Ablenkungsmanöver im Schatten der Gewehre: Abbas’ Libanonreise ist kein Friedenszeichen

Ablenkungsmanöver im Schatten der Gewehre: Abbas’ Libanonreise ist kein Friedenszeichen


Der Besuch von Mahmud Abbas in Beirut wirkt wie ein diplomatischer Schritt – doch wer genauer hinsieht, erkennt ein altbekanntes Spiel. Während in den palästinensischen Flüchtlingslagern der Libanon weiter auf Pulverfässern sitzt, bleibt die Frage: Wer hält hier wirklich die Fäden in der Hand?

Ablenkungsmanöver im Schatten der Gewehre: Abbas’ Libanonreise ist kein Friedenszeichen

Drei Tage lang will sich Mahmud Abbas, der alternde Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, in Beirut aufhalten – ein „besonderer“ Besuch, wie ihn libanesische Medien nennen. Dabei stehen weniger Versöhnung oder politische Visionen im Mittelpunkt, sondern vor allem eine gefährliche Gemengelage: die unkontrollierte Bewaffnung palästinensischer Fraktionen in den Flüchtlingslagern des Libanon. Abbas selbst versucht, mit gemeinsamen Pressekonferenzen und diplomatischem Vokabular Stärke und Kontrolle zu demonstrieren. Doch der Schein trügt.

Nach seinem Treffen mit dem libanesischen Präsidenten Joseph Aoun unterzeichnete Abbas eine gemeinsame Erklärung: Künftig solle die alleinige Waffenhoheit in den Händen des libanesischen Staates liegen. Eine Forderung, die richtig klingt – aber vor allem zeigt, wie tief das eigentliche Problem reicht. Denn was auf dem Papier geschrieben steht, steht in krassem Gegensatz zur Realität in den Lagern von Sidon, Tripoli oder im Süden des Landes. Dort herrschen längst nicht mehr Fatah oder PLO, sondern ein wildes Geflecht militanter Gruppierungen – mit offener Loyalität gegenüber der Hamas, dem Iran oder direkt zur Hisbollah.

Ausgerechnet aus dem Hisbollah-nahen Blatt al-Akhbar ist zu hören, dass libanesische Sicherheitskräfte Abbas gegenüber deutlich gemacht haben, dass die palästinensischen Gruppen selbst Verantwortung übernehmen müssten – Verantwortung dafür, ihre eigenen Waffenarsenale zu kontrollieren, bevor es zu einem neuen Blutbad kommt. Doch gerade diese Gruppen entziehen sich jeder Kontrolle durch Abbas’ Autorität. Sein Einfluss auf die Lager ist, wenn überhaupt, symbolischer Natur. Seine Fatah mag zwar in Teilen des Westjordanlands mit eiserner Faust regieren – aber im Libanon haben andere längst das Kommando übernommen.

Die neuen Anweisungen, wonach Fatah-Kämpfer in den Lagern von Tyros keine Waffen mehr tragen und auf militärische Kleidung verzichten sollen, wirken wie eine kosmetische Maßnahme. Solche Befehle entfalten allenfalls in Medien eine gewisse Wirkung – nicht jedoch zwischen den engen Gassen der überfüllten Lager, wo Rivalitäten, Racheakte und Ideologien das tägliche Leben bestimmen. Die eigentlichen Drahtzieher – Hamas, Islamischer Dschihad oder Hisbollah – werden nicht von Abbas befehligt. Und sie haben kein Interesse daran, ihre Waffen niederzulegen, solange sie mit diesen Gewehren Macht ausüben, Schutzgelder kassieren und gegen Israel agitieren können.

Die Realität ist: Die Lager sind längst Miniaturen eines gescheiterten Staates, in dem Recht und Ordnung dem Faustrecht gewichen sind. Die libanesische Armee traut sich nicht einmal ohne vorherige Vereinbarung in die Lager. Eine schlichte Razzia könnte eine offene bewaffnete Konfrontation auslösen. Genau deshalb bemühen sich libanesische Stellen derzeit, wenigstens irgendein Konstrukt zu schaffen, das eine Entwaffnung ermöglicht – etwa durch ein gemeinsames palästinensisch-libanesisches Komitee. Doch auch dieser Vorschlag ist Wunschdenken.

Noch aussichtsloser ist die Forderung, dass die Palästinensische Autonomiebehörde sämtliche Waffen zentralisiert und dann an den libanesischen Staat übergibt. Selbst in den Gebieten, die sie eigentlich verwaltet – im Westjordanland – gelingt Abbas keine Entwaffnung extremistischer Zellen. Wie also soll er diese Kontrolle ausgerechnet im Libanon ausüben, wo er kaum politisches Gewicht besitzt?

Die Pressekonferenz mit Joseph Aoun endete, wie solche Treffen enden: mit scharfer Rhetorik gegen Israel. Abbas und Aoun verurteilten die „israelische Aggression gegen den Gazastreifen“ und forderten internationale Akteure wie Frankreich und die USA auf, Druck auf Israel auszuüben. Wieder einmal war Israel das einfache Ziel, um von der eigenen Ohnmacht abzulenken.

Wer genau hinhört, merkt: Hier wird ein gefährliches Schauspiel inszeniert. Während Abbas vorgibt, für Stabilität zu sorgen, ignoriert er, dass es sein politisches Lager selbst war, das mit dem bewaffneten „Widerstand“ das heutige Chaos vorbereitet hat. Heute sind es jene palästinensischen Milizen, die nicht nur dem Libanon, sondern auch Israel gefährlich werden könnten. Brandstifter sitzen längst nicht nur in Gaza, sondern auch südlich von Beirut.

Der Besuch von Abbas in Beirut ist deshalb kein Schritt hin zum Frieden – sondern ein Symbol der Verdrängung. Die Verantwortung wird hin- und hergeschoben, doch niemand handelt. Und so bleibt das, was Abbas beschwört, vor allem eines: eine diplomatische Kulisse für ein längst außer Kontrolle geratenes Pulverfass.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48254794


Donnerstag, 22 Mai 2025

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