

Seit der Gründung von Yad Vashem hat es bahnbrechende Arbeit zum Gedenken an die Opfer des Holocaust geleistet, wobei es sicherstellte, dass solche Tragödien niemals vergessen oder bagatellisiert werden. Yad Vashem steht an vorderster Front von Holocaust-Gedenken und -Bildung und repräsentiert die Kraft des jüdischen Volks die schlimmsten vorstellbaren Umstände zu überleben, während es geeint und hoffnungsvoll in die Zukunft sieht.

 

Übersetzt von Heplev


Autor: Heplev
Bild Quelle: David Shankbone, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons


Freitag, 12 November 2021

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