Israel im Kriegsmodus: Knesset fährt Betrieb drastisch herunter – Verteidigungsausschuss tagt unter Ausschluss der ÖffentlichkeitIsrael im Kriegsmodus: Knesset fährt Betrieb drastisch herunter – Verteidigungsausschuss tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Während iranische Raketen weiter auf israelische Städte niedergehen, stellt die Knesset nahezu alle Aktivitäten ein. Nur ein Ausschuss tagt noch – hinter verschlossenen Türen.
Die Sirenen heulen wieder – nicht nur im Süden oder an der libanesischen Grenze, sondern mitten im Herzen Israels: Tel Aviv, Ramat Gan, Rishon LeZion, Bat Yam. Die Ballistik ist nicht mehr nur ein Bedrohungsszenario aus den Lagebesprechungen der Armee, sondern tödliche Realität. Und während sich das israelische Militär im Rahmen der „Operation Stehender Löwe“ mit aller Kraft der Verteidigung und dem Gegenschlag widmet, zieht sich die Legislative in den Notbetrieb zurück.
Am Sonntag verkündete die Sprecherabteilung der Knesset, dass der Parlamentsbetrieb auf ein Minimum reduziert wird. Nur „essenzielle Ausschusssitzungen“ finden noch statt. Gemeint ist in erster Linie der wichtigste Ausschuss in Zeiten wie diesen: der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung. Und auch dieser tritt nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen – am Montag soll es in der streng geheimen Sitzung ein umfassendes Update zur laufenden Operation gegen Iran geben.
Knessetsprecher Amir Ohana (Likud) koordinierte bereits am Sonntag mit Fraktionsführern der Koalition und Opposition, wie der Parlamentsbetrieb diese Woche weitergeführt werden kann – oder eben nicht. Entscheidungen von nationaler Tragweite stehen an, aber der Normalbetrieb ist nicht aufrechtzuerhalten. Es geht nicht mehr um Gesetzesentwürfe oder Ausschussberichte, sondern um das Überleben der Nation und der Menschen an der Heimatfront.
Parallel soll der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung auch über die Ausrufung eines Sondernotstands beraten – eine Maßnahme, die Verteidigungsminister Israel Katz (Likud) vorbereitet hat. Sie würde der Regierung weitreichende Vollmachten einräumen, vor allem in der Verwaltung des zivilen Lebens und der Krisenbewältigung im Inneren.
Während die meisten Abgeordneten aus Sicherheitsgründen von Jerusalem fernbleiben, zeigten sich einige führende Politiker*innen an der Seite der Bevölkerung – dort, wo die Einschläge zu hören und die Wunden sichtbar sind. Yair Golan (Demokraten) besuchte am Samstag mehrere Städte, die von iranischen Raketen getroffen wurden. In einem Beitrag auf X (ehemals Twitter) schrieb er: „Ich habe Bürger mit starkem Geist getroffen, Kommunen, die effizient arbeiten, sowie Soldaten des Heimatfrontkommandos und Polizisten, die Verantwortung übernehmen.“
Am Sonntag folgte Energieminister Eli Cohen mit einem Besuch in Bat Yam – der Stadt, die jüngst erneut direkt von einem ballistischen Angriff getroffen wurde. Vor Reportern sagte er mit Blick auf Teheran: „Für jedes Gebäude, das in Israel fällt, werden hundert in Iran fallen.“ Worte, die Vergeltung ankündigen – und Härte demonstrieren sollen.
Auch Präsident Isaac Herzog ließ sich vor Ort blicken, nicht als Machtpolitiker, sondern als moralisches Staatsoberhaupt. Sein Besuch galt nicht nur dem Einschlagsort in Bat Yam, sondern auch den Verwundeten in den Krankenhäusern. Es ist die symbolische Geste in Zeiten der Anspannung – ein Präsident, der nicht in Bunkern sitzt, sondern an der Seite seines Volkes steht.
Während die politischen Institutionen sich auf Notbetrieb beschränken, ist die israelische Armee rund um die Uhr im Einsatz. Über 170 Ziele in Iran wurden seit Freitag bombardiert, darunter Kommandozentralen, Raketensilos und logistische Infrastrukturen. Und doch: Iran feuert weiter. Am Wochenende allein über 200 ballistische Raketen – ein Teil davon wurde abgefangen, ein anderer Teil traf.
Militärexperten warnen: Auch wenn Israels Luftwaffe bedeutende Erfolge erzielt hat, etwa gegen die hochgesicherte Atomanlage in Natanz, ist kein schnelles Ende der Bedrohung in Sicht. Schätzungen zufolge hatte Iran vor Beginn des Krieges etwa 3.000 ballistische Raketen – davon etwa 1.000 mit Reichweite bis Israel. Und davon sind noch Hunderte verfügbar.
Dass die Knesset nun de facto stillsteht, ist ein seltener, aber verständlicher Schritt in Kriegszeiten. Und doch stellt sich die Frage, wie lange eine Demokratie durchhalten kann, wenn selbst ihre Legislative auf Notbetrieb läuft. Der Schutz der Bevölkerung steht außer Frage – aber auch die politische Transparenz, Kontrolle und Debatte sind Werte, die nicht auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden können.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von Chris Yunker from St. Louis, United States - Knesset Building, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39497253
Sonntag, 15 Juni 2025