Der lange Jihad gegen Syriens Christen

Der lange Jihad gegen Syriens Christen


„Eine Aussöhnung mit diesen Muslimen, die eines Tages aufwachen und dir einfach das Wenige wegnehmen, das du hast – niemals!“, verkündete der katholische französische Entwicklungshelfer Alexandre Goodarzy gegenüber seiner zukünftigen syrisch-christlichen Ehefrau.

Der lange Jihad gegen Syriens Christen

Solche Erfahrungen mit syrischen Christen in seinen frisch [ins Englische] übersetzten Memoiren „Kidnapped in Iraq: A Christian Humanitarian Tells His Story“ [Im Irak entführt: Ein christlicher Humanist erzählt seine Geschichte] weisen auf die Jahrhunderte der Unterdrückung hin, die die unter muslimischer Herrschaft im Nahen Osten lebenden Christen erlebt haben.

Wie früher schon diskutiert, dienen Goodarzys Jahre der Erfahrungen in Syrien und dem weiteren Nahen Osten für SOS Chretiéns d’Orient dafür jegliche Naivität bezüglich eines demokratischen „arabischen Frühlings zu widerlegen, die aus den Aufständen im Nahen Osten ab 2011 entstand. Nicht moderate Demokraten, sondern Jihadisten dominierten die Rebellion gegen Syriens brutalen Dikator Baschar al-Assad, sagte ein Mitglied der christlichen Minderheit Syriens gegenüber Goodarzy. Entsprechend gilt: „Wenn sie gewinnen, werden sie versuchen jedem einzelnen von uns ‚Übertritte‘ und die Moschee aufzuzwingen.“

Syriens alawitische Minderheit, ein Ableger des schiitischen Islam, von vielen der sunnitischen Mehrheit in Syrien und dem weiteren Nahen Osten als ketzerisch betrachtet, bildeten die innenpolitische Basis von Assads Regime. Sunnitisch-jihadistische Wut zielte daher sowohl auf Alawiten als auch auf Christen, hielt Goodarzy fest.

Wenn die Muslime freitags ihre Moscheen verließen, riefen manche durch Megafone: „Alawiten ins Grab und Christen nach Beirut!“ Und dann: „Vergrößert die Gräber der Alawiten – werft die Christen mit rein!“

Nicodemus Daoud Sharaf, der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Mossul, deutete 2017 bei einer Vortragreise in Frankreich an, dass viele Muslime im Nahen Osten solche Gefühle teilen. Als Daoud die Eroberung Mossuls durch den Islamischen Staat 2014 auf einer Konferenz diskutierte, fragte ihn ein Teilnehmer, „ob irgendwelche Muslime ihm und seinen Mitchristen während des Krieges geholfen haben“, hält Goodarzy fest. Daouds „direkte Antwort brachte das gesamte Publikum zum Lachen“, erinnert sich Goodarzy:

„Ja! Diejenigen, die den Koran nicht gelesen hatten.“ Womit die Schlussfolgerung natürlich lautet, dass „gut informierte“ Muslime, deren Loyalitäten nicht gemäßigt oder im Zaum gehalten werden, an sich dem Christentum feindlich gegenüberstehen.

Ein Christ in Maaloula (Syrien) erklärte Goodarzy, wie Christen sich an den Konflikt zwischen Muslimen in der Region gewöhnt haben. Nachdem der Bürgerkrieg Syrien 2011 auseinanderbrach, wollten lokale Christen „nicht darin verwickelt werden und wir hielten uns so lange wie möglich raus“, erklärte der Christ. Denn Christen, die unter rivalisierenden nahöstlich-muslimischen Gruppen leben „sind es nach Jahrhunderten von deren Konflikten schlicht leid  ins Kreuzfeuer dieser endlosen Konfrontationen zwischen Muslime und anderen Muslimen zu geraten.“

Derartiger Konflikt und Unterdrückung haben im Lauf der Zeit ihre Opfer von einer christlichen Gemeinschaft gefordert, die in der Levante einst die Mehrheit gestellt hatte. Vor den islamischen Eroberungen im siebten Jahrhundert war „Syrien das ultimative christliche Land gewesen. Saulus, der Christenverfolger und zukünftige Heilige Paulus, wurde auf der Straße nach Damaskus von Christi Gnade berührt“, schreibt Goodarzy. In Antiochia „wurde die erste Kirche gebaut und hier entstand der Name Christen“.

Dann kamen eine Reihe muslimischer Herrscher, die die Christen als Dhimmis mit Lasten wie der Kopfsteuer Jizya unterjochten. „Jede christliche Generation fand unter den Muslimen Frieden nur in einer eventuell vorhandenen Flaute, die den militärischen Zusammenstößen eines jeden neuen Reichs oder Kalifats folgten“, schreibt Goodarzy. Die Jizya

sollte immer schwerer werden, was die Christen schließlich zwang sich zum Islam zu bekehren oder ins Exil zu gehen. Wie die Jahrhunderte vergingen, sollte jede neue muslimische Eroberung die Übertritte von Ländern zum Islam intensivieren. Proportional machten wahre Christen sich mit abnehmenden Zahlen, Dhimmitum, Sklaverei, Verfolgungen und Märtyrertum vertraut.

Diese ständige Löschung des Christentums stellt jedoch für die Muslime der Region auf viele Weisen eine selbst zugefügte Wunde dar. „Unsere Gesellschaft braucht Christen“, erklärte im September 2016 Jean-Clément Jeanbart, der Erzbischof von Aleppo in der melkitisch-griechisch-orthodoxen Kirche, merkt Goodarzy an. Christen „arbeiten selbstlos daran, dass die Leute in Harmonie leben, einander akzeptieren. Hier sind Christen oft führend gewesen, besonders in der Medizin, den Naturwissenschaften und Stadtplanung“, sagte Jeanbart. Ein weiterer syrisch-orthodoxer Priester erklärte Goodarzy, wie grob vereinfachend Behauptungen aus einem mittelalterlichen muslimischen Zeitalter sind. „Unser Volk brachte den erobernden Arabern Wissen und Literatur, die zu einem goldenen Zeitalter führten, aber sie haben sich diesen Beitrag zur Zivilisation selbst gutgeschrieben“, sagte der Priester.

Dieser langjährige christliche Überlebenskampf in Syrien und dem weiteren Nahen Osten macht die realpolitische Allianz verständlich, die es oft zwischen Christen und Diktatoren wie der Dynastie Assad gegeben hat. Wie der nächste Artikel in dieser Serie untersuchen wird, sind Diktatoren, so berüchtigt sie auch sind, zumindest für Christen und andere Minderheiten, oft das geringste politische Übel in der Region.

übersetzt von heplev


Autor: heplev
Bild Quelle: Screenshot


Donnerstag, 18 August 2022

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