Rückeroberung der Medien – mit eiserner Hand

Rückeroberung der Medien – mit eiserner Hand


Israels Kommunikationsminister verspricht dem Volk mehr Freiheit – und schafft in Wahrheit das Fundament für politische Kontrolle

Rückeroberung der Medien – mit eiserner Hand

Wer in diesen Tagen aufmerksam verfolgt, was sich in Israels Medienlandschaft anbahnt, erkennt schnell: Es geht nicht um Freiheit, es geht um Macht. Die neue Reform, die Kommunikationsminister Shlomo Karhi jetzt stolz präsentiert, tarnt sich als wirtschaftliche Öffnung und angebliche Rückgabe der Kontrolle an die Bürger. Doch hinter den wohlklingenden Parolen verbirgt sich etwas ganz anderes – ein tiefer, systematischer Eingriff in die Unabhängigkeit des Journalismus. Und der ist geeignet, Israels Demokratie auf lange Sicht schwer zu beschädigen.

Denn was Karhi als “Stärkung des Wettbewerbs” verkauft, ist in Wahrheit der Versuch, die gesamte Medienlandschaft unter politische Aufsicht zu stellen. Zwei zentrale Kontrollinstanzen – die Zweite Aufsichtsbehörde für Fernsehen und Radio sowie der Kabel- und Satellitenrat – sollen aufgelöst werden. An ihre Stelle tritt eine neue Aufsichtsbehörde, deren Mitglieder überwiegend vom Kommunikationsminister selbst ernannt werden. Eine „Reform“, die wenig mit Deregulierung zu tun hat – und viel mit Machtkonzentration.

Diese neue Behörde soll nicht nur Genehmigungen für neue wie bestehende Nachrichtenanbieter erteilen – sie erhält auch das Recht, empfindlich hohe Geldstrafen zu verhängen. Ein Prozent der Jahreseinnahmen kann ein solcher Strafbescheid betragen – für kleinere Medienhäuser ein potenzielles Todesurteil. Die Entscheidung darüber? Praktisch ohne unabhängige Kontrolle. Damit wird jeder kritische Sender zu einem Spielball der politischen Gunst.

Solche Maßnahmen erinnern erschreckend an die Medienpolitik in Ungarn unter Viktor Orbán: Auch dort wird die Pressefreiheit durch eine angeblich neutrale, faktisch aber politisch gelenkte Medienaufsicht ausgehebelt. Oppositionelle Sender verschwinden nach und nach, während regierungstreue Medien durch Übernahmen, Fusionen und stille Zensur an Einfluss gewinnen. Ungarns Beispiel zeigt, wie gefährlich subtil moderne Zensur sein kann: Nicht mit Verboten und Verhaftungen, sondern mit finanziellen Anreizen, Druck auf Eigentümer – und dem langsamen Ersticken abweichender Stimmen.

Auch Israel steht nun an dieser Schwelle. Schon jetzt erklärt die Geschäftsführerin der Journalistengewerkschaft, Michal Gera Margaliot, dass die neue Behörde eine Bedrohung für alle unabhängigen Redaktionen darstelle. Die Drohung mit millionenschweren Strafen hänge wie ein Damoklesschwert über jeder kritischen Berichterstattung.

Doch damit nicht genug: Karhi will auch die strukturelle Trennung zwischen den Eigentümern eines TV-Senders und seiner Nachrichtenredaktion abschaffen. Bisher war es gesetzlich verboten, dass Investoren direkten Einfluss auf die Inhalte der Nachrichten nehmen können. Diese Schutzmauer soll nun eingerissen werden – angeblich, um die Wirtschaftlichkeit zu fördern. Tatsächlich würde dies ermöglichen, dass milliardenschwere Investoren ihre politischen oder wirtschaftlichen Interessen direkt in die Nachrichtensendungen einspeisen. Es wäre das Ende journalistischer Unabhängigkeit.

Karhis Reform behauptet, dem Konsumenten dienen zu wollen. Sie spricht von Vielfalt, Wettbewerb und Sparpotenzial. Doch das ist Fassade. In Wahrheit geht es darum, das Informationsmonopol still und effizient umzubauen – mit der Regierung als Zentrale. Die Genehmigung neuer Nachrichtenkanäle wird zur politischen Entscheidung. Die Freiheit, kritisch zu berichten, zur gefährlichen Gratwanderung. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Redaktionen – faktisch abgeschafft.

Israel hat eine lebendige, vielfältige Medienlandschaft. Sie war in vielen Momenten der Geschichte das Rückgrat der Demokratie, Kontrollinstanz und Stimme der Zivilgesellschaft. Diese Rolle steht jetzt zur Disposition. Die neue Reform gefährdet nicht nur einzelne Journalisten oder Sender – sie greift das Fundament an, auf dem jede freie Gesellschaft ruht: eine unabhängige, vielfältige und politisch nicht kontrollierte Medienlandschaft.

Diese Reform darf nicht still durchgewunken werden. Sie muss diskutiert, zerpflückt und bekämpft werden – nicht im Namen eines einzelnen Mediums oder einer Partei, sondern im Namen der Demokratie. Wer heute schweigt, wird sich morgen fragen, warum niemand mehr berichtet.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Hagar Cohen (הגר כהן) - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=85833187


Freitag, 16 Mai 2025

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