Zwischen Angst und Hoffnung: Gazas Stimmen gegen die HamasZwischen Angst und Hoffnung: Gazas Stimmen gegen die Hamas
Unter Lebensgefahr teilen Gazaner ihren Frust über die Herrschaft der Hamas und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Während der Krieg unvermindert weitergeht, riskieren einige Bewohner des Gazastreifens ihre Sicherheit, um ihre Unzufriedenheit mit der Hamas zu äußern. Ein Bericht der britischen Zeitung The Sunday Times offenbart, wie diese Menschen in einer anonymen Plattform ihre Gedanken und Hoffnungen teilen.
Yasir, einer der Befragten, beklagte die fehlende globale Aufmerksamkeit für die tatsächlichen Bedürfnisse der Gazaner. „Warum sprechen andere immer für uns?“ fragte er in einem Moment, der die Hilflosigkeit vieler spiegelt. Gemeinsam mit seinem Freund Badr gründete Yasir im August die Plattform „Ekhteyar“, arabisch für „Wahl“. Dieses Online-Forum bietet Gazanern die Möglichkeit, anonym ihre Gedanken und Erlebnisse zu teilen. Bereits mehr als 100 Beiträge sind eingegangen.
„Führer mit Liebe, nicht mit Hass“
In den Beiträgen der Plattform wird nicht nur die Hamas kritisiert, sondern auch eine Vision für die Zukunft gefordert. „Wir brauchen Führer, deren Liebe zu Palästina größer ist als ihr Hass auf die Besatzung“, schrieb ein Teilnehmer. Ein anderer bemerkte: „Stärke misst sich an den Kosten des Konflikts, nicht an der Reichweite von Raketen.“
Hamas regiert den Gazastreifen seit 2007 nach einem blutigen Machtkampf mit der Fatah. Die Umfrage des Palästinensischen Zentrums für Politik und Meinungsforschung zeigt, dass nur noch 35 Prozent der Gazaner die Hamas unterstützen. Laut dem Tony Blair Institute for Global Change wollen lediglich 7 Prozent, dass Hamas nach dem Krieg weiterhin regiert.
Hicham, ein Bauarbeiter in seinen Dreißigern, ist einer der vielen Gazaner, deren Sicht auf die Hamas sich nach dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober veränderte. „Sie haben einen großen Fehler gemacht“, sagte er. „Sie schossen Raketen aus Wohngebieten, ließen uns die Konsequenzen tragen und versteckten sich selbst.“ Hicham schilderte, dass Ressourcen wie Nahrung ausschließlich an Hamas-Mitglieder verteilt wurden, während die Bevölkerung hungerte. Sein Vater wurde während der Kämpfe getötet, und sein Haus fiel einem israelischen Luftschlag zum Opfer, weil die Hamas es als Abschussbasis nutzte.
Die Hamas unterdrückt die eigene Bevölkerung
Die Kritik an der Hamas ist jedoch nicht ungefährlich. Der Bericht beschreibt zahlreiche Fälle von Menschen, die nach regierungskritischen Kommentaren auf sozialen Medien mit Drohungen konfrontiert wurden. Yasir erhielt von der sogenannten „Elektronischen Verbrechenseinheit“ der Hamas die Nachricht: „Reduziere deine Facebook-Kommentare, sonst wirst du uns besuchen müssen.“
Noch schwerwiegender ist das Schicksal von Hamza Hawidy, der nun in Deutschland lebt. Er wurde mehrfach verhaftet und geschlagen, weil er öffentlich gegen Hamas protestierte. „Menschenrechtsorganisationen schauen weg“, berichtete er. Nach seiner zweiten Festnahme sah er keine andere Möglichkeit als die Flucht.
Der Wunsch nach einem Leben in Würde
Die Frustration gegenüber der Hamas bedeutet jedoch nicht, dass die Befragten Israels Handlungen unkritisch sehen. Yasir und Badr betonten, dass internationale Aktivisten oft das Leid der Gazaner für ihre eigenen politischen Zwecke instrumentalisierten. „Für sie ist Gaza eine Bühne für ihre Schlachten“, erklärte Yasir. Badr fügte hinzu: „Unser Leid ist für sie wie eine Reality-Show, bei der unser Blut ihre Rhetorik antreibt.“
2006 hofften viele Gazaner, dass die Hamas eine weniger korrupte Alternative zur Fatah bieten könnte. Doch die gewaltsame Machtübernahme 2007, beschrieben als „eine Krone getränkt in palästinensischem Blut“, führte zu zunehmendem Misstrauen. Wahlen wurden seither auf unbestimmte Zeit verschoben. Viele Bewohner sehen keine Hoffnung auf politischen Wandel.
Trotz der düsteren Umstände teilen Yasir, Badr und andere eine Vision: eine Zukunft frei von Angst und Unterdrückung. „Unser Traum ist es nicht, für eine Sache zu sterben, sondern in Würde zu leben“, fasste Badr die Hoffnungen vieler zusammen.
Autor: Redaktion
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Mittwoch, 25 Dezember 2024