Israel steht kurz davor, wieder humanitäre Hilfe nach Gaza zu lassen – trotz der GeiselnIsrael steht kurz davor, wieder humanitäre Hilfe nach Gaza zu lassen – trotz der Geiseln
Israel erwägt laut Verteidigungsminister Israel Katz die Rückkehr zu humanitärer Hilfe für Gaza – auch ohne vorherige Freilassung aller Geiseln. Damit droht ein innenpolitisches Beben.
Als Israel Katz am Mittwoch beiläufig erwähnte, dass bald wieder Hilfslieferungen nach Gaza möglich seien, wirkte das wie eine Randnotiz. Doch was er sagte, war eine 180-Grad-Wende: Die Regierung Netanjahu hatte noch vor wenigen Wochen kategorisch ausgeschlossen, Hilfe zuzulassen, bevor alle entführten Israelis freigelassen sind. Katz räumte ein, dass man diesen Kurs wohl nicht halten könne – wegen des zunehmenden internationalen Drucks und wachsender Vorwürfe, man nehme eine Hungerkatastrophe billigend in Kauf.
Was für den internationalen Diskurs wie eine pragmatische Korrektur erscheinen mag, ist innenpolitisch ein Pulverfass. Extrem rechte Minister wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich toben. Ben-Gvir erklärte wörtlich, es sei „eine historische Dummheit“, jetzt wieder Hilfe zuzulassen, während Hamas weiterhin 133 Geiseln festhält. Für ihn ist die Blockade der einzige funktionierende Hebel gegen die Terrororganisation – jede Lockerung untergrabe die israelische Position.
Tatsächlich offenbart Katz' Aussage ein Dilemma: Lässt Israel weiter keine Hilfe zu, drohen neue Vorwürfe, man lasse gezielt Menschen verhungern – insbesondere, da laut Militär Schätzungen existieren, dass Hamas genügend Vorräte aus der Feuerpause von Januar bis März gehortet hatte, um drei Monate durchzuhalten. Doch diese Zeit läuft nun ab. Und mit ihr wächst der internationale Druck auf Jerusalem.
Katz versucht sich nun an einem Spagat: Ja, es werde wieder Hilfe geben – aber verteilt durch private Firmen, nicht durch die Hamas. Diese soll so von der Versorgung ausgeschlossen werden. Doch wie das praktisch funktionieren soll, bleibt schleierhaft. Bereits im Januar hatte der damalige Verteidigungsminister Gallant versucht, ein ähnliches System in Nord-Gaza zu etablieren – es scheiterte am Widerstand radikaler Minister und den chaotischen Verhältnissen vor Ort. Selbst internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm oder die World Central Kitchen wurden entweder irrtümlich von israelischen Streitkräften getroffen oder mussten sich zurückziehen, nachdem Hamas ihre Lieferungen beschlagnahmt hatte.
Dass nun private Firmen – offenbar ohne militärischen Schutz – Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgen sollen, ohne dass Hamas eingreift, erscheint mehr als fraglich. Der Verdacht liegt nahe: Katz wollte mit seiner Aussage das diplomatische Fenster öffnen, ohne es innenpolitisch zu weit aufzustoßen. Darum verpackte er die Ankündigung in martialische Rhetorik über die Zerschlagung der Hamas und eine mögliche Ausweitung des Kriegs.
Doch das Kalkül könnte nach hinten losgehen. Denn Ben-Gvir und Smotrich wittern bereits Verrat an der eigenen Strategie. Die Aussage, man könne Hilfe bald wieder zulassen, ohne dass sich an der Lage der Geiseln etwas ändert, steht im Widerspruch zur offiziellen Linie – und zur Haltung vieler Israelis, für die das Schicksal der Entführten zum emotionalen Kern dieses Kriegs geworden ist.
Die Debatte um Hilfslieferungen ist deshalb längst mehr als eine technische Frage. Sie berührt die Grundfrage, was Israel wichtiger ist: humanitäre Rücksicht oder maximaler Druck auf die Hamas. Katz hat die Tür geöffnet – nun droht sie ihm selbst auf die Füße zu fallen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot
Mittwoch, 16 April 2025