Widerstand aus der Mitte des Systems: Eliteeinheit 8200 fordert Ende des Gaza-Krieges zugunsten der GeiselnWiderstand aus der Mitte des Systems: Eliteeinheit 8200 fordert Ende des Gaza-Krieges zugunsten der Geiseln
Ein Brief von Hunderten israelischen Geheimdienstsoldaten bringt die Regierung unter Druck – und stellt den Krieg in Gaza offen in Frage.
In einer beispiellosen Aktion haben Hunderte aktive und ehemalige Angehörige der israelischen Eliteeinheit 8200 einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen fordern – zugunsten der Geiseln. Der Brief, der laut dem öffentlich-rechtlichen Sender KAN an die israelische Regierung gerichtet ist, stellt nicht nur die Kriegsziele in Frage, sondern auch die politische Führung des Landes.
Die Unterzeichner sind keine Randfiguren. Die Einheit 8200 gilt als das technologische Rückgrat des israelischen Militärgeheimdienstes – sie liefert Daten, auf deren Grundlage Einsätze geplant und durchgeführt werden. Dass gerade diese Einheit sich nun in dieser Deutlichkeit äußert, kommt einem institutionellen Beben gleich.
„Der Krieg dient derzeit in erster Linie politischen und persönlichen Interessen – nicht der Sicherheit Israels“, heißt es in dem Schreiben. Weiter warnt das Schreiben: „Die Fortsetzung des Krieges trägt nichts zu seinen erklärten Zielen bei und führt nur zum Tod weiterer Geiseln, Soldaten und unschuldiger Zivilisten.“
Die Autoren verweisen auf ein wachsendes Problem innerhalb der Reservekräfte. Immer mehr Reservisten würden nicht mehr zum Dienst erscheinen, was das Fundament der israelischen Verteidigung untergrabe. Ein Zustand, der für Israel mittelfristig gefährlicher sein könnte als jede Bedrohung von außen.
Auch die Luftwaffe ist betroffen. Bereits in der vergangenen Woche unterzeichneten Reservisten der israelischen Luftstreitkräfte eine ähnliche Erklärung – ein Schritt, der für den Generalstab offenbar zu weit ging. Die IDF kündigte an, Hunderte dieser Reservisten aus dem Dienst zu entlassen. Auch wenn nur ein kleiner Teil dieser Unterzeichner tatsächlich im aktiven Flugdienst steht, ist die Symbolik gravierend. Die Luftwaffe gilt als Herzstück der israelischen Abschreckungskraft – ihr moralischer Rückhalt bröckelt.
Besonders brisant: Die Unterzeichner des Briefes fordern nicht nur ein Ende des Krieges – sie lehnen auch Premierminister Benjamin Netanjahus Justizreform ab und zeigen offen Misstrauen gegenüber seiner Führung. Der Versuch Netanjahus, den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, zu entlassen, wird in diesem Zusammenhang als weiteres Zeichen eines Kontrollverlustes gesehen.
Generalstabschef Eyal Zamir hat sich eindeutig positioniert: Politische Entscheidungen seien Sache der gewählten Regierung, nicht des Militärs. Reservisten hätten kein Mandat, sich öffentlich zu äußern. Doch die Wirklichkeit hat sich längst von dieser Regel entfernt. Die Debatte ist nicht mehr nur politisch – sie findet nun mitten in der Verteidigungsstruktur des Landes statt.
Für Israel ist dies ein historischer Moment: Noch nie haben so viele hochrangige Soldaten und Offiziere öffentlich gegen eine laufende Militäroperation Stellung bezogen. Ihre zentrale Forderung: Ein sofortiges Abkommen zur Freilassung der Geiseln. Jeder weitere Tag, so schreiben sie, gefährde deren Leben – und schade der moralischen Integrität Israels.
Was dieser Brief auslöst, ist noch offen. Doch eines ist klar: Die Kluft zwischen Regierung und Teilen des Sicherheitsapparats wird tiefer. Und mit jeder weiteren Geisel, die im Gazastreifen stirbt, wächst auch der Druck auf Netanjahu – nicht nur von der Straße, sondern nun auch aus den eigenen Reihen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF
Freitag, 11 April 2025