Neue US-Hilfsstruktur für Gaza: Warum Israel zögert und was wirklich hinter der humanitären Initiative stecktNeue US-Hilfsstruktur für Gaza: Warum Israel zögert und was wirklich hinter der humanitären Initiative steckt
Ein riesiges Hilfsprojekt unter amerikanischer Regie nimmt in Gaza Gestalt an – doch die Zweifel sind groß. Auch Israel spielt mit, aber nicht ohne Vorbehalte.
Es klingt wie ein Mammutprojekt mit wohltätigem Anstrich: 300 Millionen Essensrationen in 90 Tagen, verteilt über hochgesicherte Standorte, mit gepanzerten Fahrzeugen und zivilen Sicherheitsdiensten – ganz ohne militärische Begleitung. So jedenfalls stellt sich die neue „Gaza Relief Foundation“ ihren Einstieg in den Gazastreifen vor. Initiiert wurde sie nicht von irgendeiner NGO, sondern direkt aus Washington – als persönliches Projekt von Donald Trumps Nahost-Gesandtem, dem amerikanischen Unternehmer Steve Witkoff. Israel hat der neuen Organisation nun grünes Licht gegeben. Doch das ist kein Freifahrtschein – sondern ein kalkulierter Balanceakt inmitten der internationalen Kritik und des militärischen Dauerkonflikts.
Was sich die Öffentlichkeit als humanitäre Rettung vorstellt, ist in Wirklichkeit Teil eines politischen Drahtseilakts. Der amerikanische Ansatz verfolgt eine doppelte Strategie: Auf der einen Seite soll Gaza mit dem Nötigsten versorgt werden, um die humanitäre Lage zu stabilisieren. Auf der anderen Seite geht es um Kontrolle. Kontrolle über die Verteilung. Kontrolle über das Narrativ. Kontrolle über den Einfluss der UN und anderer Strukturen, die aus Sicht der Trump-nahen Initiatoren längst zu tief in ein ineffizientes, politisiertes System verstrickt sind.
Die Kritik kam prompt. Von den Vereinten Nationen, die das Projekt als „parallele Infrastruktur“ abtun und als Versuch werten, das etablierte internationale Hilfssystem zu untergraben. Besonders UN-Koordinator Tom Fletcher ließ keinen Zweifel: „Dieses Modell erfüllt nicht die Kriterien des humanitären Völkerrechts. Wir brauchen keine neuen Spielregeln – wir brauchen Zugang.“ Deutlicher hätte der Konflikt kaum markiert werden können.
Doch genau an diesem Punkt wird deutlich, warum Israel mitspielt – obwohl auch dort die Zweifel groß sind. Denn Israel weiß, dass es international unter Druck steht. Gerade in Vorbereitung auf die angekündigte Bodenoffensive „Merkavot Gideon“ im Gazastreifen ist jeder Schritt zur Verbesserung der humanitären Versorgung ein strategischer Schachzug: Er zeigt der Welt, dass Israel den Menschen in Gaza helfen will – aber eben nicht unter der Ägide eines Systems, das den Einfluss der Hamas ignoriert oder gar duldet. Genau hier kommt die amerikanische Stiftung ins Spiel.
Die „Gaza Relief Foundation“ betont ihre Unabhängigkeit von Regierungen, stellt jedoch klar, dass sie keinerlei persönliche Daten von Hilfsempfängern an Israel weitergeben wird. Gleichzeitig signalisiert sie Offenheit für Kooperation – aber nur über ihre eigene, gesicherte Infrastruktur. Für Israel ergibt sich daraus eine paradoxe Lage: Die militärische Kontrolle über Gaza bleibt de facto bestehen, doch die operative Hilfe wird ausgelagert – an einen nichtstaatlichen, aber durch die US-Regierung unterstützten Akteur, der klare Bedingungen stellt.
Was auf dem Papier als logistisches Meisterwerk erscheint, steht jedoch unter enormer Spannung. Die Stiftung plant in einem ersten Schritt zehn Verteilzentren für je 300.000 Menschen. Das Ziel: 1,2 Millionen Zivilisten täglich zu versorgen, mit Essen, Wasser, Medikamenten und Hygienepaketen – in einem Gebiet, in dem bewaffnete Hamas-Kämpfer immer wieder Hilfstransporte überfallen oder beschlagnahmen. Die Sicherheitsarchitektur soll komplett zivil sein – doch ohne Armee, ohne Waffen, ohne Durchsetzungskraft? Für viele ist das ein naiver Ansatz.
Noch schwerer wiegt ein anderer Punkt: Die Stiftung erkennt ausdrücklich an, dass es Menschen gibt, die aus Angst, Krankheit oder politischen Gründen nicht zu den gesicherten Verteilzentren kommen werden. Für sie sollen alternative Verteilsysteme geschaffen werden – ein potenzielles Einfallstor für genau die Missstände, die Israel bislang kritisierte: unkontrollierte Umleitungen, Veruntreuung durch Hamas, Machtspiele auf dem Rücken der Zivilbevölkerung.
Daher auch die Bitte an Israel, „den Fluss der humanitären Hilfe durch bestehende Modelle“ weiter zu ermöglichen – zumindest solange die eigene Verteilinfrastruktur noch nicht vollständig steht. Sprich: Die neue Stiftung will schnell liefern, doch ohne auf bestehende Kontrollsysteme verzichten zu müssen.
Und genau das könnte zu einem gefährlichen Spiel mit der Glaubwürdigkeit werden. Denn der Eindruck, dass Israel bewusst Hilfe an eine von den USA gesteuerte Parallelstruktur übergibt, während die UNO kritisiert und warnt, könnte neue Brüche in der internationalen Diplomatie erzeugen. Schon jetzt nutzen pro-palästinensische Gruppen weltweit jeden logistischen Engpass, jede Blockade oder jeden Vorfall, um Israel als Aggressor darzustellen – selbst wenn es durch systematische Angriffe der Hamas auf Hilfslieferungen kommt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF
Donnerstag, 15 Mai 2025