„Wie ein Kartenhaus eingestürzt“ – die arabische Welt sieht Irans Waffenstillstand als historische Niederlage„Wie ein Kartenhaus eingestürzt“ – die arabische Welt sieht Irans Waffenstillstand als historische Niederlage
Für arabische Beobachter war die Feuerpause mit Israel kein Sieg – sondern eine Demütigung für das Regime in Teheran.
Was im Westen als Waffenruhe interpretiert wird, gilt in weiten Teilen der arabischen Welt als Offenbarungseid: Der vermeintlich unerschütterliche „Widerstand“ Irans sei in nur wenigen Tagen zerbröselt. Nicht Israel, sondern Teheran stehe jetzt am Abgrund. Diese Deutung ist nicht zufällig – sie offenbart ein tektonisches Beben in der Wahrnehmung arabischer Eliten.
Der jemenitische Kommentator Husain al-Wadaei nennt den 13. Juni 2025 offen „den Nakba-Tag Irans“. Nakba – das ist ein schwer beladener Begriff. Doch al-Wadaei meint es genau so. Für ihn fiel an diesem Tag nicht nur die Maske der Abschreckung. Vielmehr sei der ganze „Mythos der Achse des Widerstands“ in sich zusammengefallen – „wie ein Kartenhaus“. Teheran habe es versäumt, seine Bündnisse in der Region zu mobilisieren. Stattdessen: Schweigen, Rückzug, Isolation. Die Milizen, auf die sich das Regime so lange stützte, hätten sich verdünnisiert, als die Explosionen im Herzen Teherans die selbst gebaute Fassade wegsprengten.
Al-Wadaei spricht von einer Iranischen Republik, die sich selbst aufgibt – entwaffnet, durchlöchert, entlarvt. Ohne nukleares Druckmittel, ohne glaubwürdige Militärstrategie, ohne Rückhalt im Innern. Er nennt drei zentrale Mythen, die in den Trümmern begraben wurden: Der Mythos vom heroischen islamischen Widerstand. Der Mythos vom mächtigen Iran, der trotz Armut und Unterdrückung seine Nachbarn dominiert. Und nicht zuletzt – der Mythos, dass ein Naher Osten mit Iran als Ordnungsmacht überhaupt existieren könne.
Ein neuer regionaler Diskurs nimmt damit Konturen an. Einer, der nicht mehr von symbolischer Palästina-Rhetorik und der Verklärung von „Märtyrern“ getragen ist, sondern von nüchternem Machtdenken. Die „palästinensische Sache“, so al-Wadaei, werde sich nun von der iranischen Mythologisierung befreien – und zurückkehren in die politische Realität. Nicht als Opferkult, sondern als Herausforderung unter vielen.
Noch drastischer formuliert es der irakische Publizist Iyad al-Dulaimi. Für ihn ist die Waffenruhe nicht das Ende eines Krieges – sondern der Beginn eines Überlebenskampfes in Teheran. Die wahre Bedrohung komme nun von innen. Die Legitimität des Regimes, ohnehin brüchig, sei nun offen in Frage gestellt. Milliarden seien in Raketenprogramme und Urananreicherung geflossen – mit dem Ergebnis: Nichts. Die Anlagen zerstört, das Uran verschwunden, die vermeintliche Abschreckung verpufft. Der iranische Bürger beginne zu fragen: Wofür?
Al-Dulaimi verweist auf ein fundamentales Problem: Die iranischen „Außenarme“, also Hisbollah, Hamas, die Huthi-Milizen und weitere, hätten sich als untauglich erwiesen – oder schlicht als illoyal. In der Stunde der Not habe niemand für Teheran gekämpft. Diese Erkenntnis frisst sich nun tief in das politische Bewusstsein der Bevölkerung. Er schreibt: „Die eiserne Hand, die 45 Jahre lang alles unterdrückte, überzeugt niemanden mehr.“
Der vielleicht härteste Schlag kommt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Analyst Amjad Taha stellt nüchtern fest: „Nur zwölf Tage. Nicht zwölf Jahre. Zwölf Tage – und das Atomprogramm war weg.“ Für ihn zeigt sich darin nicht nur die militärische Überlegenheit Israels, sondern auch das Scheitern des politischen Islam in seiner radikalsten Form. Die Revolutionsgarden seien nun „ein Parkplatz“, die Generäle „Motivationsposter für Versagen“. Der einst so gefürchtete Iran: ein Schatten seiner selbst.
Diese Stimmen markieren eine Wende. Nicht aus Sympathie zu Israel – sondern aus tiefem Eigeninteresse. Die arabischen Regime, insbesondere am Golf, spüren, dass der ewige Kriegszustand mit Iran nicht mehr tragbar ist. Und sie sehen eine Gelegenheit, sich zu befreien – aus der Geiselhaft der iranischen Dominanz über Nahost-Narrative. Es ist ein seltener Moment der Einigkeit: Von Bagdad bis Abu Dhabi erkennt man, dass das iranische Regime vielleicht nicht sofort stürzt – aber doch schwer getroffen ist. Und dass nichts mehr ist wie zuvor.
Ob dies ein Wendepunkt ist, bleibt offen. Doch eines ist sicher: Die Feuerpause hat keine Ruhe gebracht, sondern neue Fragen aufgeworfen – für Iran, für seine Nachbarn und für die gesamte Region. Wenn selbst arabische Kommentatoren vom „Zusammenbruch“ sprechen, ist es nicht mehr nur Wunschdenken. Es ist der Beginn einer neuen Realität.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild KI generiert
Dienstag, 24 Juni 2025