Israel verschärft den Druck auf Hamas – und bereitet sich auf den Iran vor

Israel verschärft den Druck auf Hamas – und bereitet sich auf den Iran vor


Kriegsziel, Geiseldeal und Atomkonflikt: Warum der IDF-Chef eine Verbindung zwischen Gaza und Teheran zieht – und was das über Israels strategische Pläne verrät.

Israel verschärft den Druck auf Hamas – und bereitet sich auf den Iran vor

Wenn der ranghöchste Soldat Israels in einem internen Kreis eine scheinbar nebensächliche Bemerkung macht, sollte man genau hinhören. Generalstabschef Herzi Halevi – oder in diesem Fall: sein Nachfolger, Generalleutnant Eyal Zamir – hat zuletzt in vertraulichen Gesprächen mit dem militärischen Führungspersonal einen Satz gesagt, der weit über taktische Erwägungen im Gazastreifen hinausreicht: „Der Geisel-Deal ist nicht nur ein moralisches Gebot. Er wird es uns auch ermöglichen, unsere Aufmerksamkeit auf den Iran zu richten.“ Zwei Fronten, ein Ziel – Israels künftige Kriegsführung wird strategisch justiert.

Was klingt wie eine nüchterne Lageeinschätzung, ist in Wahrheit ein dramatischer Fingerzeig. Denn erstmals wird auf höchster militärischer Ebene ausgesprochen, was bislang nur zwischen den Zeilen mitschwang: Die anhaltende Offensive in Gaza, die zögerliche Diplomatie um die Rückführung der Geiseln, das gezielte Aushungern der Hamas – all das ist nicht allein Selbstzweck. Es ist auch Vorbereitung. Vorbereitung auf eine womöglich viel gefährlichere Konfrontation: mit dem iranischen Regime, seiner Atombombe und den Stellvertreterarmeen im Libanon, Syrien und Jemen.

Hamas taumelt – das Machtvakuum wächst

Nach offiziellen Einschätzungen des israelischen Militärs steht die Hamas in Gaza am Rand des Kollapses. In einem geschlossenen Gespräch sagte ein hochrangiger Offizier: „Sie verlieren die Kontrolle. Die Leute plündern sie, sie zerfallen auch in ihrem Machtzentrum, Gaza-Stadt. Der Verfall ist rasant.“ Worte, die nüchtern klingen, aber auf ein beunruhigendes Szenario hinauslaufen: den Zusammenbruch einer Terrorstruktur – ohne dass klar ist, wer oder was das entstehende Machtvakuum füllt.

Das Problem dabei: Der Kollaps einer gewaltbereiten Organisation bedeutet nicht Frieden. Er kann auch Chaos bedeuten, Radikalisierung, Bürgerkrieg. Doch aus israelischer Perspektive ist das militärisch eingeplant. Denn je schwächer die Hamas, desto größer der Spielraum – militärisch, diplomatisch, strategisch. Und eben: auch gegenüber dem Iran. Wer nicht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen will, muss eine davon beenden. Oder sie zumindest kontrollieren.

Der Iran als nächste Zielscheibe

Im Hintergrund braut sich das nächste Sturmfeld zusammen. Der Iran – laut israelischer Sicht die Quelle fast aller sicherheitspolitischen Herausforderungen im Nahen Osten – steht vor einer neuen diplomatischen Eskalation. Die Verhandlungen mit dem Westen über das Atomprogramm wirken wie ein Déjà-vu: zäh, doppelbödig, drohend. Wenn sie scheitern – und vieles deutet darauf hin – wird Israel handeln müssen. Das zumindest ist die stillschweigende Botschaft aus Tel Aviv.

Dass Zamir nun offen von einem strategischen Schwenk spricht, ist daher mehr als Symbolik. Es ist Teil einer neuen militärischen Logik: Erst Gaza, dann Teheran. Erst die Befreiung der Geiseln, dann der Fokus auf die nukleare Bedrohung. Und gleichzeitig ist es eine Warnung an die internationale Gemeinschaft – allen voran an US-Präsident Donald Trump, dessen diplomatische Initiative durch seinen Sondergesandten Steve Witkoff aktuell den Ton angibt.

Der „Witkoff-Paragraf“ – Hoffnung oder Hintertür?

Witkoffs Vorschlag für einen Geiseldeal sieht eine 60-tägige Feuerpause vor. Sie soll nicht nur Raum für die Freilassung weiterer Geiseln schaffen, sondern auch eine politische Dynamik in Gang setzen, an deren Ende eine dauerhafte Waffenruhe stehen könnte. Doch der Teufel steckt – wie immer – im Detail. Der zentrale Passus lautet: „Die Verhandlungen über die Modalitäten einer dauerhaften Waffenruhe müssen innerhalb von 60 Tagen abgeschlossen werden.“

Was, wenn nicht? Dann, so der Plan, „kann die temporäre Waffenruhe verlängert werden – unter der Bedingung, dass beide Seiten weiterhin in gutem Glauben verhandeln.“ Klingt vernünftig – aber eröffnet Spielräume für Verzögerung, Sabotage und Schuldzuweisungen. Für Israel jedoch zählt etwas anderes: Diese 60 Tage könnten ein Zeitfenster sein, um sich militärisch neu auszurichten. Und diplomatisch den Schulterschluss mit Washington und den arabischen Golfstaaten zu suchen – für den Tag X, an dem man den Blick gen Osten wendet.

Die Zeit läuft – in beide Richtungen

Israel denkt in Strategien, nicht in Momenten. Die Hamas wird zermürbt, nicht nur besiegt. Die Geiseln sollen zurückkehren, nicht nur befreit werden. Und der Iran wird bekämpft – im Schatten, bevor es ans Licht kommt. Generalstabschef Zamir sagt, was viele in der Führung bereits planen: Der Krieg in Gaza ist auch ein Manöver in einem viel größeren Spiel. Wer das nicht erkennt, versteht die israelische Sicherheitsdoktrin nicht.

Denn während in europäischen Medien über Verhältnismäßigkeit debattiert wird, wird in Israel kalkuliert. Über Krieg und Frieden. Über Schwäche und Stärke. Über Jetzt und Später.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF


Freitag, 30 Mai 2025

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