Israel im Ausnahmezustand: Leben im Schatten des drohenden Krieges mit dem IranIsrael im Ausnahmezustand: Leben im Schatten des drohenden Krieges mit dem Iran
Die iranische Bedrohung verändert das Leben in Israel grundlegend. Schulen, Flughäfen, Geschäfte – fast alles steht still. Doch die Menschen funktionieren weiter, aus Gewohnheit, aus Mut, aus Trotz.
Die Entscheidung fiel in der Nacht – und sie war unumkehrbar: Verteidigungsminister Israel Katz erklärte das ganze Land zum „Ausnahmezustand im Landesinneren“. Was nüchtern und bürokratisch klingt, ist de facto ein landesweiter Notstand. Der Grund: Israel hat eine präventive Militäraktion gegen Iran gestartet – und bereitet sich nun auf eine massive Reaktion vor. Raketen. Drohnen. Cyberangriffe. Die Bedrohung ist real und akut. Und sie trifft nicht nur Soldaten oder Politiker – sondern jeden einzelnen.
Das öffentliche Leben wurde über Nacht heruntergefahren. Wer in Israel lebt, lebt derzeit im Ausnahmezustand. Es gibt keine Schule, keinen regulären Nahverkehr, keine Flüge. Die Arbeitswelt liegt weitgehend lahm – nur kritische Infrastrukturen wie medizinische Einrichtungen, Strom, Wasser und lebensnotwendige Versorgung arbeiten weiter. Der Flughafen Ben Gurion ist geschlossen. Flüge wurden gestrichen, Maschinen auf dem Weg nach Tel Aviv nach Zypern umgeleitet. Der israelische Luftraum – verriegelt.
Was das bedeutet, zeigt sich an den kleinen Dingen. Eltern, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder beschäftigen sollen, weil Kindergärten und Schulen geschlossen sind. Jugendliche, die nicht zur Uni können. Angestellte, die plötzlich keine Arbeit mehr haben – nicht, weil sie krank sind, sondern weil ein anderer Staat ihnen indirekt den Alltag diktiert.
Auch der Nahverkehr ist massiv eingeschränkt. Während einige Sonderzüge noch gestrandete Flugreisende in Sicherheit bringen, fahren die regulären Linien nur stark reduziert. In Tel Aviv und Jerusalem stehen die beliebten Stadtbahnen komplett still. Wer nicht unbedingt reisen muss, bleibt besser zuhause – möglichst nahe an einem Schutzraum.
Die Straßen sind leerer als sonst, doch das bedeutet nicht, dass das Land stillsteht. Im Gegenteil. Hinter verschlossenen Türen wird gearbeitet: von den Stäben der Zivilschutzbehörden, von den Krankenhäusern, von den Familien. Die israelische Armee kommuniziert im Stundentakt über offizielle Kanäle, die Bevölkerung wird über Push-Nachrichten informiert. Die App des Heimatschutzkommandos ist für viele zur wichtigsten Informationsquelle geworden.
Eine der größten Herausforderungen stellt das Gesundheitswesen dar. Während viele Kliniken auf Notbetrieb umstellen mussten – keine ambulanten Behandlungen, keine nicht-lebenswichtigen Eingriffe – bleibt die Versorgung für Schwerkranke wie Dialysepatienten aufrechterhalten. Die Regierung ruft eindringlich dazu auf, Krankenhäuser nur im absoluten Notfall aufzusuchen. Das medizinische Personal arbeitet in unterirdischen Bunkern – ein gespenstisches, aber notwendiges Szenario.
Auch das psychische Wohlbefinden gerät zunehmend in den Fokus. Die israelische Gesellschaft ist kriegserprobt – aber auch sie hat ihre Belastungsgrenzen. Unterstützungsangebote wie die NGO ERAN oder Notfalltelefone der Krankenkassen stehen bereit. Die Menschen brauchen jemanden zum Reden, besonders die, die allein sind oder traumatische Erlebnisse aus früheren Kriegen mit sich tragen.
Was bleibt, ist das Leben zwischen Alarmbereitschaft und Hoffnung. Es gibt keinen konkreten Raketenbeschuss – noch nicht. Aber die Drohung steht im Raum. Der Alarm, der viele Bürgerinnen und Bürger in der Nacht geweckt hat, war nicht das Signal für einen Angriff – sondern die stille Ankündigung, dass der Angriff bevorstehen könnte.
Generalmajor Zvika Tesler, einer der Verantwortlichen beim Heimatschutzkommando, beschrieb die Situation als „neue Realität“. Es gehe nicht nur um den Schutz vor einem physisch greifbaren Feind, sondern um ein Umdenken: Israel müsse jetzt mit einem Gegner rechnen, der anders agiert – in seiner Intensität, seiner Strategie, seiner Reichweite.
Die Israelis kennen diesen Zustand. Es ist nicht der erste Krieg, den das Land erlebt. Doch diesmal ist es anders. Der Gegner ist nicht die Hamas in Gaza oder die Hisbollah im Libanon – es ist der Iran, ein regionaler Machtblock mit gewaltigen militärischen Ressourcen. Und es ist eine Konfrontation, auf die Israel seit Jahren vorbereitet ist – militärisch, strategisch, aber auch mental.
Die Gesellschaft reagiert mit einem Mix aus Disziplin, Sorge und Trotz. Die Menschen folgen den Anweisungen, bleiben zuhause, halten sich an die Verbote für Versammlungen, Gottesdienste und Freizeitaktivitäten. Es gibt keine offenen Restaurants, keine Kinos, keine Theateraufführungen. Israel hat den Puls angehalten – in dem Wissen, dass jeder Moment entscheiden kann.
Und dennoch: Das Land funktioniert weiter. Nicht, weil es muss – sondern weil es kann. Weil die israelische Bevölkerung weiß, dass der Preis der Nachlässigkeit hoch ist. Und weil man gelernt hat, unter Druck weiterzuleben. Auch, wenn der Himmel leer ist. Auch, wenn das Lachen auf den Straßen verstummt ist.
Israel lebt. Und Israel verteidigt sich. Nicht aus Aggression. Sondern aus der tief verankerten Überzeugung, dass die eigene Existenz verteidigt werden muss – jeden Tag, gegen jeden Feind, mit allen Mitteln. Und solange das so bleibt, ist klar: Der Iran mag eine Bedrohung sein. Aber Israel ist bereit.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Eurovaran - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59129325
Freitag, 13 Juni 2025