Yoni Ben Menachem
Am 30. Januar sollen israelische Drohnen iranische Konvois angegriffen haben, die moderne Waffen aus dem Iran nach Syrien transportierten. Insgesamt wurden Anfang Februar drei Angriffe durchgeführt, bei denen Lastwagen mit Waffen zerstört wurden, wobei elf Menschen starben.
Zur selben Zeit soll der israelische Geheimdienst Mossad einen Militärkomplex im Zentrum der Stadt Isfahan angegriffen haben, in dem Raketen und Drohnen hergestellt und entwickelt werden. Dabei wurden nach Angaben des iranischen Verteidigungsministeriums Quadrocopter-Drohnen kurzer Reichweite, sogenannte Micro Aerial Vehicles (MAVs), verwendet, die mit Sprengstoff bestückt waren.
Der Iran ist wütend …
Amerikanischen und israelischen Quellen zufolge war die Operation erfolgreich und rief den Zorn der Iraner hervor, während zur gleichen Zeit die USA über Katar eine Botschaft an den Iran sandten, um ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Atomabkommen zu bekunden. Israel schweigt unterdessen und hat die Angriffe weder bestätigt noch dementiert. Der Iran wurde in der Öffentlichkeit gedemütigt, die israelischen Angriffe international ausführlich behandelt, und die Welt glaubte nicht an die iranische Behauptung, der Angriff sei vereitelt worden und der Schaden minimal gewesen.
Es scheint, dass das israelische Verteidigungsestablishment das Ziel sorgfältig ausgewählt hat, handelt es sich dabei doch um ein Militärgelände und nicht um eine Nuklearanlage. Das deutet darauf hin, dass Israel auch die konventionellen Fähigkeiten des Irans im Bereich der Raketen- und Drohnentechnik fürchtet und nicht nur seine nuklearen Fähigkeiten.
Der Angriff auf das Militärgelände in Isfahan erfolgte spät in der Nacht. Israel hatte also nicht die Absicht, das Leben iranischer Wissenschaftler oder hoher Offiziere der Revolutionsgarden zu gefährden. Der Einsatz von Quadrocopter-Drohnen mit kurzer Reichweite lässt vermuten, dass sie in der Nähe des Geländes gestartet wurden.
Israel befürchtet auch, dass der Iran Hyperschallraketen entwickeln wird, die derzeit in den Arsenalen Russlands, Chinas und Nordkoreas, mit denen der Iran enge Beziehungen unterhält, vorhanden sind. Hyperschallraketen fliegen mit Mach-5, dem Fünffachen der Schallgeschwindigkeit, ihre Flugbahn ist niedrig und damit schwer vorhersehbar, weswegen sie nach Ansicht von Experten eine Bedrohung für Israels Luftverteidigungssystem darstellen könnten. Israel arbeitet daran, dieser Bedrohung mit einer neuen antiballistischen Arrow-4-Rakete und mit einem Hochenergielaser zu begegnen.
Iranische Quellen erklären, die Vereinigten Staaten und Israel würden eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Methode anwenden: Israel benutze die Peitsche an und schlage auf den Iran ein, während die Vereinigten Staaten das Zuckerbrot einsetzten und den Wunsch zeigten, mit dem Iran zu verhandeln.
… und besorgt
Aus iranischen Quellen wird verlautbart, die Reaktion der Islamischen Republik auf die israelischen Angriffe sei nur eine Frage der Zeit. Der Iran habe Geduld, und jeder israelische Angriff werde im iranischen Logbuch vermerkt.
In den vergangenen zwei Jahren hat der Iran nach den israelischen Angriffen auf die Anlagen in Karaj und Kermanshah seine Luftabwehrsysteme verstärkt und einige seiner Militärfabriken in geschützte Gebäude verlegt. Es wird vermutet, der Oberste Führer Ali Khamenei habe die Revolutionsgarden bereits angewiesen, die iranische Antwort auf die israelischen Angriffe vorzubereiten, und dass die Vorbereitungen dafür bereits im Gange seien, aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden.
Dies sind einige der Szenarien für eine iranische Reaktion:
- Angriffe auf israelische und jüdische Ziele im Ausland;
- Abschuss von präzisionsgelenkten Raketen und Drohnen von iranischem Territorium aus auf israelische Ziele auf See (z. B. Gasbohrinseln im Mittelmeer) und an Land;
- Raketen- oder Drohnenangriff auf Ziele in der irakischen Region Kurdistan, von der die Iraner behaupten, dass hier eine Basis des israelischen Mossad operiere;
- Abschuss von Raketen und Drohnen durch pro-iranische Milizen im Irak, Libanon, Syrien und Jemen auf israelische Ziele.
In einer beispiellosen Machtdemonstration haben die amerikanischen und israelischen Streitkräfte im Januar die Militärübung »Juniper Oak gestartet, in deren Rahmen Schiffe, Flugzeuge, Artillerie und Cyberwaffen eingesetzt wurden.
Der Iran ist auch besorgt über die Besuche hoher amerikanischer Regierungsvertreter in Israel in letzter Zeit: Jake Sullivan, Nationaler Sicherheitsberater der USA, William Burns, Leiter der CIA, Außenminister Antony Blinken. Außerdem wird erwartet, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Joe Biden im nächsten Monat in Washington zusammentreffen werden.
Nach iranischer Einschätzung deutet all das auf eine israelisch-amerikanische militärische Koordinierung hin, sodass eine Eskalation der israelischen Militäraktivitäten gegen den Iran zu erwarten ist, auf die sich der Iran entsprechend vorbereiten sollte.
Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)