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Die asymmetrische Seekriegsführung der Huthi

Die asymmetrische Seekriegsführung der Huthi


Bislang hält die Huthi-Führung im Jemen nicht nur an der derzeitigen Kampagne gegen die internationale Schifffahrt fest, sondern droht auch mit einer Ausweitung ihres Umfangs.

 Die asymmetrische Seekriegsführung der Huthi

Shlomo Gueta

Während der von der Hamas am 7. Oktober 2023 begonnene Krieg Israel und sein Verteidigungsestablishment überraschte, kann man dasselbe von den Raketenangriffen des Huthi-Regimes im Jemen auf die Schifffahrt im Roten Meer nicht sagen. Seitdem die schiitische Miliz im Jahr 2014 die Kontrolle über die jemenitische Hauptstadt Sanaa übernommen hat, haben israelische Analysten davor gewarnt, dass sich deren Raketen gegen Israel und seine Verbündeten richten würden – ganz im Sinne des Slogans »Allahu Akbar, Tod für Amerika, Tod für Israel, Fluch über die Juden, Sieg für den Islam« auf der Huthi-Flagge.

Bereits 2017 warnten ägyptische Beobachter davor, dass die den Huthi vom Iran zur Verfügung gestellten Raketen, den Verkehr im Suezkanal bedrohen könnten, was auch tatsächlich eingetreten ist, und zwar mit schwerwiegenden Folgen für die ägyptische Wirtschaft. Kurzum, die maritime Kampagne der Huthi war keine Überraschung.

Aufstieg der Huthi

Die Huthi-Bewegung, die nach dem Clan ihres Gründers benannt ist, entstand in den frühen 1990er Jahren. Im Jahr 2004 begann die Bewegung eine Rebellion gegen die jemenitische Zentralregierung, der sie unter anderem eine zu große Nähe zu den Vereinigten Staaten (und Israel) vorwarf. Nach einer Reihe von Kämpfen kontrollierten die Milizen bis zum Jahr 2009 den Nordwesten des Landes und übernahmen 2014 die Hauptstadt, später auch den wichtigen Hafen Hodeïda und große Teile der Küstenebene am Roten Meer.

Dies führte zur Bildung einer arabischen Koalition, die unter der Führung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten die international anerkannte Regierung unterstützen und die Huthi besiegen sollte.

Während des Bürgerkriegs begannen die rebellierenden Milizen, Schiffe im Roten Meer anzugreifen. Dabei setzten sie Minen, mit explosivem Material bestückte Boote (von denen eines 2017 in einen benachbarten saudischen Hafen eindrang), Land-See-Raketen und Drohnen ein. Gegen Ende 2016 schossen sie Raketen auf amerikanische Marineschiffe im Roten Meer ab. Die damalige US-Regierung unter Barack Obama begnügte sich mit einer weitgehend symbolischen Reaktion, indem sie einige Marschflugkörper auf Radaranlagen in von den Huthi kontrollierten Gebieten abfeuerte.

Der Iran wiederum liefert Raketen, mit denen Ziele in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angegriffen werden, bildet gemeinsam mit der libanesischen Hisbollah die Huthi-Kämpfer aus und gibt ihnen operative Anleitungen. Seit 2016 hat der Iran unter dem kommerziellen Deckmantel der Islamic Republic of Iran Shipping Line Group das Führungs- und Aufklärungsschiff Saviz im Roten Meer positioniert.

Als dieses iranische Schiff im April 2021 durch eine Haftmine beschädigt (kein Land hat dafür die Verantwortung übernommen) und zurück in den Iran geschleppt wurde, wurde es durch das Spionageschiff Beshahd ersetzt, das Anfang Januar 2024 das Rote Meer verließ und seinen Standort in den Golf von Aden verlegte, bevor die Amerikaner am 12. Januar mit Angriffen auf Ziele der Huthi begannen.

[Zwischenzeitlich berichtete Bloomberg, dass das Spionageschiff der IRGC, das wieder in einem iranischen Hafen angelegt habe. Die vom Iran als »Nachrichtendienst- und Logistikschiff« bezeichnete Behshad verließ Anfang April ihre Position in der Nähe der jemenitischen Küste und soll dem Bericht zufolge Mitte April den Hafen von Bandar Abbas im Persischen Golf erreicht haben. Anfang dieses Jahres ergab eine Analyse von NBC News und Meeresexperten, dass die Behshad in den vergangenen Monaten nur wenige Meilen entfernt war, wenn die vom Huthi-Milizen Handelsschiffe angriffen.]

