Israels Opposition will noch heute über Parlamentsauflösung abstimmen – ultraorthodoxe Partei schließt sich anIsraels Opposition will noch heute über Parlamentsauflösung abstimmen – ultraorthodoxe Partei schließt sich an
Alle Oppositionsparteien in Israel haben sich geschlossen auf eine klare Strategie geeinigt: Das Ziel ist der Sturz der Regierung. Jetzt kommt das Gesetz zur Auflösung der Knesset auf die Tagesordnung – doch noch ist der Erfolg ungewiss.
Die Oppositionsparteien in Israel haben sich heute Vormittag auf eine dramatische Eskalation im politischen Ringen mit der Regierung von Benjamin Netanjahu verständigt. In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten alle Fraktionen geschlossen: Das Gesetz zur Auflösung der Knesset soll heute zur Abstimmung gestellt werden – einstimmig und verpflichtend für alle beteiligten Parteien. Zeitgleich verkündete das ultraorthodoxe Sprachrohr „Yated Ne’eman“: Auch die Partei „Vereinigtes Tora-Judentum“ werde geschlossen für die Auflösung des Parlaments stimmen. Damit wird die Regierung in den kommenden Stunden einem entscheidenden Belastungstest unterzogen – vielleicht sogar dem letzten.
Die Entscheidung kam nicht spontan, sondern wurde als taktischer Schachzug auf höchster Ebene vorbereitet. Sämtliche anderen Gesetzesinitiativen und parlamentarische Anfragen der Opposition wurden heute von der Tagesordnung gestrichen. Das Ziel sei klar, heißt es aus Oppositionskreisen: Alle Kräfte werden auf einen einzigen Punkt konzentriert – den Sturz der Regierung Netanjahu.
Doch während sich die Opposition kampfbereit zeigt, laufen hinter den Kulissen fieberhafte Gegenmanöver der Regierungskoalition. Noch immer ist unklar, wie sich die ultraorthodoxe Shas-Partei verhalten wird. Ohne ihre Stimmen dürfte die Initiative scheitern. Deshalb versucht die Koalition nun, über den juristischen Dienst der Knesset einen Kompromiss zu erarbeiten, der insbesondere den religiösen Parteien als Brücke angeboten werden könnte. Ein solcher Entwurf liegt offenbar bereits in groben Zügen vor – und obwohl es noch keine Zustimmung gibt, wurde er nicht sofort zurückgewiesen. Das lässt zumindest die Tür einen Spalt breit offen.
Kampf gegen die Uhr
Die heutige Plenarsitzung der Knesset begann um 11 Uhr. Doch um Zeit zu gewinnen, setzte die Koalition zahlreiche eigene Gesetzentwürfe auf die Tagesordnung. Damit soll die Abstimmung über die Parlamentsauflösung möglichst weit nach hinten verschoben werden – möglicherweise auf den späten Abend oder gar in die Nachtstunden. Dahinter steht ein klares Kalkül: Je später die Abstimmung, desto größer die Chance, Unsicherheiten innerhalb des Oppositionslagers zu verstärken oder einzelne Akteure zum Umdenken zu bewegen.
Dabei geht es nicht nur um das „Ob“, sondern auch um das „Wann“. Denn wird der Entwurf zur Auflösung der Knesset heute zur Abstimmung gebracht und scheitert, kann er nach geltendem Recht für sechs Monate nicht erneut eingebracht werden. Ein Scheitern heute würde die Opposition also für ein halbes Jahr lähmen – es sei denn, der Sprecher der Knesset erteilt eine Sondergenehmigung, den Gesetzesvorschlag erneut vorzulegen. Ein Szenario, das jedoch nur denkbar wird, wenn sich Teile der Koalition vom Regierungskurs absetzen.
Die oppositionellen Fraktionen wägen daher sorgfältig ab, ob sie das Risiko einer Niederlage eingehen sollen. Sie wissen: Die Uhr tickt erbarmungslos. Am 27. Juli endet die laufende Sommer-Session der Knesset. Danach beginnt eine mehrwöchige Pause – erst am 19. Oktober tagt das Parlament wieder. Ziel der Opposition ist es, das Gesetz bis dahin in allen drei Lesungen durchzubringen.
Doch der Weg ist lang. Selbst wenn die erste Lesung heute erfolgreich sein sollte, folgt als Nächstes die Behandlung im zuständigen Parlamentsausschuss unter Leitung von Ophir Katz (Likud), einem engen Vertrauten Netanjahus. Dort ist mit Verzögerungstaktiken zu rechnen. Erst nach der Ausschussphase kann der Gesetzentwurf erneut zur Abstimmung vorgelegt werden – dieses Mal zur finalen Entscheidung.
Ringen um Macht und Verantwortung
Die politischen Fronten in Israel sind tief. Viele sehen in der heutigen Abstimmung nicht nur einen Akt parlamentarischer Routine, sondern eine Abstimmung über Vertrauen, Integrität und Zukunft. Seit dem 7. Oktober steht das Land unter dem Schock des Hamas-Massakers – doch während die Bevölkerung Opfer bringt, ringen ihre Repräsentanten um Posten, Machterhalt und politisches Überleben.
In diesem politischen Klima ist die Einigkeit der Opposition bemerkenswert – ebenso wie der wachsende Druck innerhalb der Koalition. Auch wenn Netanjahu noch regiert, bröckelt seine Mehrheit. Ob die heutige Abstimmung den Wendepunkt markiert, wird sich erst am Abend zeigen.
Autor: Redaktion
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Mittwoch, 11 Juni 2025