Netanjahus Dilemma: Wie lange kann Israel noch warten, bis es den Iran angreift?Netanjahus Dilemma: Wie lange kann Israel noch warten, bis es den Iran angreift?
Ein Angriff auf Irans Atomanlagen war greifbar nah – aber Netanjahu zögerte.
Mehrmals seit Oktober 2024 stand Israel kurz davor, den entscheidenden Schlag gegen Irans Atomprogramm zu führen – doch jedes Mal wich Jerusalem zurück. Die Gründe waren nicht technischer, sondern politischer Natur: Die USA hielten die Hand über die Entscheidung. Erst unter Joe Biden, dann unter Donald Trump. Die Enthüllungen aus israelischen Sicherheitskreisen zeigen: Die Bedrohung durch Teherans Nuklearprogramm ist nicht nur ein politischer Dauerbrenner, sondern ein konkreter militärischer Ernstfall. Der einzige Grund, warum Iran seine Atomanlagen noch besitzt, ist das politische Kalkül im Westen.
Bereits nach dem massiven iranischen Raketenangriff auf Israel am 1. Oktober 2024 – rund 200 ballistische Raketen auf einmal – war ein Präventivschlag auf Irans Nuklearanlagen mehr als eine Überlegung. Die israelische Luftwaffe war nach mehreren erfolgreichen Einsätzen über dem Jemen und im Iran selbst zuversichtlich, eine solche Operation technisch durchführen zu können. Auch die spektakuläre Shaldag-Operation am 8. September 2024 gegen eine geheime Anlage in Syrien nährte das Vertrauen in eine Machtdemonstration gegen Teheran.
Doch die politische Führung in Israel wollte keine Entscheidung ohne Washington treffen. Der damalige US-Präsident Biden lehnte jegliche direkte Beteiligung ab – auch die Bereitstellung eines amerikanischen Raketenabwehrschirms, den Israel für unverzichtbar hielt. Stattdessen zerstörte die israelische Luftwaffe systematisch Irans S-300-Luftabwehrsysteme und weite Teile seiner ballistischen Raketenindustrie. Der Erfolg war so durchschlagend, dass einige ranghohe israelische Offiziere den Angriff auf Irans Atomanlagen nicht mehr als „möglich“, sondern als „hoch wahrscheinlich durchführbar“ einstuften.
Doch erneut wurde gebremst – diesmal mit Blick auf die Zukunft: Trump hatte die Wahl gewonnen, und Israel setzte nun darauf, mit ihm in den ersten Monaten seiner Amtszeit einen gemeinsamen Angriff zu koordinieren. Mehrere Versuche, Washington in eine militärische Kampagne einzubinden – entweder mit Luftschlägen, Kommandoaktionen oder beidem –, scheiterten allerdings am Widerstand innerhalb der neuen US-Regierung. Trump selbst entschied sich zunächst für einen diplomatischen Weg und schickte CENTCOM-Chef Kurilla nach Teheran – ein klares Zeichen an Israel, vorerst stillzuhalten.
Doch die Uhr tickt. In Fordow, in Natanz, an anderen geheimen Orten gräbt sich das Regime tiefer ein – im Wortsinn. Der Iran hat aus den gezielten Mossad-Operationen der letzten Jahre gelernt, seine Nukleartechnik wird zunehmend unterirdisch und damit schwerer angreifbar. Dass Israel das trotzdem könnte, bezweifelt heute kaum jemand in den Sicherheitsdiensten. Die Luftwaffe ist bereit. Die Geheimdienste auch. Und doch steht alles still – wegen politischer Zurückhaltung.
Es ist nicht das erste Mal, dass Israel allein handeln müsste. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass ein „nur mittelmäßiger“ Deal zwischen Washington und Teheran droht. Mossad-Direktor Barnea und CIA-Chef Ratcliffe haben längst andere Szenarien vorbereitet – verdeckte Operationen, gezielte Sabotage, präzise Eliminierungen. Aber die Frage bleibt: Wie lange kann sich Israel noch auf das Warten verlassen, wenn sich der Feind immer weiter einbunkert?
Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht nur Israels Sicherheit, sondern die Glaubwürdigkeit der westlichen Abschreckung. Wenn Teheran glaubt, dass es selbst nach einem Angriff mit 200 Raketen auf Israel keine Konsequenzen zu fürchten hat, dann werden bald keine roten Linien mehr bleiben. Und Jerusalem wird handeln müssen – ob mit oder ohne Amerika.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF
Donnerstag, 17 April 2025