Darüber hinaus entsendet die iranische Marine gelegentlich Einsatzgruppen – in der Regel eine Fregatte mit einem oder zwei Hilfsschiffen –, um im Golf von Aden und im Roten Meer Präsenz zu zeigen.

Die Huthi agieren als Verbündete des Irans, aber nicht immer als gehorsame Stellvertreter. So schlossen sie beispielsweise im April 2022 unter Vermittlung der Vereinten Nationen ein loses Waffenstillstandsabkommen mit der gegnerischen arabischen Koalition. Sowohl die Bürgerkriegsjahre als auch die darauffolgende Flaute nach Mitte 2022 boten den Huthi Gelegenheit, ihre militärischen Kapazitäten und Fähigkeiten in Bezug auf Truppenaufstockung und Kampfbereitschaft zu verbessern. Bei einer großen Parade in Sanaa im September vorigen Jahres präsentierte die Gruppe eine Reihe moderner Waffen, darunter ballistische Raketen und Marschflugkörper, Drohnen und UAV, mit Sprengstoff bestükte Kamikaze-Boote und Seeminen.

Insgesamt hat das Huthi-Regime eine Streitmacht von 250.000 Mann mobilisiert. Seine Marine, der es an Raketenbooten und großen Schiffen mangelt, ahmt die Methoden der asymmetrischen Kriegsführung des Korps der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) auf See nach.

Bewertung des bisherigen Schadens

Nach der Hamas-Offensive vom 7. Oktober drohten die Huthi mit einer Intervention, falls Israel seine Operationen im Gazastreifen nicht beende. Auf diese Drohungen folgten am 19. Oktober Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen, die auf den israelischen Hafen Eilat am Roten Meer, Israels Tor nach Ostasien, abgefeuert wurden. Die Regierung in Sanaa drohte damit, weitere Kämpfe im Gazastreifen würden zu Angriffen auf israelische Schiffe im Roten Meer führen.

Am 19. November landete ein Huthi-Kommandoteam mit einem Hubschrauber auf einem Schiff, das sie vermutlich für ein israelisches hielten: den Fahrzeuge transportierenden Frachter Galaxy Leader (der in Wirklichkeit zu einem japanischen Unternehmen zählt, das wiederum teilweise einem Israeli gehört). Sie entführten das nach Indien fahrenden Frachtschiff, hielten die Besatzung fest und zwangen das Schiff in den Hafen von Hodeïda, wo es zu einer Propagandarequisite und lokalen Touristenattraktion umfunktioniert wurde.

Der Überfall auf die Galaxy Leader war der Startschuss für die intensiven Aktivitäten der Huthi im südlichen Roten Meer und im Golf von Aden gegen Schiffe, die angeblich mit Israel in Verbindung stehen oder Besitz von Israelis sind (in den meisten Fällen handelt es sich um falsche Behauptungen) beziehungsweise sich auf dem Weg nach oder von Israel befinden. Als die USA und das Vereinigte Königreich am 12. Januar begannen, Ziele der Huthi anzugreifen, wurden auch Schiffe, die mit beiden Ländern in Verbindung stehen, für Angriffe freigegeben.

Am 17. Januar stuften die Vereinigten Staaten die Huthi erneut als terroristische Organisation ein. Bis März wurden mehr als siebzig Angriffe der schiitischen Miliz auf Handels- und Militärschiffe der amerikanischen und britischen Marine registriert.

Die Huthi wenden eine Überwältigungstaktik mit Sättigungsangriffen an, bei der sie eine große Anzahl von Drohnen gleichzeitig abschießen. Auf der Grundlage iranischer Fähigkeiten, die offenbar von China und Nordkorea erworben wurden, setzen sie zunehmend hochentwickelte ballistische Anti-Schiffs-Raketen ein, die mit einem elektrooptischen Sensor ausgestattet sein, der »sein Auge öffnen« und zielen kann, sobald er sich in Reichweite des anzugreifenden Schiffs befindet. Auch zu maritimen ballistischen Raketen umgewandelte Luftabwehrraketen werden eingesetzt – bisher mit begrenzter Wirkung.

In den meisten Fällen war der Schaden begrenzt. Schiffe wie die Zografia (maltesische Flagge, griechischer Eigner) und die Genco Picardy (Flagge der Marshallinseln, US-Eigner), die beide Mitte Januar getroffen wurden, konnten ihre Fahrt fortsetzen. In mehreren Fällen musste die Schiffe jedoch evakuiert und aufgegeben werden: Der der am 28. Februar getroffene Frachter Ruby Mar(Flagge von Belize, britischer Besitz) wurde außer Gefecht gesetzt, evakuiert und sank schließlich.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen hielten bislang ebenfalls sich in Grenzen. Reedereien und Eigentümer von Handelsschiffen haben beschlossen, die Passage durch die Straße von Bab al-Mandeb zu meiden und stattdessen Afrika zu umfahren. Dadurch verlängert sich die Fahrtzeit von Singapur nach Rotterdam um zehn Tage von sechsundzwanzig auf sechsunddreißig, was vor allem Auswirkungen auf den Suezkanal und damit auf die ägyptische Wirtschaft hat; kaum jedoch auf die Transportkosten und damit auf die weltweite Inflation.

