Massenproteste in Gaza: Ein Wendepunkt oder Wunschdenken?

Massenproteste in Gaza: Ein Wendepunkt oder Wunschdenken?


In Gaza brodelt es: Tausende protestieren gegen Hamas, während Israel Pläne zur freiwilligen Auswanderung schmiedet. Doch was bedeuten diese Entwicklungen wirklich – ein Zeichen für den nahen Zusammenbruch der Hamas-Herrschaft oder bloß ein Trugbild der Hoffnung?

Massenproteste in Gaza: Ein Wendepunkt oder Wunschdenken?

Über ein Foto einer großen Protestkundgebung in Israel – pinker Rauch steigt aus der Menge auf – titelte TRT Global, ein Medium, das oft als Sprachrohr der türkischen Regierung gilt, am Mittwoch: „Israel ist jetzt eine gespaltene Nation am Rande des Zusammenbruchs: Ex-Knesset-Mitglied.“ Die Schlagzeile mag reißerisch sein, doch sie sollte uns mahnen: Schnellschüsse über die Bedeutung von Protesten in fremden Ländern sind riskant. Denn oft sehen wir in solchen Ereignissen, was wir sehen wollen – und übersehen, was nicht ins Bild passt.

Ein Blick in die Geschichte zeigt das deutlich: Als in Iran wiederholt große, teils gewaltsame Demonstrationen ausbrachen, prophezeiten manche den baldigen Fall des Regimes. Doch die Ayatollahs halten sich bis heute. Die Lehre daraus? Beobachter neigen dazu, Entwicklungen durch die Brille ihrer Wünsche zu betrachten. Genau das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir die aktuellen Ereignisse in Gaza betrachten.

Denn dort geschieht seit dieser Woche etwas Außergewöhnliches. Nicht die gezielte Tötung weiterer Hamas-Führer macht Schlagzeilen, sondern die Proteste, die am Dienstag begannen und bis Donnerstag anhielten. Tausende Gazaner gingen in verschiedenen Teilen des Streifens auf die Straße – die größten Anti-Hamas-Demonstrationen, die das Gebiet je gesehen hat. Es wäre verlockend, darin den Anfang vom Ende der Hamas zu sehen. Doch das könnte ebenso gut Wunschdenken sein – nicht unähnlich der TRT-Schlagzeile über Israel.

Dennoch: Diese Proteste sind neu. Ihre Größe, ihretheit, ihre Dauer über Tage hinweg und ihre Verbreitung über den Gazastreifen hinweg markieren einen Bruch mit der Vergangenheit. Und sie sind nicht das einzige Zeichen für Wandel. Am Donnerstag verließen etwa 200 Gazaner den Küstenstreifen für medizinische Behandlungen im Ausland; am Mittwoch berichteten Medien von einem Pilotprogramm, das 100 Gazaner in den kommenden Tagen nach Indonesien zur Arbeit im Bauwesen bringen soll. Seit Kriegsbeginn sollen zudem zwischen 35.000 und 80.000 Menschen das Gebiet freiwillig verlassen haben, so israelische Schätzungen. Eine Umfrage von Gallup International vom März zeigt: 52 % der Gazaner würden den Streifen verlassen, wenn sie könnten – 38 % vorübergehend, 14 % dauerhaft.

Diese Entwicklungen stellen zwei alte Gewissheiten infrage: dass die Menschen in Gaza niemals gegen Hamas aufbegehren und dass sie niemals gehen würden. Etwas scheint sich zu regen – doch was bedeutet das für Israel?

Israels Zukunftsfrage

Eine zentrale Frage steht im Raum: Wie soll Israel auf diese beiden Phänomene reagieren? Für die Auswanderungswilligen hat die Regierung bereits gehandelt: Am Samstag beschloss das Kabinett die Einrichtung einer „Verwaltung für freiwillige Migration“. Diese soll unter dem Verteidigungsministerium Gazanern helfen, sicher in Drittländer umzusiedeln – mit festgelegten Routen über Land, See und Luft. Laut Medienberichten verließen diesen Monat schon über 1.000 Menschen das Gebiet, viele mit Familien oder Zweitstaatsbürgerschaften, über Grenzübergänge wie Rafah oder den Ramon-Flughafen.

Bei den Protesten liegt die Sache anders. Hamas stuft Demonstranten bereits als „Agenten“ Israels oder der Palästinensischen Autonomiebehörde ein – eine öffentliche Unterstützung durch Israel könnte nach hinten losgehen. Dennoch äußern sich hochrangige Politiker. Verteidigungsminister Israel Katz rief Gazaner in einem Video auf, Hamas zu stürzen und Geiseln freizulassen. Premier Benjamin Netanyahu sieht in den Protesten eine Bestätigung seiner Politik.

Warum jetzt?

Nach über 16 Monaten Krieg stellt sich die Frage: Warum jetzt? Eine Theorie: Der Waffenstillstand vom 19. Januar brachte Ruhe – nun, da Israel wieder angreift, wollen viele nicht zurück ins Leid. Die ägyptische Autorin Dalia Ziada sieht drei Gründe für die neue Dynamik: Hamas ist geschwächt, die Glaubwürdigkeit von Medien wie Al Jazeera gesunken, und die Menschen haben nach allem Verlust keine Angst mehr.

Stimmen der Straße

Die Proteste bringen klare Botschaften: „Raus, raus, raus! Hamas raus!“, „Wir wollen leben!“, „Das Blut unserer Kinder ist nicht billig!“ Ein Demonstrant sagte PBS: „Wir sind krank von Bomben und Vertreibung. Hamas ist das Einzige, was wir beeinflussen können.“ Der palästinensisch-amerikanische Blogger Ahmed Fouad Alkhatib betont, die Proteste seien authentisch – keine Inszenierung externer Akteure.

Was folgt?

Die internationale Reaktion bleibt bisher aus. Doch sollten die Proteste wachsen, könnten sie Hamas schwächen oder Alternativen fördern. Für Israel bietet sich eine Chance, aber auch eine Herausforderung: Die Auswanderung wird unterstützt, bei den Protesten ist Zurückhaltung gefragt. Sie zu umarmen, könnte sie diskreditieren – sie zu ignorieren, eine verpasste Gelegenheit. Die Aufgabe ist, diesen Moment zu begreifen, sein Wachstum zu hoffen und Pläne für den Fall der Fälle bereitzuhalten.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot X


Freitag, 28 März 2025

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