Israels Geduld am Ende: Warum der Geisel-Deal mit Hamas scheitert – und Katar plötzlich Israel die Schuld gibtIsraels Geduld am Ende: Warum der Geisel-Deal mit Hamas scheitert – und Katar plötzlich Israel die Schuld gibt
Während Hamas internationale Garantien für einen Waffenstillstand fordert, steht der Vermittler Katar unter Druck – und sucht den Sündenbock. Israel sieht sich getäuscht und erwägt den Rückzug aus Doha.
Die Gespräche über eine mögliche Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln stecken fest – und das nicht erst seit gestern. Doch nun ist eine neue Eskalationsstufe erreicht: Katar, das sich bislang als Vermittler zwischen Israel, den USA, Ägypten und der Hamas positionierte, attackiert Israel offen. Der katarische Premierminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sprach am Dienstag von einer „aggressiven und unverantwortlichen Haltung“ Israels, die „jede Hoffnung auf Frieden“ untergrabe. Worte, die in Jerusalem für Kopfschütteln sorgen – und für die ernsthafte Erwägung, die israelische Delegation aus Doha abzuziehen.
Dabei hatte es nach der Freilassung des israelischen Geisels Idan Alexander vor wenigen Tagen kurz so ausgesehen, als wäre Bewegung in die festgefahrene Situation gekommen. Doch mit dem anschließenden massiven Angriff der israelischen Armee auf Hamas-Ziele, bei dem nach Angaben Katars auch „Hunderte unschuldiger Menschen“ ums Leben gekommen seien, änderte sich der Ton der Golfmonarchie dramatisch. Plötzlich ist Israel nicht nur keine Partnerin mehr im Friedensprozess, sondern der Grund, warum dieser scheitert.
Dabei ignoriert Katar einen entscheidenden Fakt: Israel hatte der Hamas einen neuen Vorschlag unterbreitet – für eine teilweise Freilassung der Geiseln. Doch die Terrororganisation lehnte ab. Stattdessen fordert Hamas nun erneut internationale Garantien für einen dauerhaften Waffenstillstand. Ein Ultimatum, das aus israelischer Sicht keiner Diskussion würdig ist: Premierminister Benjamin Netanjahu lehnt solche Bedingungen kategorisch ab. „Wer sich auf Hamas-Bedingungen einlässt, legitimiert Terror“, heißt es aus Regierungskreisen. Israel will keine Belohnung für ein Massaker.
Katar wiederum versucht, zwischen allen Seiten zu vermitteln – verliert aber zunehmend seine Glaubwürdigkeit. Denn wer auf Augenhöhe mit Terroristen spricht und ihnen öffentlich Rückendeckung gibt, stellt sich nicht auf die Seite des Friedens, sondern befeuert das Narrativ einer angeblichen israelischen Aggression. Al Thanis Aussage, man sei Zeuge der „Vernichtung aller Chancen auf eine Waffenruhe“, ist nicht nur realitätsfern, sondern gefährlich. Denn sie lenkt ab von der Tatsache, dass Hamas weiterhin Kinder und Alte in unterirdischen Kerkern festhält, während Katar sich in Empörung übt.
In Israel sieht man das Scheitern der Gespräche inzwischen als wahrscheinlich an. Zwar befindet sich die israelische Delegation nach wie vor in Doha, doch ihre Rückreise wird bereits vorbereitet. Netanjahu ließ sie aus taktischen Gründen vorerst noch vor Ort – auch, um gegenüber den USA zu signalisieren, dass man kompromissbereit sei. Doch der Spielraum ist ausgereizt. Schon am Montag berichtete der israelische Sender N12, dass die neue israelische Initiative ins Leere gelaufen sei und Hamas keinerlei Bereitschaft zeige, auf einen Kompromiss einzugehen. Auch von amerikanischer Seite wird das Dilemma erkannt – und dennoch bemüht man sich, optimistisch zu bleiben.
Adam Boehler, Sonderbeauftragter von US-Präsident Donald Trump für Geiselangelegenheiten, zeigte sich bei einer Konferenz in New York überzeugt: „Ich denke, wir sind näher an einer Einigung als je zuvor.“ Sein Kalkül: Israels militärischer Druck auf Hamas bringe Bewegung in die Sache. Doch auch Boehler weiß, dass jede Hoffnung auf einen Deal davon abhängt, ob Hamas überhaupt willens ist, sich auf einen Vorschlag einzulassen – und nicht nur auf Zeit spielt, um internationale Sympathie für sich zu gewinnen.
Am Ende geht es um mehr als diplomatische Verhandlungen: Es geht um die Frage, ob der Westen, ob Katar, die Hamas tatsächlich als legitimen Gesprächspartner behandeln will. Und ob Israel bereit ist, für das Leben seiner Geiseln politische Prinzipien über Bord zu werfen. Die Antwort darauf scheint sich mit jedem Tag zu verfestigen: Nein.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Chatham House - H.E. Sheikh Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al-Thani, Minister of Foreign Affairs, State of Qatar, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61105566
Dienstag, 20 Mai 2025