Mehrere Seestreitkräfte der freien Welt, neben amerikanischen und britischen auch französische, deutsche und indische Schiffe, haben sich an Verteidigungseinsätzen beteiligt; doch nur die USA und das Großbritannien haben Ziele der Huthi angegriffen, um deren waffentechnische Kapazitäten zu minimieren. Ende März schätzte der Leiter des US-Zentralkommandos der Luftwaffe, Generalleutnant Alexus Grynkewich, dass sich das sich die Dichte der Huthi-Angriffe verringere, weil ihre Vorräte an Drohnen und Land-See-Raketen durch die anhaltenden Angriffe der Alliierten auf ihre Stützpunkte schwinden.

Anhaltende Angriffe

Trotz gelegentlicher Aufgriffe auf die Transporte durch westliche Seestreitkräfte gelangen iranische Waffen weiterhin in den Jemen, und zwar an Bord von Dhaus, traditionellen Fischereisegelschiffen, die im Golf von Oman und im Arabischen Meer verkehren. Dabei werden die Waffen erst vom Iran in den Oman verschifft, um von dort weiter in den Jemen geschmuggelt zu werden. Eine solche Dhau wurde am 11. Januar von der US-Marine aufgegriffen. Im Januar berichteten britische Quellen, dass zweihundert Elitesoldaten der Huthi an der Khamenei-Akademie am Kaspischen Meer ein spezielles Seetraining absolviert hätten.

Es gibt zwar unbestätigte, aber sich hartnäckig haltende Berichte über Bemühungen der USA, durch omanische Vermittlung ein Abkommen mit dem Iran – oder direkt mit den Huthi – zu schließen, um die Rebellen zu zügeln und ihnen im Gegenzug für eine Beendigung ihrer Angriffe und Kaperungen anzubieten, sie wieder von der Terrorliste zu streichen. Bislang hält die Huthi-Führung aber nicht nur an ihrer derzeitigen Strategie fest, sondern droht auch damit, sie auf den Indischen Ozean und sogar auf Schiffe auszuweiten, welche die Route über das Kap der Guten Hoffnung nehmen – eine Prahlerei, die nicht unbedingt durch operative Fähigkeiten gestützt wird.

Die ersten Schlüsse, die aus all dem gezogen werden können, legen nahe, dass diese asymmetrische Kriegsführung zwar nur begrenzte globale Auswirkungen hat, sich die von den USA angeführten Reaktionen jedoch als unwirksam erwiesen haben. Darüber hinaus ist nicht klar, ob die Ausübung neuen Drucks auf den iranischen Schutzherrn der Huthi wirksam wäre. Selbst, wenn Teheran dies wollte (wie er es gegenüber seinen Stellvertretern im Irak getan hat, deren Angriff auf US-Truppen seit einem tödlichen Angriff in Jordanien im Januar abgenommen haben), wäre er möglicherweise nicht in der Lage, die Dschinns der Huthi wieder in die Flasche zu stecken.

Würde ein Waffenstillstand in Gaza die Huthi dazu bringen, ihre Kampagne zu beenden? Eine vorübergehende Waffenpause sicherlich nicht. Ihr Selbstvertrauen dürfte dadurch gestärkt worden sein, zunächst dem Krieg der arabischen Koalition widerstanden und später den Eindruck erregt zu haben, bei der aktuellen Offensive zur See erfolgreich zu sein. Es ist davon auszugehen, dass die Huthi ihre Akte der Piraterie solange fortsetzen werden, bis – wie auch immer – ihre Quelle für Raketen und anderes Kriegsmaterial versiegt ist.

Shlomo Gueta ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meerespolitik und -strategie, das zum israelischen National Center of Blue Economy in Haifa gehört. Als ehemaliger Kapitän der israelischen Marine war er Leiter der Forschungsabteilung des Marinenachrichtendienstes. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)


Dieser Artikel wurde zuerst hier veröffentlicht.

Autor: MENA Watch
Bild Quelle: Khamenei.ir, CC BY 4.0 , via Wikimedia Commons


Sonntag, 05 Mai 2024

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